Mitarbeiterin Jana Lange programmiert einen neu eingetroffen Kleinroboter, der für Schulklassen angeboten wird. Foto: Roth

In der Pandemie zur Abholstation umfunktioniert, kämpfen sich die Büchereien aus der Krise. Die Stadtbücherei Rottweil setzt voll auf die digitale Schiene: Zum Tag der Bibliothek am 24. Oktober gibt es spannende Neuigkeiten – besonders Kinder und Jugendliche dürfen sich freuen. Neben VR-Brillen und Spielekonsolen, werden künftig auch Roboter zum Programmieren angeboten.

Rottweil - Die Stadtbücherei Rottweil geht mit dem Trend der Zeit. Vorbei sind die Zeiten, in denen mehrere tausend dicke Wälzer die Räumlichkeiten der Bibliotheken schmückten. "Die Medien als solche werden zurückgedrängt und die Bücherei entwickelt sich zum Treffpunkt der Bürger", erklärt Monika Schmidt, Leiterin der Stadtbücherei.

Die zentrale Lage der Stadtbücherei sei prädestiniert dafür, einen solchen "Dritten Ort" – so wird der Wandel der Bibliothek zum Ort der Begegnung genannt – zu schaffen. Die ersten Maßnahmen wurden bereits eingeleitet: "Wir lagern einige Bücher bereits in Magazinen im Obergeschoss, damit die Räume im Untergeschoss mehr Platz für Besucher bieten", berichtet Schmidt. Die Coronavirus-Pandemie habe als Brandbeschleuniger für das Bedürfnis solcher öffentlicher Begegnungsräume gewirkt. "Der Konsum von Online-Inhalten führt zu Vereinsamung. Im Lockdown haben viele Menschen den persönlichen Kontakt vermisst."

Skandinavischer Trend

Die Stadtbücherei bietet genau diesen Raum – momentan unter Einhaltung der 3G-Regeln. Aber: Die Entwicklung von der Thekenbibliothek zur Bücherei als Treffpunkt – der Trend stammt aus Skandinavien – sei pandemieunabhängig auf dem Vormarsch. Keine Sorge: Das umfassende Angebot an Print-Medien ist nach wie vor verfügbar. Man müsse eben die Mitarbeiter auf das gewünschte Werk ansprechen.

Auch beim Medienangebot ist die Stadtbücherei auf dem neuesten Stand – und alles andere als eine Sammlung langweiliger Sachbücher. "In unseren Räumen gibt es kostenfreies Wlan und genügend Laptops und Notebooks zum Arbeiten", spricht Monika Schmidt das Sortiment an. Ebenfalls durch den Digitalisierungsschub während der Pandemie sei das Angebot an digitalen Medien massiv ausgebaut worden. Neben unzähligen E-Books in verschiedenen Datenbanken werden in Rottweil auch Konsolenspiele – beispielsweise für Playstation und X-Box – zur Leihe ausgegeben. In naher Zukunft können die Konsolen selbst in der Stadtbücherei ausgeliehen und getestet werden – unter anderem die Playstation 5. "Die Anschaffung eines solchen Gerätes ist kostspielig. Wir wollen unseren Kunden einen Vorab-Test ermöglichen", erzählt Schmidt.

Weiter erklärt die Leiterin der Stadtbücherei: "Mit dem sogenannten ›Filmfriend‹ ist Streaming über die Bibliothek möglich." Da sei das Niveau der Filme aber höher, als bei der ein oder anderen populären Netflix-Serie. Zeitungsleser kommen auch nicht zu kurz: Mit dem "PressReader" können mehr als 7000 internationale Zeitungen und Zeitschriften online gelesen werden. Spätestens jetzt wird klar, dass die Stadtbücherei auch für Lesemuffel ein heißer Tipp ist.

E-Learning im Fokus

Veranstaltungen in der Bibliothek sollen wieder an Fahrt aufnehmen. Dabei stehe das E-Learning oben auf der Prioritätenliste: Es werden Kurse zu EDV-Programmen wie Photoshop, aber auch zu sozialen Themen wie Stressbewältigung im Beruf angeboten. Coaching in Robotik und im Programmieren sind auch vorgesehen: Frisch geliefert wurden der Stadtbücherei der Humanoid-Roboter "NAO 6", der für Informatik-Kurse an den Schulen zur Verfügung steht. Programmieren dürfen auch jüngere Kinder: "Dafür haben wir mit Fördergeldern Kleinroboter angeschafft." Die Roboter sind für Schulklassen gedacht.

Doch eines steht für Monika Schmidt fest: "Trotz zunehmender Online-Medien müssen Kinder erst lernen, mit den Angeboten umzugehen." Und da komme die Stadtbücherei ins Spiel: Lesen sei nämlich nach wie vor die Grundlage für ein erfolgreiches Leben – ob im Beruf oder bei der selbstbestimmten Teilhabe an der Gesellschaft. "Wir wollen die Kinder auf diesem Weg als Institution der Information und Kultur begleiten", sagt Schmidt.

Rechtliche Sorgen

Einen Abgesang auf die Bibliotheken kann sie nicht feststellen – auch wenn der Lockdown der Stadtbücherei Rottweil zugesetzt hat: "Inzwischen herrscht wieder ordentlich Betrieb. Das Abholangebot während des Lockdowns wurde aber nur zögerlich angenommen." Umso mehr Aktivität habe man auf der Internet-Plattform der Bücherei registriert. "Unsere Datenbanken waren und sind heiß begehrt."

Der Trend hin zum E-Medium bereitet aber rechtliche Sorgenfalten – der einzige Wermutstropfen am Tag der Bibliothek. Das Problem: Es gibt kein Gesetz, dass die Verlage verpflichtet, die Lizenzen an die Büchereien abzutreten: So gelangen manche Neuveröffentlichungen nur zeitversetzt in die Bücherei. Schmidt hat dazu eine klare Meinung: "Da muss – wie im Printbereich – ein Gesetz geschaffen werden." Bildung dürfe kein Luxusgut werden.