Kyle Scheurmann (vorne, von links), Julie Rafalski, Elisa Carreño, Romi Cruañas, Monika Golla (hinten, von links) und Frank Fierke vom Kunstort Eleven Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote

Kunstort Eleven: Der Künstlertreff aus Börstingen ist dieses mal im Kunstmuseum in Reutlingen

Der Koffer steht vor dem Schulklavier aus Börstingen. Auf dem Boden ist der Grundriss der alten Schule aufgemalt. Sechs Künstler beziehen gerade ihre Residenz. Der Kunstort Eleven aus Starzach-Börstingen ist umgezogen – in die Kunstgalerie Reutlingen.

Starzach-Börstingen/Reutlingen. "Keine Angst", lachen Monika Golla und Frank Fierke: "Das ist nur ein Zwischenspiel. Wir hatten ohnehin vor, dieses Jahr eine Pause mit dem Kunstort in Börstingen zu machen. Doch wir hatten so viele Anfragen, dass wir dann doch an unsere Ausstellung in Reutlingen die Residenz eingeklinkt haben."

Die internationale Künstler-Residenz in Starzach-Börstingen gibt es seit 2015. Drei Jahre gab es Kunst ohne Ende. Und so mancher Künstler, der in der alten Schule sein Atelier auf Zeit hatte, fand Gefallen an der Gegend. Beispielsweise Steffi Müller und Klaus E. Dietl oder Helena Hartmann. Alle sind jetzt im Künstlerhaus Horb.

Aktuell herrscht Ruhe in der alten Schule

Doch in diesem Jahr herrscht Ruhe in der alten Schule in Börstingen. Dafür Unruhe in Reutlingen. Denn Ende vergangenen Jahres  haben Golla und Fierke eine Einladung vom Kunstmuseum Reutlingen bekommen. Golla: "Wir haben einfach den Kunstort von Börstingen in die ehemalige Maschinenhalle der Galerie des Kunstmuseums verlegt." Eingerahmt wird das ganze von der Luftikus-Kunst von Fierke und der Klangkunst von Golla – deutlich zu erkennen an den Luftobjekten rechts und links an der Kabelspinne. Dazwischen viele Schnipsel der Künstler, die Börstingen und auch Horb begeistert haben. Die – so wie die Kabelspinne symbolisiert – die ganze Ausstellung zu einem Netzwerk machen. Und zeigen, welche kreativen Impulse in Börstingen spontan aus dem zufälligen Aufeinandertreffen der Künstler entstanden sind.

Egal, ob es die kultigen Schafskostüme sind, die Jackie und Joe beim LTT in Tübingen gekauft haben und mit denen sie spontan mit Bahn und Bus nach Börstingen gefahren sind. Oder die Malmaschine, die Thomas Collins in der alten Schule gebaut hat. Die Steine, die Rochyne Delaney McNulty im Horber Art-Park begehbar gemacht hat. Oder die silberne Bank, die die lustige Bonnie Lee Turner in Horb aufgestellt hatte. Monika Golla: "Das sind alles Bezüge untereinander, die die Geschichten der vielen Begegnungen erzählen, die es in Börstingen gegeben hat. Hier wird Kunst nicht gezeigt wie Produkte, sondern als Teile, an denen man schaffen und teilnehmen kann."

Wie beispielsweise die Schafskostüme. Eleven-Macher Frank Fierke: "Das ist total zum Kult geworden. Jeder, der will, darf sie anziehen und Selfies machen. Wir haben da schon jede Menge Fotos bekommen mit den tollsten Verrenkungen und lustigsten Posen."

Es gibt die "Literaturecke" – mit dem Erstlingswerk von Jamie McGhee. Sie wollte in Börstingen eigentlich einen Roman über die Enteignung der Cherokee-Indianer weiterschreiben. Raus kam ein Songbook mit dem Titel "Cold Summer". Komisch: Dabei war der Juli 2018, als Jamie in Börstingen weilte, doch ganz ordentlich von den Temperaturen her.

Großes Event am heutigen Abend

Und die Künstler-Residenz hat nachhaltigen Eindruck gemacht auf die 130 Künstler aus aller Welt, die schon in der alten Schule waren: Davon zeugt die Mail-Art. Kunstwerke, per Post geschickt, die an der Wand hängen. Videos, Klänge, Texte, Fotos, Objekte, die zeigen, was im Eleven in der alten Schule in den vergangenen drei Jahren alles geschaffen wurde.

Und seit Kurzem ist das Kunstort-Feeling der Künstler-Gemeinschaft auch live im Kunstmuseum Reutlingen: Elisa Carreño kommt mit dem roten Rollkoffer in die Galerie, Kyle Scheurmann – direkt aus Kanada eingeflogen – nimmt erst mal einen Kaffee. Und – wie ist der Vergleich zwischen Starzach-Börstingen und Reutlingen? Kyle: "Ich bin erst zehn Minuten hier. Aber hier ist definitiv Stadt: Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich Autos und Menschen." Julie Rafalski: "Hier ist alles viel verknüpfter." Denn: Anders als in Börstingen mit den Einzelateliers ist die Galerie in Reutlingen offen – ein ehemaliger Maschinenraum. Romi Cruañas aus Brasilien: "Reutlingen hat den Vorteil, dass man hier leichter mit dem Zug herkommt als nach Starzach-Börstingen."

Das fängt also gut an. Doch wo wohnen die Künstler? Haben sie ihre Residenz in der Galerie? Golla lacht: "Nein. Das geht allein aus versicherungstechnischen Gründen nicht. Wir haben Appartements in der Nähe gefunden. So können wir uns hier ganz auf das Arbeiten konzentrieren. Wir werden gemeinsam etwas entwickeln, um das große Event am Samstagabend vorzubereiten. Das wird ein Riesen-Ding. Es heißt zwar rotes Sofa, aber das wird kein Gespräch, sondern ein Event mit Performance und vielem mehr."

Und wie geht es dann nach diesem Zwischenstopp weiter in Börstingen? Fierke: "Wir werden den Kunstort Eleven auf eine neue Stufe setzen. Die Ausstellung in Reutlingen zeigt uns, dass wir noch professioneller werden müssen. Das werden wir in Ruhe mit der Gemeinde besprechen."

Weitere Informationen: Das Ergebnis der Kurz-Residenz in Reutlingen wird am heutigen Samstag, 16. November um 19 Uhr präsentiert. Die Künstler: Elisa Carreño (Brasilien), Harry Chapman (England), Jeongson Lim (Korea), Julie Rafalski (England/Polen), Kyle Scheurmann (Kanada) und Romi Cruañas (Argentinien).

Die Ausstellung "Abs: Kunstort Eleven Artspace" geht bis zum 19. Januar 2020. Kunstmuseum Reutlingen, Eberhardstraße 14, Reutlingen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 11 bis 17 Uhr, Donnerstag 11 bis 19 Uhr, Sonntag und Feiertag 11bis 18 Uhr.