Noch steht Stadtbücherei drauf, aber Bücher sind im Wilhelmspalais schon lang nicht mehr – jetzt wird es zum Stadtmuseum umgebaut. Foto: Leif Piechowski

Im Juni 2017 soll das Wilhelmspalais nach einem Umbau als Stadtmuseum seine Pforten öffnen. Es wird moderne Museumstechnik haben. In sie fließt aber vergleichsweise wenig von den 38,3 Millionen Euro, die ausgegeben werden sollen.

Im Juni 2017 soll das Wilhelmspalais nach einem Umbau als Stadtmuseum seine Pforten öffnen. Es wird moderne Museumstechnik haben. In sie fließt aber vergleichsweise wenig von den 38,3 Millionen Euro, die ausgegeben werden sollen.

Stuttgart - Landesmuseum, Stadtmuseum Bad Cannstatt, Staatsgalerie – braucht Stuttgart da noch ein eigenes Stadtmuseum? „Ja“, findet Anja Dauschek, Kunsthistorikerin und für die Inhalte des neuen Museums im Wilhelmspalais verantwortlich. Der Gemeinderat sieht das ebenso. Am Donnerstag wird er den Baubeschluss fassen. Am Dienstag hat es der Technikausschuss einstimmig empfohlen. 38,3 Millionen Euro wird die Stadt für den Bau lockermachen.

Das Gros des Geldes – 32,3 Millionen Euro – wird in Bauarbeiten fließen. Das Gebäude wird grundlegend saniert. Als das Wilhelmspalais zuletzt in den 1960er Jahren saniert wurde, gab es den U-Bahn-Anschluss und die Unterführung an der Konrad-Adenauer-Straße noch nicht. Deswegen ist das Innere wie der eigentliche Eingang noch immer zur Urbanstraße ausgerichtet. Die teure Gebäudeentkernung ist nötig, damit die nach heutigem Verständnis falsche Ausrichtung korrigiert werden kann. Es ändert sich architektonisch nicht viel, außer dass der Treppenaufgang verlegt wird.

Das eigentliche Museum und die Dauerausstellung werden samt Einrichtung sechs Millionen Euro kosten. Und diese werden vor allem in Technologie gesteckt.

Projektionen als Lehrmittel

Im Zentrum des ersten Stocks wird gleich die aufwendigste Installation des Stadtmuseums stehen. An der Decke hängen Projektoren. Sie sind über einem mehrere Meter messenden Modell der Stadt Stuttgart angebracht. Die Deckenstrahler sollen die städtebaulichen Entwicklungen, aber auch Kaltluftströme, Flussverläufe oder unsichtbare Dinge wie die Mineralquellen sichtbar machen. Oder die Entwicklungen von Grünflächen und Weinbaugebieten, das Wachstum der Automobilindustrie und das Wahlverhalten der Stuttgarter. Außerdem die Hochburgen der Nationalsozialisten in den Randgebieten des Kessels.

Inwiefern die Gäste die Projektionen einmal selbst steuern können, ist noch unklar. „Wahrscheinlich nur teilweise, aber wir werden die Technologie Augmented Reality benutzen, damit jeder Besucher an alle Infos herankommt“, sagt Dauschek.

Augmented Reality (englisch: erweiterte Realität), das ist eine computergestützte Erweiterung der Wahrnehmung. Konkret könnte das heißen, dass sich auf zusätzlichen Bildschirmen, auf denen das Stuttgart-Modell dargestellt ist, Informationen und Grafiken einblenden lassen – wie bei dem realen Modell mit dem Deckenprojektor.

App als Museumsführer

Auch der Museumsführer soll dem Prinzip der Augmented Reality folgen und als App für das Smartphone erhältlich sein. Und wer kein Smartphone besitzt? „Keine Bange“, sagt Dauschek, „für den Museumsaufenthalt bekommt jeder Besucher, der kein eigenes Smartphone hat, eins von uns zur Verfügung gestellt.“ Bei der Eröffnung 2017, schätzt sie, werden einfache Smartphones auch gar nicht mehr teuer sein.

Die App auf dem Smartphone soll Ausstellungsstücke erkennen, wenn man die Kamera draufhält, und dann zusätzliche Informationen liefern. Der Vorteil: Man hat viel mehr Platz als auf einer Infotafel. Außerdem ist dadurch jedes Objekt kommentierbar, was Diskussionen anregen soll, die auch auf der Website des Museums fortgesetzt werden können.

Modernes Stuttgart im Fokus

Um das Stuttgart-Modell, das Herzstück der Dauerausstellung, werden Informationstafeln zu historischen Höhe- und Tiefpunkten der Stadt aufgestellt. Die sind ebenfalls durch Augmented Reality gestützt und setzen sich mit den bewegendsten Stuttgarter Themen der letzten 200 Jahre auseinander. „Davor war Stuttgart zu klein und unbedeutend“, erklärt Dauschek. „Außerdem gibt es aus der frühen Stuttgarter Stadtgeschichte kaum Anschauungsmaterial.“ Diese wird darum im Museum nur am Rande behandelt.

Die Stadtgespräche-Tafeln beschäftigen sich vorwiegend mit Themen wie Pressefreiheit, Weinwirtschaft und Stuttgart als Fahrradstadt im 19. Jahrhundert, mit Gewerkschaftsarbeit, Diskussionen um Homosexualität in den Siebzigern oder der Frage, ob die Stuttgarter Fantastischen Vier oder die Heidelberger Advanced Chemistry den deutschen Hip-Hop erfunden haben.

Architektur als Schwerpunkt

Wer die Seitenflügel des Hauptraums betritt, sieht sich besonders mit dem Thema Architektur konfrontiert. „Die ist in Stuttgarts Museumslandschaft bis jetzt sehr unterrepräsentiert“, sagt Dauschek. Historische Stadtmodelle und eine Fotomontage vom Abriss des Nordflügels im Rahmen der Stuttgart-21-Bauarbeiten sind nur einige der 1000 ständig ausgestellten Exponate, die sich mit Architektur beschäftigen. Aber auch die Panda-Maske des Stuttgarter Rappers Cro, der die letzten Jahre der Stuttgarter Musikkultur geprägt hat, oder das erste Stuttgarter Fahrrad gehören zum Inventar.

Besonders vielversprechend sei der Ausstellungsbereich rund um den Stuttgarter Erfindermythos. „Eigentlich liegt die Stärke der Stuttgarter darin, Produkte zu vermarkten“, glaubt Dauschek. So wie beim Brausetütchen. Brause gab es schon lange – doch erst durch die Kombination mit einem Tütchen, die ein Stuttgarter ersonnen hat, wurde das Pulver zum Verkaufsschlager.