Das "Stabat Mater": Dichter als in der privaten Kapelle von schloss Weitenburg kann man ein Konzert nicht erleben. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

Auftaktkonzert: Horber Kammerorchester spielt "Stabat Mater" in der Privatkapelle auf Schloss Weitenburg

Großartig! Schon allein mit diesem Wort könnte man das Auftaktkonzert des Horber Kammerorchesters zu ihrer diesjährigen Herbst-Konzertreihe zusammenfassen.

Starzach/Horb. Eine Handvoll Menschen, die an diesem unwirtlichen Freitagabend den Weg in das Schloss Weitenburg fanden, erlebten in der kleinen Privatkapelle des Schlosses ein Konzert, das geradezu wie eine kostbare Perle schien.

Mit der konzertanten Adaption des mittelalterlichen Gedichtes "Stabat Mater", das Giovanni Battista Pergolesi, der Meister der melodischen Dissonanzen, kurz vor seinem frühen Tod schrieb und damit seinen Namen in der Welt der Klassik unsterblich machte, gelang es dem Horber Stadtmusikdirektor Sven Gnass, ein weiteres Meisterwerk der sakralen Klassik dem begeisterten Publikum zu präsentieren.

Es war geradezu eine intime Atmosphäre, die da in der abgedunkelten Schlosskapelle herrschte, denn so nah wie an diesem Abend kommt man als Zuhörer selten an die Hauptdarsteller heran. Für die Konzertbesucher war es, als säßen sie mitten im Orchester. Sie konnten jeden Ton des grandios aufspielenden Orchesters hören, sie erlebten die Kraft und die Ausdrucksstärke der beiden fantastischen Sängerinnen und jedes einzelne, und sei es auch noch so zarte Berühren der Bögen auf den Saiten der Instrumente, war nahezu körperlich spürbar. Was an diesem niesseligen Novemberabend geboten wurde, das war eine Sternstunde der Klassik.

"Ich fühle mich geradezu privilegiert, dass ich hier dabei sein durfte", sagte eine Zuhörerin nach dem Konzert voller Ergriffenheit.

Bevor Orchesterleiter Gnass zusammen mit den Solistinnen, der Berliner Sopranistin Marie-Audrey Schatz und der Hamburger Mezzo-Sopranistin Melina Meschkat, das kleine Kirchlein betraten, stimmte sich das Horber Orchester zum Kammerton A, vorgegeben von der ersten Geige, die Larissa Dolgova spielt, ein. Dies ist insofern wichtig, da die empfindlichen Holzinstrumente – es kamen bei dieser Aufführung lediglich Kontrabässe, Cellos, Geigen und Bratschen zum Einsatz – immer wieder das aktuell herrschenden Raumklima austariert werden müssen. Für die Vollblutmusiker im Kammerorchester kein Problem. Nach wenigen Anpassungen klang jedes Instrument wie vorgesehen.

Gnass dankte schnell dem "lieben Max", wie er den Hausherrn Baron von Raßler nannte, dass er seine, seit vielen Jahrhunderten in Privatbesitz befindliche Kapelle, für diese Aufführung zur Verfügung stellte. Doch danach versank man im Reich der Töne. Pergolesi hatte sein "Stabat Mater" in zwei große Handlungsstränge aufgeteilt und in zwölf Partiturteile gegliedert, was sicher als Anlehnung an die zwölf Apostel zu werten ist.

Im ersten Teil, der Schilderung, erzählte der Komponist von der Kreuzung Jesu und den Qualen, die seine Mutter Maria litt, als sie unter dem Kreuz stand, an dem ihr Sohn hing. Einen Schmerz, den die beiden Sängerinnen hervorragend zu transportieren und in Töne zu kleiden verstanden. Beide überzeugten mit ihren gut ausgebildeten, unverbrauchten Stimmen und selbst in den ganz hohen, schwierig zu singenden Bereichen, klangen die Passagen natürlich, kraftvoll und stabil. Sie machten geradezu Werbung für die hohe Frauenstimme. Nicht von ungefähr ist das "Stabat Mater" eines der Lieblingsstücke von Marie-Audrey Schatz. Sie sang es auch an diesem Abend voller Inbrunst und bildete dabei mit ihrer Hamburger Kollegin ein kongeniales Paar. Der zweite Teil des Stückes bestand aus den Fürbitten. Gerade solche Szenen, wie beispielsweise der Beginn der dritten Fürbitte, in der es heißt "Heilige Mutter, drücke die Qualen des Gekreuzigten tief in mein Herz" (Santa Mater, istud agas, Crucifixi fige plagas Cordi meo valide) unterstreichen die These, dass gerade das "Stabat Mater" eine besondere Mischung aus Oper und intensiver Frömmigkeit in sich trägt.

Das Horber Kammerorchester ist für seine hohe Kunst und Instrumentenbeherrschung weithin bekannt, und doch ist es immer wieder erstaunlich, zu welch grandiosem Sound das Streichensemble unter Leitung von Gnass fähig ist. Ob flirrende Geigen, zart und melodische, ja sogar leise hingehauchte Cello-Einsätze oder der kraftvolle, tragende Ton der Kontrabässe, gemeinsam verschmelzen sie zu einem Klangerlebnis der ganz besonderen Art. Genauso wie die gesamte Aufführung an diesem besonderen Ort.

Doch nicht nur die Besucher des Weitenburger Konzerts kamen in den Genuss dieses Klangerlebnisses, sondern tags darauf auch die Menschen, die sich das Konzert in der Nordstetter Pfarrkirche St. Mauritius anhören durften.