Die Kurzarbeiter-Quote ist in Baden-Württemberg bei 1,2 Prozent doppelt so hoch wie im Bund. Das liegt vor allem an der Metall- und Elektroindustrie, die nach früherer Stärke nun eher geschwächt dasteht.
Was bisher ein Vorteil für Baden-Württemberg war, der hohe Industrieanteil, wird nun zum Bremsklotz. In den Industriebranchen schlagen schwache Konjunktur und Transformation in einen immer größeren Verlust an Beschäftigung um. Dies wirkt sich speziell in puncto Kurzarbeit aus. Im Prinzip soll das Instrument Fachkräfte an Bord halten. Oder ist der Anstieg diesmal nur eine Vorstufe, bevor es zu verstärkten Stelleneinbußen kommt? Ein Überblick.
Wie hoch ist die Kurzarbeit im Südwesten? Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit so früh wie möglich anzeigen, denn Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige eingegangen ist. Seit Spätsommer vorigen Jahres hält dieser Trend kontinuierlich an. Bis zum 24. Oktober ist für 14 955 Beschäftigte im Land Kurzarbeit angezeigt worden; die vollständige Monatszahl wird höher liegen.
Im Vergleich mit der Vor-Coronazeit von 2019 hat sich die Zahl der Anzeigen somit mindestens verdreifacht. Die Pandemie selbst taugt nicht als Maßstab: Da waren zeitweise bis zu einer Million Menschen im Südwesten in Kurzarbeit. 57 375 Beschäftigte sind nach einer Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit (BA) tatsächlich in Kurzarbeit gelandet – dies ist sogar ein 16 bis 17 Mal so hoher Wert wie vor fünf Jahren.
Wie sind die Zuwächse zu bewerten? „Kurzarbeitergeld sichert Arbeitsplätze“, sagt Martina Musati – die Regionalchefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) hält es für ein „sehr positives Zeichen, dass die Unternehmen, die stark unter Kostendruck stehen, ihre eingearbeiteten Fachkräfte halten“. Denn Kurzarbeitergeld sei für die Arbeitgeber ein teures Instrument, obwohl ein Teil der Personalkosten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werde. Die aktuellen Kurzarbeiter-Anzeigen signalisierten, „dass wir auch in den nächsten Monaten mit einer hohen Anzahl kurzarbeitender Betriebe rechnen müssen“.
Anders sieht man es im Münchner Ifo-Institut – bundesweit betrachtet hält es den Anstieg bei der Kurzarbeit zwar für „spürbar, angesichts der schlechten Wirtschaftslage in der Industrie aber für vergleichsweise gering“, sagt der Ifo-Experte Sebastian Link. „Dies ist allerdings kein positives Zeichen.“ Vielmehr zeige dies, dass viele betroffene Unternehmen die Krise als sehr schwerwiegend ansähen. „Deshalb scheinen sie trotz der Arbeitskräfteknappheit eher Beschäftigung abzubauen oder Standorte zu verlagern, statt diese mit Hilfe von Kurzarbeit zu überbrücken.“
Wie steht Baden-Württemberg im Bundesvergleich da? Die Kurzarbeiterquote für Oktober liegt im Land bei 1,2 Prozent – das ist eine Verfünffachung von 2019 auf 2024. Das erhöhte Niveau rührt vor allem aus der Metall- und Elektroindustrie. „Die hohe Kurzarbeiterquote spiegelt deren Bedeutung für Baden-Württemberg“, so Musati über konjunkturelle Einbrüche und Auftragsmängel.
Eine Million Menschen oder 21 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in der Metall- und Elektroindustrie. Das ist anteilig und absolut gesehen Spitze im Ländervergleich. In Bayern beträgt der Anteil 16 Prozent (950 000 Beschäftigte), in Nordrhein-Westfalen elf Prozent (800 000) und im Bund 13 Prozent (4,4 Millionen). Die Kurzarbeiter-Quote, also der Anteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, ist im Bund und in diesen beiden Bundesländern mit 0,6 Prozent nur halb so hoch wie in Baden-Württemberg.
„Die Stärke der Metall- und Elektroindustrie hat uns jahrzehntelang Wohlstand und ein hohes Lohnniveau auch im Bereich der Angelernten gesichert“, so Musati. „Daher sind wir jetzt auch stärker von den Auswirkungen der Konjunktur und der Transformation betroffen.“ Die nächsten Jahre würden „zu einem Stresstest, aber Baden-Württemberg hat sehr gute Voraussetzungen, gestärkt daraus hervorzugehen“. Da brauche es die richtigen Impulse, mahnt sie, ohne Details zu nennen.
Welche Branchen sind primär betroffen? Die beschäftigungsstärksten Einzelbranchen in der Metallindustrie sind der Maschinenbau und der Auto(teile)bau – der Maschinenbau und die Metallverarbeitung sind auch die mit Abstand am stärksten von Kurzarbeit betroffenen Branchen.
Was bedeutet die ansteigende Kurzarbeiterquote für die Kassen der Bundesagentur? Im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit sind für dieses Jahr 348 Millionen Euro für die Kurzarbeit veranschlagt – ein Wert, der deutlich überschritten werden wird. Bis zum Ende des Jahres werden nach Angaben von Musati voraussichtlich Ausgaben in Höhe von 726 Millionen Euro zu verzeichnen sein.
Somit habe die BA überplanmäßige Ausgaben für konjunkturelles Kurzarbeitergeld beantragen müssen, die vom Bundesarbeitsministerium Anfang Oktober genehmigt worden seien. Der BA-Haushalt für nächstes Jahr wird am 15. November vom Verwaltungsrat fixiert. Für 2025 wird nach der Herbstprognose der Regierung mit einem weiteren Zuwachs an Kurzarbeit gerechnet.
In Baden-Württemberg belaufen sich die Ausgaben für Kurzarbeitergeld in diesem Jahr aktuell auf rund 139,5 Millionen Euro – nachdem 2023 noch 73,6 Millionen Euro ausbezahlt worden sind. „Wir werden dieses Jahr deutlich mehr als doppelt so hohe Ausgaben für Kurzarbeitergeld haben“, bilanziert die Chefin der BA-Regionaldirektion.
Was müssen die Betriebe beachten? Die Bundesagentur bietet der Wirtschaft neuerdings den elektronischen Service „Kea“ an: eine volldigitalisierte Übergabe von Kurzarbeitergeldanträgen inklusive der Listen aus einer zertifizierten Lohnabrechnungssoftware. Damit sollen die Betriebe so weit wie möglich insbesondere von der Zettelwirtschaft entlastet werden.