Die Augen im Stadion und auf den Bildschirmen: Martin Sperlich ist Stadionregisseur beim VfB Stuttgart. Foto: Ilg

Martin Sperlich baut Spannung zum Anpfiff auf, unterhält und informiert. Professionalität und Emotionen zu trennen, ist in seinem Job schwer.

Stuttgart - Im Regieraum der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart haben sich etwa 20 Leute versammelt. Kamera- und Tontechniker, Cutter, Stadionsprecher und Multimedia-Spezialisten. Manche sind Freiberufler, andere Angestellte des VfB Stuttgart. Der Raum ist vollgestopft mit Technik: Bildschirme, Computer, Kabel, Schalter, Schieber, Regler. Er liegt im VIP-Bereich, über den Köpfen der Zuschauer und mit freiem Blick aufs Spielfeld. In zwei Stunden ist Anpfiff, jetzt ist es 13.30 Uhr. Martin Sperlich, 35, Stadionregisseur beim Fußball-Bundesligisten, gibt Kopien vom Regieplan in die Runde und eröffnet die Besprechung. Punkt für Punkt geht er die mehrseitige Liste durch: Um 14.21 Uhr startet die Stadionshow, und allein bis zum Anpfiff in gut einer Stunde stehen 71 Punkte auf dem Plan. 'Ich betreibe Infotainment vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitpause', sagt er. Er muss die Zuschauer einstimmen und bei Laune halten, wenn nicht gekickt wird. Sperlich überlässt nichts dem Zufall, jede Sekunde wird genutzt.

Begrüßung live mit Überraschungsgästen: Zeit: zwei Minuten, 30 Sekunden. Das macht der Stadionsprecher von der Seitenlinie des Spielfelds aus, die im Regieraum sorgen für die Übertragung von Bild und Ton auf die große Videowand. Dann folgt Musik, Zeit: sieben Minuten. Eine Minute ist eingeplant, um die Fakten zum Spiel an der Wand zu präsentieren: wo steht der VfB in der Tabelle, wo der Gegner, wie lief die letzte Begegnung? Die vorbereiteten Antworten auf diese Fragen spielen Multimedia-Spezialisten ein. Um den Gegner vorzustellen, sind 1,5 Minuten eingeplant, ebenso lange bleibt Zeit, um das Spiel vom letzten Wochenende Revue passieren zu lassen. Es finden Gewinnspiele statt, und dazwischen wird immer wieder Werbung eingeblendet. Sponsoring hat im Fußball einen ganz hohen Stellenwert. Allmählich füllt sich das Stadion, und sieben Minuten vor Anpfiff sagt Sperlich 'Anheizmusik'. Der Mann am Tonpult spielt den Ohrwurm von Twisted Sister 'We're Not Gonna Take It' ein. Daraufhin wird die Mannschaftsaufstellung des VfB an der Videowand eingeblendet mit Bildern der Spieler in Aktion. Die Kicker der gegnerischen Mannschaft erscheinen mit Porträtbildern auf der Leinwand. Das alles war vorbereitet.

'Die nächsten 45 Minuten wird es hier nun ruhiger, jetzt sind die Spieler dran'

Der Stadionsprecher steht vor der Cannstatter Kurve, dem Block, in dem die treuesten Fans dem Spiel entgegenfiebern. Er animiert sie zu Fangesängen. Sie gehen kaum darauf ein. VfB-Fans gelten als sehr anspruchsvoll. 'Ich muss mit den Fanbeauftragten sprechen', denkt Sperlich laut. Die Mannschaften laufen ein, ein Werbejingle ertönt. Anpfiff. Martin Sperlich lehnt sich zurück. 'Die nächsten 45 Minuten wird es hier nun ruhiger, jetzt sind die Spieler dran.' Er nimmt die Hand von einem kleinen Kästchen, von dem aus er zum Stadionsprecher, zu Kamera- und Tonleuten am Spielfeld und auf dem Dach des Stadions Kontakt gehalten hat, Regieanweisungen gab und seine Mitarbeiter immer wieder lobte. Auch die im Regieraum. 'Meine Aufgabe ist es, einen Spannungsbogen aufzubauen. Dafür braucht man Feingefühl für Dramaturgie, sollte sich mit Filmerstellung auskennen und ein Händchen für die passende Musikauswahl haben.' Um die Technik kümmern sich Mitarbeiter der EnBW, ein Sponsor des Clubs. Sperlich hat nach dem Abitur eine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen, dann Sportwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Soziologie studiert. Fußballerisch hat er es als Spieler bis in die Landesliga geschafft. Sperlich ist Hesse, 'mit starker Neigung zu den Schwaben'. Und natürlich ist er VfB-Fan durch und durch. Seit acht Jahren arbeitet er beim Club im Team Sponsorenbetreuung und Events. Als es darum ging, für seinen Vorgänger einen Vertreter zu finden, war klar, dass es nur einer aus diesem Team werden kann, 'weil jedes Heimspiel ohnehin ein Event für den Club ist'. Auf Sperlich fiel letztendlich die Wahl, weil 'ich schon lange im Verein bin'. Seit zwei Jahren ist er Stadionregisseur.

'Es ist zwingend notwendig, die Professionalität in den Vordergrund und Emotionen hintanzustellen.' Dass er damit zu kämpfen hat, kann er nicht verbergen. Denn während er erzählt, beobachtet er jeden Spielzug mit kritischen Augen. Sperlich fiebert bei jedem Angriff seines VfB mit. Wenn der Schiedsrichter einen solchen wegen Abseits abpfeift, lässt er enttäuscht den Kopf hängen, um sich gleich darauf eine Wiederholung der Szene am kleinen Bildschirm vor sich anzuschauen. Das ist wichtig für die Auswahl der Highlight-Szenen in der Halbzeitpause. Die werden an der Video-Wand und im VIP-Bereich gezeigt. 'Strittige Szenen bringen wir nicht, weil damit unnötig die Gemüter erhitzt würden.' Ein Cutter stellt die Szenen zusammen, die der Stadionregisseur ausgewählt hat. Beim Abpfiff ist Sperlich erschöpft und glücklich: Die Show lief reibungslos ab, und der VfB hat verdient gewonnen. Sein Vorgänger, der ebenfalls im Regieraum ist, wählt das Schlusslied aus. 'Spielt ,Tage wie diese? von den Toten Hosen', sagt er. Sperlich nickt zustimmend und verlässt den Raum. Mit dem Abpfiff ist nur ein Teil seiner Arbeit erledigt. Anschließend betreut er Sponsoren, damit auch die Geldgeber zufrieden sind.