Besucher der neuen Stadtbibliothek schätzen die enorme Auswahl an Büchern, anderer Medien und die Atmosphäre. Foto: Leif Piechowski

Als die Stadtbibliothek vor einem Jahr eröffnet wurde, wäre der Festakt wegen Problemen mit dem Brandschutz fast ins Wasser gefallen. Danach häuften sich die Pannen. Die Kinderkrankheiten des 80-Millionen-Baus sollen bis Jahresende kuriert sein. Der Jahresausweis wird 2013 jedoch drei Euro teurer.

Stuttgart - Bis zum Jahresende werden mehr als eine Million Nutzer die Stadtbibliothek am Mailänder Platz besucht haben: „Wir liegen schon bei 1,1 Millionen. Aber darunter sind viele Bauarbeiter, die ein- und ausgegangen sind“, sagt Bibliothekschefin Ingrid Bussmann. Sie und ihre Stellvertreterin Christine Brunner wirken zum ersten Geburtstag der Bibliothek an diesem Dienstag fast glücklich. Immerhin verzeichnen sie mit 20.000 Neuanmeldungen in einem Jahr doppelt so viele neue Nutzer wie im Jahr davor im alten Haus. Und beide haben sie große Reisen hinter sich: Die Bibliothek in Rio de Janeiro hatte Brunner eingeladen, damit sie dort einen Festvortrag über die Stuttgarter Stadtbibliothek als „innovativste Bibliothek der Welt“ hält. Bussmann war in ähnlicher Mission in Korea. Außerdem ist die Gästeliste des Fachpublikums aus aller Welt lang: Delegationen aus Russland, Japan, Thailand haben sich in Stuttgart informiert, wie eine Bibliothek der Zukunft aussieht. „Unser Haus hat weltweit Anerkennung gefunden“, sagt Bussmann stolz.

Mit dem internationalen Renommee ihres Hauses tröstete sich Bussmann auch, als in den Monaten nach der Eröffnung die Pannenserie nicht mehr abriss. „Da hab’ ich mich auf die Dachterrasse gestellt, tief durchgeatmet und wusste: Es lohnt sich trotzdem.“ Die Bibliotheksnutzer hatten dagegen zunächst große Zweifel, ob der teure Bau ihren Anforderungen genügt – und verteilten ihre Minuspunkte.

Vor den beiden Aufzügen im Haus mussten sie Schlange stehen, da der dritte Aufzug aus Kostengründen gestrichen worden war. Mittlerweile ist er drin. Für 180.000 Euro wurde nachgerüstet. Bei viel Betrieb muss zwar immer noch gewartet werden, allerdings nicht mehr so lange.

Das Taubenproblem scheint sich von selbst gelöst zu haben

Die Dachterrasse war für die Besucher zunächst gesperrt, weil der Blitzableiter nicht vom Tüv abgenommen war. Nachdem das erledigt war, kamen die Besucher zwar durch die Türe aufs Dach, aber nicht wieder zurück. Denn die Tür ließ sich von außen aus Brandschutzgründen nicht öffnen. Auch dieses Problem ist gelöst: Die Tür wurde so nachgerüstet, dass sie sich per Knopfdruck automatisch von außen öffnen lässt.

Ins Wasserbecken, Mittelpunkt des Hauses, stolperte so ziemlich jeder Besucher. Damit sich niemand mehr nasse Füße holt, wurde es so blau angestrichen, dass es nicht zu übersehen ist und plätschert wieder.

Weil die 260 Arbeitsplätze nicht reichten, wurden 40 zusätzliche Plätze eingerichtet.

Das Taubenproblem scheint sich von selbst gelöst zu haben: Seit ein Turmfalke die Bibliothek als sein Revier entdeckt hat, haben die Vögel die Flucht ergriffen.

Nachdem diese Zeitung über die Schwierigkeiten blinder Nutzer, sich zurechtzufinden, berichtet hatte, wird auch da nachgearbeitet: Von November an soll ein Gong die Ankunft des Aufzugs melden, und in der Kabine wird ein Sprechband mitteilen, in welche Etage der Aufzug stoppt und welches Angebot es dort gibt. „Ganz ohne Hilfe der Mitarbeiter werden Blinde nicht zurecht kommen“, räumt Bussmann ein.

Computer wurden 44.000 Mal genutzt

Bleibt das Problem mit den Eingangstüren im Erdgeschoss: Zwei wurden auf Handbetrieb umgestellt. Denn sehr starkem Wind hielt die Automatik nicht stand, die Türen knallten auf und zu. Von Hand sind die schweren Glastüren jedoch kaum zu öffnen. Ein Eingang erhält jetzt testweise Schiebetüren. Klappt es, werden die anderen Eingänge nachgerüstet .

Die Kosten für die Behebung der Mängel stehen noch nicht fest. Die Stadt setzt darauf, dass die Firmen für die Fehlplanungen regresspflichtig gemacht werden können.

Nicht behoben wird wohl die Drängelei an den vier Internetplätzen für Besucher ohne Bibliotheksausweis. Nach den erlaubten 15 Minuten loggen sich viele erneut ein und lassen andere warten. „Das ist ein Problem“, gibt Bussmann zu und hat noch keine Lösung parat. Besucher mit Ausweis können an einem der 20 mobilen Geräte oder einem der weiteren 16 festinstallierten Computer arbeiten – die wurden 44.000 mal genutzt.

Ein weiterer Wermutstropfen ist die Erhöhung der Gebühren: Der Jahresausweis für die Bibliothek wird von Januar an 18 statt bisher 15 Euro kosten. Der Gemeinderat hat die Erhöhung bereits beschlossen. „Das Haus bietet ja viele neue Möglichkeiten“, sagt Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann und weist darauf hin, dass die Gebühren zuletzt 2009 von 13 auf 15 Euro erhöht wurden. Das sei zu verkraften, zumal Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 18 weiterhin kostenlos Bücher und andere Medien ausleihen können, meint die Bibliothekschefin und ist überzeugt, dass sie ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin im April eine reibungslos funktionierende Stadtbibliothek hinterlassen kann. Denn dann geht Bussmann in Ruhestand – und wird sich manchmal noch darüber freuen, dass die Bibliothek bei einer Internetumfrage als eine der weltweit schönsten und coolsten Bibliotheken ausgezeichnet wurde.