Mit dem Gebiet Oberer Brühl habe die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) der Stadt Villingen-Schwenningen eine wunderbare Möglichkeit offeriert, im Wohnungsbau voranzukommen. Aber: Die Situation heute ist eine andere – und die Frist für die Gewährung des Zuschusses mit einer Bezugsfertigkeit bis Januar 2026 zu eng. Nun ist guter Rat teuer.
Man wartete ab, hoffte, schraubte zuletzt an den Bedingungen und versuchte das Bauen für Freie Träger lukrativer zu machen, doch nichts tut sich. Kurzum: Die Rahmenbedingungen sind miserabel. Kein Bieter wollte zuletzt das Projekt anpacken. Und auch auf die Bima kann man offenbar in VS nicht mehr wirklich hoffen: „Wir sind auch nach wie vor mit der Bima in Kontakt, aber aktuell können wir nicht mit einem Ankauf des Baufeldes E durch die Bima und der dort vorgesehenen Umsetzung von mietpreisreduziertem Wohnungsbau für Bundesbedienstete rechnen“, teilte die Stadtverwaltung im Vorfeld der Gemeinderatssitzung am Mittwoch mit.
Deshalb reifte ein anderer Plan: die Gründung einer Sozialbau GmbH mit Beauftragung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WBG zur Umsetzung. Die WBG soll in einem Baufeld im Oberen Brühl die dort vorgesehenen 126 Wohnungen – mit Verbilligungsrichtlinie – umsetzen. Aber um ihr das zu ermöglichen, werde nicht nur ein Zuschuss benötigt, sondern bedürfe es weiterer Maßnahmen, um der wbg das Projekt zu versüßen: Erbpachtgrundstücke sowie Baulücken, die noch Bauland werden könnten, sollen an die wbg übertragen werden. „Auch das ist eine Möglichkeit der Stadt Villingen-Schwenningen ihre Möglichkeiten zu nutzen“ für eine Initialzündung auf dem Wohnungsmarkt, argumentierte WBG-Chef Rainer Müldner während der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend.
So schlimm ist die Situation
Wie besorgniserregend die Situation ist, schilderte er eindrucksvoll: Aktuell stünden bei der WBG 2250 Interessenten auf der Warteliste für Wohnungen – „vor drei Jahren waren es zwischen 600 und 800“. Der Wohnungsmarkt in Villingen-Schwenningen stecke in einer schwierigen Situation. Und auf private Investoren zu warten, führe vermutlich nicht zur erhofften Lösung . Auch auf Berlin könne man aktuell angesichts unkalkulierbarer Rahmenbedingungen kaum hoffen.
Die Diskussion im Gremium zeigte es klar: Dass in VS dringend Wohnraum benötigt wird, steht für keine Fraktion im Stadtrat in Frage. Ganz deutliche Unterschiede aber gab es in der Frage, ob das Oberzentrum zu all den anderen geplanten Projekten hinzu auch diese Ausgaben noch schultern kann und soll oder nicht.
Hin und Her im Stadtrat
CDU-Fraktionssprecher Dirk Sautter gab zu bedenken: „Es ist nicht unsere Pflichtaufgabe – er habe „Angst“, heute die zehn Millionen freizugeben und am Ende an anderer Stelle über unliebsame, vielleicht viel schmerzhaftere Einsparungen diskutieren zu müssen. Die WBG einfach drauflos planen zu lassen, um am Ende dann doch gegebenenfalls einen Investor zu finden und „nur“ auf den Planungskosten sitzen zu bleiben, hält er für den falschen Weg. Stattdessen riet er dazu, dass das Gremium erst dann darüber beschließe, ob die WBG mit der Planung beauftragt werden soll, wenn bei der anstehenden Klausurtagung alle Fakten und Projekte auf dem Tisch liege und sauber abgewogen werden könne, was möglich sei und was eben nicht.
