Die Einfahrt zum Schwanenplatztunnel im Stuttgarter Osten: Hier ist eine gründliche Betonsanierung fällig, sagt die Tiefbauverwaltung der Stadt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Tiefbauverwaltung will weitere vier Millionen Euro pro Jahr allein für die Pflege der Straßen in Stuttgart ausgeben. Aber auch der Substanzverlust bei Tunneln und Brücken bereitet ihr Sorgen.

Stuttgart - Die Tiefbauverwaltung der Stadt und Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) schlagen Alarm. Um das Straßennetz vor schleichender Zerrüttung zu retten, wollen sie Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) und dem Gemeinderat vier Millionen Euro mehr pro Jahr abringen. Bei den Etatberatungen Ende 2015 war die Pauschale schon auf je zehn Millionen Euro für 2016 und 2017 erhöht worden. Künftig seien für „Stuttgarts Lebensader“ 14 Millionen nötig, und zwar nicht einmal, sondern dauerhaft, rechnen Tiefbauamtsleiter Wolfgang Schanz und Thürnau vor.

 

Im Moment verliere das Straßennetz jedes Jahr zwei Prozent des Werts. Und nicht nur dieses Netz. Auch die Ingenieurbauwerke wie Tunnel, Brücken und Stege oder die damit verbundene Betriebstechnik seien vom unverminderten „Substanzverzehr“ gezeichnet, der Negativtrend bisher nicht umgekehrt.

Für manche Maßnahmen drängt die Zeit

Das komplette Infrastrukturvermögen der Stadt hatte zuletzt einen Restbuchwert von 1,47 Milliarden Euro. Die Abschreibungen betragen rund 60 Millionen Euro pro Jahr, für die Erneuerung des Bestands stehen aber nur 22 bis 26 Millionen Euro zur Verfügung. Für Erweiterungs- und Neubauten werden 2016 und 2017 jeweils rund 61 Millionen ausgegeben, doch hier schlägt sich vor allem der Bau des teuren Rosensteintunnels nieder.

Alarmiert sind Thürnau und Schanz zum einen deshalb, weil sich der Aufwand erhöhe, wenn man die Dinge zu lang aufschiebe; zum anderen, weil die Zeit immer knapper wird, um das Geld für nicht mehr aufschiebbare Pflichten zu reservieren. Prominentestes Beispiel dafür ist der Schwanenplatztunnel im Zuge der Bundesstraße 14, vor rund 40 Jahren gebaut.

Frost und Streusalz nagen am Beton

Kein anderer Tunnel ist so stark belastet: mit rund 100 000 Fahrzeugen pro Tag. Frost und Streusalz haben massive Spuren hinterlassen. Nach Vorabmaßnahmen, die 2016 die Betriebstechnik betrafen, müsse jetzt das Betonbauwerk instand gesetzt werden – bevor der umgestaltete Tunnelkomplex aus Berger Tunnel, Leuzetunnel und Schwanenplatztunnel 2019 in neuer Form in Betrieb geht. Also muss spätestens 2018 gehandelt werden. Acht Millionen Euro wird die Betonsanierung kosten.

Der Schwanenplatztunnel ist nur eines von rund 700 Ingenieurbauwerken im Eigentum der Stadt – Brücken, Tunnel, Stützmauern wie an der Neuen Weinsteige und Straßenunterführungen. Ende 2015 wurde ihr Restbuchwert mit rund 452 Millionen Euro beziffert. Das waren, so das Tiefbauamt, etwa 58 Prozent des Anschaffungs- und Herstellungswertes – acht Prozentpunkte weniger als fünf Jahre zuvor. Für Unterhaltung und Instandsetzung im engeren Sinne stünden seit 2010 jährlich 1,45 Millionen Euro zur Verfügung. Der Aufgabenkatalog ist aber gewaltig. Bei mehr als 50 Bauwerken werden kurzfristige Reparaturen binnen acht Jahren für notwendig gehalten, bei etwa 160 Objekten ein Eingreifen binnen 15 Jahren. Deshalb möchte die Verwaltung nicht nur zusätzliches Geld für die Straßen, sondern bis 2025 auch für die Ingenieurbauwerke zwei statt 1,45 Millionen Euro pro Jahr, für Pflegemaßnahmen an Gewässern 600 000 statt 240 000 Euro jährlich.

Auf dem Kämmerer wagt man nicht zu hoffen

Zugenommen haben auch der Schilderwald, die Poller und der Aufwand für die Pflege. Der Bedarf an Anlagen zur Steuerung des Verkehrs bleibt groß. Unterm Strich soll der Aufwand für die Pflege des Infrastrukturvermögens – einschließlich Straßennetz – von 13,5 auf fast 19 Millionen Euro steigen.

Um Ampeln und den Betriebs- und Betreuungsaufwand zu sparen, wo immer es geht, legte Jochen Hutt vom Tiefbauamt den Stadträten jetzt die Finanzierung von weiteren Kreisverkehren ans Herz. Ampel- und Rechnerprogramme und die Infrastruktur müssen auch personell betreut werden. Daher möchte die Fachverwaltung drei zusätzliche Ingenieure und fünf oder sechs Mitarbeiter wie zum Beispiel Straßenbaumeister einstellen.

Die brenzlige Lage hat die Fachverwaltung den Stadträten bereits jetzt vor Augen geführt, obwohl die Vorbereitungen zur Aufstellung des nächsten Doppelhaushalts erst Anfang 2017 anlaufen. Jetzt können Thürnau und Schanz ihr Zahlenmaterial nämlich noch selbstständig verbreiten. Wenn es mit der Haushaltsaufstellung los geht, bedarf es der „Mitzeichnung“ der Vorlagen durch Kämmerer Föll. Der kann die Unterschrift dann aber auch verweigern und Vorlagen verhindern.

Die Linke will den Planietunnel zuschütten

Schon 2015 hatten die Stadträte der Tiefbauverwaltung ein Stück weit geholfen. Das dürfte sich jetzt wiederholen. Bei der CDU gebe es Bereitschaft, wieder etwas zu tun, sagt Philipp Hill. Eigentlich wäre es aber Aufgabe von OB Kuhn und von Föll, dem Substanzverzehr vorzubeugen. Hans H. Pfeifer (SPD) rügt „die Krokodilstränen“ der Kollegen. Man habe es selbst wieder mal nicht geschafft, die Verwaltungsspitze zu einem anderen Verhalten zu zwingen.

Die Freien Wähler scheinen bereit zu sein, wie Rose von Stein sagt, „vielleicht auf die eine oder andere Neuinvestition zu verzichten“, damit für die Pflege der Infrastruktur mehr Geld rausspringt. Michael Conz sieht das Problem darin, dass die Kollegen nicht willig genug der FDP folgten. Die habe nämlich mehr Geld ausgeben wollen für die Pflege von Bauwerken und Straßen. Einen radikaleren Ansatz, um das Problem zu beheben, verfolgt die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus. Christoph Ozasek (Linke) empfiehlt nicht nur eine Straßenbenutzungsgebühr, um zusätzliches Geld für die Tiefbauverwaltung zu beschaffen. Er möchte auch die Zahl der pflegebedürftigen Bauwerke verringern. Sein Wunsch: „den Planietunnel zuschütten“. Diese Verbindung zwischen Schlosstraße/Theodor-Heuss-Straße und Charlottenplatz brauche man nicht wirklich.