Bei dem Starkregen-Informationsabend musste wegen des Zuhörerandrangs sogar nachgestuhlt werden. Foto: Menzler

28. Juni 2021: In allen Teilorten Althengstetts wurden mehr als 50 Keller überflutet. Die Gemeinde informierte die Bürger nun über möglichen Schutz vor Hochwasser. Viele Betroffene entrüsteten sich über fehlende Prävention.

Althengstett - Jedes Mal, wenn sich dicke, dunkle Regenwolken über der Gemeinde Althengstett zusammenziehen, blicken die Bürger ängstlich gen Himmel. Denn im Juni diesem Jahres wurden Überflutungen in allen drei Teilorten gemeldet. "Auch uns hat ein Starkregenereignis getroffen", stieg Bürgermeister Clemens Götz am Dienstag in den Informationsabend in der Althengstetter Festhalle ein.

 

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Aus diesem Grund wurde das Ingenieurbüro Klinger und Partner aus Stuttgart mit der Beurteilung der Situation in den drei Althengstetter Ortsteilen beauftragt. Seit einigen Wochen gebe es bereits eine Gefahrenkarte für den Teilort Ottenbronn. Über die möglichen Maßnahmen, mit denen der Ort besser gegen Überschwemmungen geschützt werden könnte, steht noch der Gemeinderatsbeschluss aus.

86 erfasste Fälle

Die Feuerwehr wurde am Abend des 28. Juni zu 52 Einsatzstellen alarmiert, erläuterte Kommandant Benjamin Jones: "Das ist natürlich sehr unüblich, da es sich normalerweise nur um einzelne Stellen handelt." Wenn man auch die Überflutungsschäden hinzuzähle, die die Bürger selbst beseitigt hätten, komme man wahrscheinlich auf 100 Einsätze, schätze Jones.

Im Anschluss informierte Jan Butz, stellvertretende Abteilungsleiter des zuständigen Ingenieurbüros, über das Starkregenereignis, die Auswertung eines Fragebogens in der Gemeinde sowie empfohlene Maßnahmen. Bei dem Starkregen im Juni handelt es sich "nach Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes um ein 14-jähriges Ereignis". Insgesamt wurden 45 Überflutungsfälle in Neuhengstett, 27 in Althengstett und 14 in Ottenbronn per Fragebogen gemeldet.

Das Ingenieurbüro empfiehlt weitere Begehungen vor Ort, die Umsetzung von Objektschutzmaßnahmen – vor allem privat – und ein Starkregenrisikomanagement. Dieses simuliert Starkregenereignisse, zeigt Gefahrenpunkte auf und empfiehlt Maßnahmen zum Schutz vor Überflutungen.

"Privat kann man zum Beispiel eine Aufkantung für den Lichtschacht anstelle eines ebenerdigen Kellerfensters anbringen", erklärte der Fachmann. Außerdem könnte man ein Klappschott oder eine Bodenschwelle in der Hofeinfahrt bauen, die das Oberflächenwasser zurückhalten würde.

Bürger entrüstet

In Neuhengstett, dem im Juni am meisten betroffenen Teilort mit dem Neubaugebiet Brunnenstraße, wurde besonders die Kanalisation ins Auge gefasst. "Unsere Vermutung ist: Der neu gebaute Regenwasserkanal, der sauberes Regenwasser vom Neubaugebiet direkt in Gewässer ableitet, konnte im Juni nicht benutzt werden, da kein sauberes Regenwasser eingefangen wurde", erklärte der Butz. Dazu fehle die Bebauung des Gebiets, die sauberes Regenwasser vor allem durch Dachrinnen ableitet. Somit wurde der Mischwasserkanal, der nach Richtlinien für ein dreijähriges Ereignis ausgelegt sei, überbeansprucht.

In der anschließenden Fragerunde entrüsteten sich mehrere Bürger über die derzeitige Kanalisation in Neuhengstett. "Warum wurde der neue Kanal nicht genutzt?", fragte ein Bürger. "Weil schmutziges Wasser in Gewässer zu leiten schlichtweg streng verboten ist", antwortete Butz.

Warum man nicht Kanäle mit höherer Durchlaufkapazität baue, wollte eine betroffene Bewohnerin aus Neuhengstett wissen: "Mein Haus wurde von Oberflächenwasser umspült, als hätten die Kanäle das nicht verpackt." Butz erklärte, dass die Kanäle nicht für ein 14-jähriges Ereignis ausgelegt seien, sondern nach Richtlinien für ein Dreijähriges. "Wir würden gern mit mehr Durchlaufkapazität bauen. Das ist aber nicht möglich." Ein Bürger ärgerte sich besonders über fehlende präventive Maßnahmen, wenn ein 14-jähriges Ereignis zu erwarten wäre. Warum man nicht weitläufig davor warnen würde. Man lasse die Leute buchstäblich im Regen stehen. Damit erntete Beifall aus der Menge. Butz erklärte, man müsse die Verhältnisse vor Ort anschauen und keine allgemeine Warnung aussprechen.