Gegenüber im Saal, bei den Freien Wählern, weckte dieser Vorschlag Unbehagen: „Wir sind gar nicht dafür, das Thema aufzuschieben“, platzte es aus Dirk Gläschig heraus, „wenn über 2000 Leute für bezahlbaren Wohnraum auf der Warteliste stehen“. Klar sei: „Das ist unser Auftrag als Stadträte und ich bitte darum, dass wir das jetzt durchziehen.“
Sein Fraktionskollege Andreas Flöß erhoffte sich von einem Startschuss seitens der WBG auf dem betreffenden Baufeld in Sachen Wohnungsbau überdies sogar eine Ankurbelung an anderen Stellen des Areals, einen Anreiz für Investoren.
Argumente für und wider
Für die AfD, propagierte Olaf Barth, habe die Schaffung von Wohnraum „höchste Priorität“, in VS herrsche ein Wohnungsnotstand. „Lassen Sie uns ein Zeichen setzen, indem wir die Wohnungsbaugesellschaft mit der Ausarbeitung eines Konzeptes“ beauftragen.
Ähnlich ambitioniert gab sich SPD-Sprecher Nicola Schurr: „Für uns ist Wohnen kein Luxus, für immer mehr Menschen in VS werden die Mietkosten zur existenziellen Belastung und Wohnraum wird knapp.“ Die SPD wolle das nicht mehr länger hinnehmen.
Wenig später aber warb Oskar Hahn von den Grünen wieder, in ähnlichem Tenor wie CDU-Fraktionssprecher Dirk Sautter, für eine Verschiebung der Beschlussfassung. Seine Fraktion stehe hinter dem Projekt und sehe die Wichtigkeit, Wohnraum zu schaffen. Aber: „Die Klausurtagung, die Herr Sautter erwähnt hat, ist in nicht einmal einem Monat, das ist eine absehbare Zeit“ – dort ließe sich darüber reden, was dem Gremium wirklich wichtig sei. Ob man heute oder in zwei Monaten entscheide, mache letztlich keinen Unterschied. Ganz radikal warb Hahn sogar darum, nicht nur die Entscheidung über eine Beauftragung der WBG zur Planung zu vertagen, sondern gleich das ganze Themenpaket.
Dann wieder hörte man für die FDP Frank Bonath sprechen, der zu bedenken gab, dass die 126 Wohnungen quasi ein Tropfen auf den heißen Stein seien – alleine um den Bedarf auf der WBG-Warteliste zu stillen, benötige man das Neunfache. Außerdem: „Es ist nicht in der mittelfristigen Finanzplanung drin“, und das Thema sei keine Pflichtaufgabe der Stadt im Gegensatz beispielsweise zu den Aufgaben als Schulträger – erst die Pflicht, dann die Kür. „Wenn wir das jetzt reinmachen, wird das in der Konsequenz bedeuten, wir können irgendetwas anderes nicht machen.“
Sitzungsunterbrechung vorm Finale
Eine Kampfabstimmung kündigte sich an. Hektisches Raunen in den Fraktionen. Ein Handzeichen von CDU-Fraktionssprecher Dirk Sautter und dann der Antrag auf eine Sitzungsunterbrechung. Vertreter der einzelnen Fraktionen, die auf der Suche nach Mehrheiten bei der politischen Konkurrenz anklopften. Andere, die ihre Fraktion zur Geschlossenheit aufforderten. Am Ende eine Grünen-Fraktion, die ihren Antrag auf komplette Verschiebung des ganzen Themenkomplexes zurückzog zugunsten eines gemeinsamen Antrages mit der CDU. Und schließlich die Ablehnung genau dieses Antrags bei 15 Ja- und 20 Neinstimmen sowie einer Enthaltung. Die Mehrheit hat gesprochen, die WBG soll planen. „Glückauf Herr Müldner mit dem neuen Auftrag“, wünschte zuletzt Oberbürgermeister Jürgen Roth dem Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft, der nun ein Baufeld im Oberen Brühl in 126 bezahlbare Wohnungen verwandeln soll.