Die weltgrößte Kuckucksuhr des Künstlers Olsen hängt an der Fassade der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen. Beim Scannen des QR-Codes öffnet sich dem Betrachter eine bunte Kuckucksuhren-Welt. Foto: Kratt

"Digital ist besser" – oder doch nicht? Mit diesem doppeldeutigen, teils provokativen, teils ironischen Statement lockt die Städtische Galerie Villingen-Schwenningen an den Rand des Schwarzwalds. Und ist aus mehreren Gründen eine Reise wert.

Villingen-Schwenningen - 14 Rauminstallationen, Videoarbeiten und Kunstwerke von vier Künstlerinnen und einem Künstler – national wie international – sind in der ehemaligen Kienzle-Uhrenfabrik im Stadtbezirk Schwenningen zu sehen. Besser gesagt zu hören, zu fühlen, zu erleben.

Denn eine klassische Kunstausstellung mit Gemälden an der Wand sieht anders aus. Vielmehr greift die Städtische Galerie den Euphemismus, den bereits die Hamburger Indie-Rockband Tocotronic im Jahr 1995 mit dem Album "Aber digital ist besser" als konstitutive Kraft des Digitalen auf den Punkt gebracht hat, auf. Sie zeigt Positionen der Künstler auf, die sich mit der Verortungsfrage des Menschen zwischen Technik und Natur auf teils ungewöhnliche Weise auseinandersetzen.

Kuckucksuhr wird durch Augmented Reality lebendig

Denn: Digitalität ist längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden, hat sich im Alltag etabliert und ist zum Maßstab der Zukunftsfähigkeit geworden. "Digital ist besser" soll dabei aber auch eine ironische Doppeldeutigkeit beschreiben, denn selten ist einem aktuell so sehr bewusst, welche Differenzen sich aus dem Digitalen und Analogen ergeben. Ein echtes Treffen oder eine echte Begegnung unterscheidet sich eben doch sehr von einem digitalen Meeting. Der reale Raum konstituiert sich anders als der virtuelle.

Im Fokus von "Digital ist besser" steht zweifelsohne das Kunstprojekt "Weltgrößte Kuckucksuhr (digital)" des Schwarzwälder Künstlers Olsen. Verortet in der Geschichte der ehemaligen Uhrenindustrie Schwenningen und der Städtischen Galerie, in-stalliert er die weltgrößte Kuckucksuhr. Diese ist digital und wird auf dem Smartphone oder Tablet durch Augmented Reality erst lebendig. Einmal über die App in Betrieb genommen, können die Betrachter die Zeit ablesen und Kuckucke aus der ganzen Welt digital erleben – es werden zu jeder vollen Stunde Kuckuck-Videos aus mehr als 30 Ländern auf die Fläche der Uhr projiziert. Damit befindet sich an der Fassade der Galerie nicht nur die größte Kuckucksuhr der Welt, sondern auch die weltumspannendste. Übrigens: Ein Antrag beim Guinness-Buch der Rekorde ist bereits gestellt.

Johanna Mangold erforscht Bewusstseinszustände

Mit der Arbeit transformiert der Künstler Olsen, der auch mit weiteren Beiträgen vertreten ist, nicht nur eine der bekanntesten Traditionen des Schwarzwalds in den digitalen Raum, sondern er setzt sich auch – mit einem Augenzwinkern – mit technischen und gesellschaftlichen Wandlungsschritten auseinander.

Ganz anders wirkt da die Performance "Flügelsenkung" der Stuttgarter Künstlern Lilith Becker: Verbunden mit einem Flügelklavier ohne Tasten, das bis zu 50 Meter über dem sogenannten "Zwischenangriff Nord" der Baustelle Stuttgart 21 an einem dünnen Seil hängt, spielt sie ein Stück über das Abschiednehmen – als "poetische" Kritik am Akt des Eingriffs in die Natur, mit dem Stuttgart 21 gleichzusetzen ist.

Selber in die Erfahrungswelt zwischen Traum und Realität reisen können die Besucher bei der Virtual Reality-Anwendung der bayrischen Künstlerin Johanna Mangold. In der Arbeit "you could throw a kaenga" erforscht sie Bewusstseinszustände, die im Zusammenhang mit Schlaf entstanden sind. In einer ersten Phase zeigt sie dabei ein tagebuchartiges Logbuch, in einer zweiten Phase werden 3D-Modelle, Sound, Text, Zeichnung und Videofragmente zu einem digitalen Environment verbunden, das mithilfe einer VR-Brille erkundet werden kann.

Es gilt also, sich für diese Ausstellung Zeit zu nehmen und sich darauf einzulassen, was einem in den 14 Kunstprojekten präsentiert wird und zugänglich gemacht werden soll. "Digital ist besser"!? Das muss jeder Besucher im Endeffekt für sich selber herausfinden.

Info: Kunstprojekte vor Ort erleben

Die Schaffenden

Die Ausstellung "Digital ist besser" zeigt Kunstprojekte der Künstler Lilith Becker, Olsen, Darsha Hewitt, Liv Schwenk und Johanna Mangold.

 Das Angebot Sie ist bis 5. September in der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen, Friedrich-Ebert-Straße 35, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 13 bis 17 Uhr, am Donnerstag mit freiem Eintritt bis 20 Uhr. Es werden Kuratorenführungen sowie ein Rahmenprogramm mit Konzert angeboten.

Weitere Informationen gibt es unter www.digitalistbesser-vs.de und Instagram unter @staedtische.galerie.vs