Prozess: Geschädigter sagt vor Gericht aus / Versionen der Beteiligten unterscheiden sich gewaltig

Starzach/Tübingen. Im Prozess vor dem Tübinger Landgericht gegen den Transportunternehmer aus dem Kreis Böblingen, der im vergangenen Sommer gemeinsam mit seinem Bruder einen seiner Angestellten in dessen Wohnung in Starzach mit einer Waffe bedroht und ins Gesicht geschlagen hat, haben sich am zweiten Verhandlungstag einige Unterschiede in den Versionen der beiden Hauptbeteiligten gezeigt.

Bereits am ersten Verhandlungstag hatte der Transportunternehmer, der sich mit seinem Bruder wegen schweren Raubs, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes vor Gericht verantworten muss, große Teile der Anklage zugegeben. Er räumte ein, kurz entschlossen mit seinem Bruder zum Wohnort seines Mitarbeiters nach Starzach gefahren zu sein. Der Fahrer hatte sich krankgemeldet und noch Schlüssel und Unterlagen für eine wichtige Tour bei sich. Zudem verdächtigte der Chef ihn, mehr als 1000 Liter Diesel mit Hilfe einer Firmentankkarte gestohlen zu haben.

Der Chef gab zu, dass er versucht habe, seinen Fahrer zum Mitkommen zu zwingen und auch den Dieseldiebstahl zuzugeben. Dabei schlug er ihm angeblich mit der flachen Hand ins Gesicht und vor die Brust. Als dies keine Wirkung zeigte, zog er eine Schreckschusspistole, bedrohte ihn mit der Waffe und schlug mit ihr auch nach seinem Mitarbeiter, erklärte der Chef. Er gab an, dass er das Smartphone, die Schlüssel und die Ausweise seines Fahrers mitnahm, um ein Pfand für den verschwundenen Treibstoff zu haben.

Am Tag darauf tauchte die verschwundene Tankkarte jedoch wieder auf – der verdächtigte Fahrer konnte den Diesel also nicht gestohlen haben. Er habe dann auch direkt versucht sich bei seinem Mitarbeiter zu entschuldigen und ihm seine Sachen wieder auszuhändigen, ihn aber nicht mehr erreicht, erklärte der Chef.

Alle Kontaktversuche hat Geschädigter abgeblockt

Bei seiner Festnahme wurden die entwendeten Dinge im Keller der Lebensgefährtin des Chefs gefunden – zudem noch eine scharfe, halb automatische Waffe, die nicht zum Einsatz kam, deren Besitz der Transportunternehmer aber auch zugab.

Am zweiten Prozesstag sagte nun auch der geschädigte Fahrer aus. Seine Version unterscheidet sich jedoch maßgeblich in drei Punkten, von der seines Arbeitgebers. Er gab an, dass sein Chef ihn nicht mit dem Dieseldiebstahl konfrontiert habe. Vielmehr sei es bei dem Vorfall nur darum gegangen, zur Arbeit zu erscheinen. Erst ganz am Ende habe der Chef einen Ausdruck einer Tank-Abrechnung aus der Tasche geholt, darauf gespukt und in seine Richtung geworfen. Seit dem Vorfall fühlt sich der Fahrer auch bedroht und von seinem Chef verfolgt.

Alle Kontaktversuche hat er abgeblockt, denn über Bekannte sei ihm zugetragen worden, dass sein Chef "ihn fertigmachen wolle" und er besser schnell in sein Heimatland Rumänien verschwinden solle.

Der dritte Unterschied betrifft die während des Vorfalls vom Chef entwendeten persönlichen Gegenstände. Darunter sei neben Schlüssel, Smartphone und Papiere des Fahrers noch ein weiteres Smartphone, 260 Euro an Bargeld und ein Motorradschlüssel gewesen. Das zweite Smartphone und das Bargeld wurden von der Polizei jedoch nirgends gefunden. Und auch das Motorrad gibt einiges an Rätseln auf. Mit diesem ist der Fahrer kurz nach dem Vorfall angeblich in einen Unfall in Rumänien verwickelt gewesen, dies geben zumindest zwei weitere Zeugen an, die darüber mit ihm gesprochen und es auf seiner Facebook-Seite nachgelesen haben wollen. Der Fahrer selbst sagt, das Motorrad sei verschwunden gewesen, nachdem er aus dem Urlaub zurückgekehrt sei.

Mehr Klarheit soll der dritte Verhandlungstag am Donnerstag, 5. Juli, bringen. Hier wird der Fahrer erneut in den Zeugenstand treten.