Falls Tauben die Stadtbibliothek wieder als Quartier entdecken, sollen sie durch filigrane Kunststoffnetze abgehalten werden. Foto: Stadt Stuttgart

Einsatz der Wüstenbussarde in Stadtbibliothek vorerst abgeblasen – Abwehr nur noch auf der Dachterrasse.

Stuttgart - Christine Brunner, die stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek am Mailänder Platz, kann es kaum fassen: Monatelang flatterten abends Tauben durch die nicht verschließbaren Öffnungen der Umlaufgänge zwischen innerer und äußerer Fassade und von dort in die Büros und sogar bis zu den Bücherregalen. Die Hinterlassenschaften der Vögel waren der Beweis dafür, dass sie sich nachts wirklich häuslich in der Bibliothek niedergelassen haben. Und nun sind die Tauben sind weg. Einfach so sind sie aus der Bibliothek verschwunden – kurz nachdem in unserer Zeitung zu lesen war, dass ein Falkner mit zwei Wüstenbussarden anrücken soll, um sie zu vertreiben. Eine nicht ganz ernst gemeinte Vermutung ist, dass die Tauben bei ihren nächtlichen Eskapaden bis ins Erdgeschoss vorgedrungen sein müssen. Dort liegen unter anderem die Stuttgarter Nachrichten aus. Nach der Lektüre des betreffenden Artikels könnten sie das große Zittern bekommen und schleunigst die Flucht ergriffen haben.

 

„Vor etwa zwei Wochen haben wir sämtliche Umlaufgänge von dem Taubenkot reinigen lassen. Anschließend wollten wir anhand neuer Kotspuren ermitteln, wie viele Tauben in etwa sich in der Bibliothek einnisten“, sagt Florian Weichert vom städtischen Amt für Liegenschaften und Wohnen. Doch nach der Reinigung gab es keine neuen Beweise für das illegale Eindringen der Übeltäter mehr. Der eine oder andere Einzeltäter tauche zwar hin und wieder auf. Doch mit der Zusammenrottung und dem scharenweisen Einfall sei es jetzt vorbei, stellt Weichert fest.

„Vielleicht haben sie Angst vor dem Turmfalkenpärchen, das um die Bibliothek kreist“

Außer der Möglichkeit, dass die Vögel durch die Zeitungslektüre gewarnt waren, zieht er auch andere Gründe für das Ausbleiben der Tauben in Betracht: „Vielleicht hängt ihr Verschwinden mit dem Baulärm rund um die Bibliothek zusammen. Vielleicht haben sie Angst vor dem Turmfalkenpärchen, das um die Bibliothek kreist. Oder vielleicht haben sie ein ähnliches Verhalten wie Hunde“, sagt Weichert und meint damit, dass Tauben ihr Revier so markieren wie Hunde durch Beinheben ihren Baum. „Da die Markierung weggeputzt wurde, ist die Bibliothek für sie vielleicht nicht mehr attraktiv“, mutmaßt er.

Da die Tauben das Weite gesucht haben, kommt es vorerst nicht zum Einsatz der Geheimwaffe: Pierre Kuhlmanns Wüstenbussarde Chap und Tara sollten abends durch die Umlaufgänge fliegen und den Tauben einen solchen Schrecken einjagen, dass sie für immer verschwinden. „Würde ich die beiden jetzt fliegen lassen, wäre das so, als würde ein Klempner den Wasserrohrbruch reparieren, bevor der passiert ist“, stellt Kuhlmann fest. Erklären kann er sich das plötzliche Verschwinden des Problems nicht. Allerdings kann er einen Grund mit Gewissheit ausschließen: „Angst vor Turmfalken haben Tauben nicht. Denn die schlagen Mäuse. Tauben sind viel zu groß für sie“, stellt er fest.

Für 5000 Euro wurden nur auf Dachterrasse und bei Photovoltaikanlage Netze angebracht

Auch die 50.000 Euro für Taubenabwehrmaßnahmen kann sich die Stadt vorerst sparen. Da hatte man sich mittlerweile darauf geeinigt, dass in den Öffnungen 300 einzelne, etwa ein mal 2,5 Meter große Kunststoffnetze eingesetzt werden. Für etwa 5000 Euro wurden bisher nur auf der Dachterrasse und im Bereich der Photovoltaikanlage Netze angebracht, weil dort Tauben mit Familiensinn für Nachwuchs sorgten.

Dass das Problem mit dem rätselhaften Rückzug der Tauben für immer gelöst ist, das glauben weder Brunner und Weichert noch Kuhlmann. Sie sind überzeugt, dass mit der dunklen kalten Jahreszeit, der Zeit zum Lesen, die Bibliothek auch für die Tauben wieder attraktiv wird. Dann sollen die Wüstenbussarde Chap und Tara ihren großen Auftritt haben und die Abwehrnetze installiert werden. Es sei denn, die Tauben lassen sich doch durch die Berichterstattung unserer Zeitung abschrecken.