Die neunjährige Pia ist an aplastischer Anämie erkrankt und braucht dringend eine Stammzellspende. Foto: privat

Für Pia und ihre Familie gerät kurz vor Weihnachten von einem Moment auf den anderen die Welt komplett aus den Fugen: aplastische Anämie, eine schwerwiegende Störung der Blutbildung, lautet die schockierende Diagnose für die Neunjährige. Nun wird händeringend nach einem Stammzellspender für das Mädchen gesucht.

Ostelsheim - Beim Duschen entdeckt Pias Mutter Einblutungen und blaue Flecken an den Beinen des Mädchens. Die Lehrerin hat sofort einen schlimmen Verdacht. Gleich am nächsten Tag besucht sie mit ihrer Tochter den Kinderarzt, noch am Abend wird die Neunjährige stationär in einem Freiburger Krankenhaus aufgenommen.

Erst die Erleichterung, dann der Schock

Zuerst ist die Familie sehr erleichtert, als nach einigen Tests klar ist, dass Pia nicht an Leukämie erkrankt ist. Doch was ist es dann? Die Untersuchungswerte sind weiter unklar. Es folgen eine erneute Knochenmarkpunktion und das Ergebnis, das der Familie den Boden unter den Füßen wegzieht: aplastische Anämie. Die Krankheit ist sehr selten. In Europa und in den USA erkranken laut Fachmedizinern jährlich etwa zwei von einer Million Menschen. Bei diesen Patienten ist die Zellproduktion im Knochenmark so gestört, dass keine oder nicht ausreichend viele Blutzellen gebildet werden. Unbehandelt verläuft die schwere aplastische Anämie in der Regel tödlich. "Unser erster Gedanke war: Jetzt trifft unsere Familie so etwas. Das kann doch nicht sein", berichten Pias Eltern.

Begeisterte Schwimmerin

"Sie ist ein fröhliches Kind, schwimmt gerne und fährt gerne Rad oder trifft sich mit ihren Freundinnen. Das wird in den nächsten Wochen und Monaten nicht mehr gehen", sagt der Ostelsheimer Pfarrer Jochen Stolch im Gespräch mit unserer Redaktion. Er kennt Pia und ihre Familie sehr gut und macht ihr Schicksal nun in seinem persönlichen Umfeld sowie in seiner Kirchengemeinde bekannt, um so möglichst viele potenzielle Stammzellenspender dazu zu bewegen, sich registrieren zu lassen.

DKMS verschiebt wegen Corona alle geplanten Aktionen

Die DKMS gemeinnützige GmbH (ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei) verschiebt wegen Corona allerdings weiterhin alle geplanten Veranstaltungen und Aktionen zur Registrierung neuer potenzieller Stammzellenspender. "Man kann trotzdem ohne große Umstände Pia und weiteren Erkrankten helfen", sagt Stolch. Wer zwischen 17 und 55 Jahren alt sei, komme als Stammzellenspender in Frage und könne sich unter www.dkms.de/gemeinsamfuerpia ein Registrierungsset bestellen. "Wir sind die Nasenabstriche durch die Corona-Tests ja schon gewohnt, hier ist sogar nur ein Wangenschleimhautabstrich nötig", beschreibt er den völlig unkomplizierten Vorgang.

Unterricht am Krankenbett

Pia wird die nächsten Monate weiter in der Klinik bleiben müssen. In ihrer Familie gibt es keinen passenden Stammzellenspender, weshalb sich die Neunjährige nun alternativ einer immunsuppressiven Therapie unterziehen muss, damit der Angriff der körpereigenen Abwehrzellen auf die eigenen blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks gestoppt wird. Diese Behandlung macht sehr müde "und man wird auch anfällig für alles andere", sagt Stolch. Nur die Eltern, jeweils entweder Vater oder Mutter, dürften derzeit zur Tochter. "Außerdem kommt eine Lehrkraft zu Pia in die Klinik und unterrichtet sie in den Hauptfächern", berichtet der Pfarrer. Dieses Schuljahr könne Pia zwar abhaken, aber der Unterricht am Krankenbett gebe ihr ein Stück Normalität und Tagesstruktur. Er hofft jetzt, dass sich möglichst viele Menschen bei der Suche nach einem genetischen Zwilling von Pia beteiligen: "Jede Registrierung und Typisierung ist es wert."

Info: Das Krankheitsbild

Die aplastische Anämie ist eine schwerwiegende Störung der Blutbildung. Alle Blutzellen, die im Blut eines Menschen vorkommen, entstehen aus den blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks. Es werden rote Blutzellen (Erythrozyten), Blutplättchen (Thrombozyten) und die Gruppe der weißen Blutzellen (Leukozyten) voneinander unterschieden. Bei der aplastischen Anämie kommt es vermutlich durch eine Fehlfunktion des eigenen Abwehrsystems (Immunsystem‎s) zu einem Angriff der körpereigenen Abwehrzellen auf die eigenen blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks. In der Folge zeigt sich eine Verminderung und eine Fehlfunktion oder sogar ein komplettes Fehlen aller Blutzellen im Blut (Panzytopenie). Dadurch können schwerwiegende gesundheitliche Probleme entstehen (Quelle: kinderblutkrankheiten.de, Informationsportal zu Blut- und Gerinnungserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen).