Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Landesverbandes Spedition und Logistik (von links), Manuela Kimmi von der Firma Jüngling, Oliver Hauer, Geschäftsführer der Firma Jüngling, Staatssekretär Patrick Rapp (vorne), FDP-Landtagsabgeordneter Daniel Karrais, Oberndorfs Bürgermeister Hermann Acker, sein Erster Beigeordneter Lothar Kopf und die CDU-Stadträte Thorsten Ade und Wolfgang Hauser werfen einen Blick auf die Sorgen und Nöte der Logistikbranche, aber auch der Wirtschaft im Allgemeinen. Foto: Cools

Auf seiner Logistik-Reise entlang der A 81 stattete Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Rapp der Firma Jüngling am Bochinger Römerhof einen Besuch ab. Dort wird die Zukunft der Branche und der Wirtschaft im Allgemeinen mit Sorge gesehen.

 
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Die Logistik-Branche boomt und ist mit rund 400 000 Beschäftigten in Baden-Württemberg der drittgrößte Wirtschaftsbereich nach der Automobilindustrie und dem Handel. Doch Unternehmer wie Oliver Hauer von der Firma Jüngling in Bochingen blicken sorgenvoll in die Zukunft. Was optimiert werden muss, erklärte er Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Rapp bei dessen Besuch am Montag. Zugegen waren auch Vertreter der Politik auf Kommunal- und Landesebene sowie des Landesverbandes der Logistiker.

Während die Pandemie wie ein Beschleuniger wirkte – der Online-Handel florierte – gehe der Konsum durch den Krieg und die Inflation nun insgesamt stark zurück, erklärte Hauer.

Mangel an Berufskraftfahrern

Über einen Mangel an Aufträgen kann er sich nicht beschweren, vielmehr sei der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern und Auszubildenden ein großes Problem. Die Firma verfügt mittlerweile über rund 75 Festangestellte, in den 90er-Jahren waren es noch etwa zehn. Mehrere Aspekte gilt es aus Hauers Sicht zu optimieren, um weiterhin erfolgreich zu sein.

Einer betrifft die Bildungspläne. In der Region liege der Fokus auf der Metall-Industrie. Dass es auch Berufe in anderen Sparten, insbesondere im Dienstleistungssektor, gebe, tauche an (Berufs-)Schulen teils gar nicht auf, so Hauer. Dabei bringe man in Logistikunternehmen durch die Vielfalt an Tätigkeiten Menschen mit verschiedenem Bildungsgrad in Beschäftigung.

Besonders schwer zu finden seien Berufskraftfahrer. Das liegt laut Hauer vor allem an den Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie am Image. Der Führerschein sei teuer – Hauer schlug eine Modifizierung vor – Ausbildungsschulen weit weg. Und die Aussicht darauf, bei überfüllten Parkplätzen in der Pampa ohne Toilette nächtigen zu müssen, trage nicht zur Attraktivität des Berufs bei.

Gleichzeitig sei man vor einigen Jahren beim Versuch, Lastwagen-Stellplätze im „Vogelloch“ zu schaffen, gescheitert, erinnerte Bürgermeister Hermann Acker an den Protest der Anlieger.

Mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz

Hauer wünschte sich vor allem mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz, so dass saisonalen Schwankungen Rechnung getragen werden könne. Zudem vermisst Hauer Zuschüsse, eine gute Infrastruktur und Wertschätzung für die Wirtschaft.

Bürgermeister Acker sprach die zunehmende Bürokratisierung an, obwohl ständig die Rede von einem beabsichtigten Bürokratie-Abbau sei. Das merke man schon bei Bauvorhaben. Hauer plane die nächste Firmen-Erweiterung bereits seit fünf Jahren. Immer wieder stünden andere Belange den wirtschaftlichen im Weg: „Man kommt einfach nicht voran. Dabei hätte die Wirtschaft es nötig.“ Ackers Ansicht nach müsse man ihr einen höheren Stellenwert beimessen und Vorhaben nicht immer etwa am Naturschutz scheitern lassen. „Die Politik ist immer seltener dazu bereit, unbequeme Wege zu gehen“, habe er beobachtet.

Die Wertschätzung fehlt

Es fehle insgesamt auch an der Kompromissfähigkeit, meinte Staatssekretär Patrick Rapp. Wer nicht 100 Prozent Recht bekomme, klebe sich einfach irgendwo hin. Und die Wirtschaft und Unternehmer würden manches Mal als „Sklaventreiber“ und „Bodenvernichter“ gesehen. Mangelnde Wertschätzung sei ein Problem. Zudem müsse man die Rahmenbedingungen dringend anpassen, denn in den vergangenen 15 Jahren habe man Gesetzen und Vorgaben teils leichtfertig erlassen, so Rapp.

„Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird durch die Bürokratie im internationalen Wettbewerb zunehmend geschwächt“, bestätigte Hauer. So riskiere man langfristig den Verlust von Arbeitsplätzen und Lebensstandards. „Wir müssen uns auf die Grundbedürfnisse besinnen und nicht mehr alles maßlos überziehen“, meinte Hermann Acker zu den immer höheren Anforderungen von Gesetzgeberseite.

Zu viele Regeln und Vorschriften

Kurzfristig müsse man manche gesetzliche Vorgaben überprüfen und außer Kraft setzen, zeigte Patrick Rapp den weiteren Weg auf. Dass das gehe, habe sich bei Windkraft-Vorhaben gezeigt, die nun schneller vorangetrieben werden könnten. „Wenn der politische Wille da ist, kann es schnell gehen.“

Unter den aktuellen Bedingungen könne sich das Unternehmen jedenfalls nicht so entfalten wie es das gern täte, fasste Oliver Hauer zusammen. Wenn das so bleibe, wisse er nicht, wie die Logistik-Branche in zehn Jahren dastehe.

Info: Die Firma Jüngling Möbeltransport und Spedition GmbH

Das Unternehmen befindet sich nun im 130. Jahr – seit 1996 am Standort in Bochingen. Nach der Übernahme einiger Spediteure im Laufe der Zeit ist Jüngling nun mit mehreren Standorten entlang der „Hauptschlagader“ A 81 vertreten. Die nächste Erweiterung am Standort Bochingen soll bis zum Herbst erfolgen. Geplant ist eine Lagerhalle, die Platz für rund 200 High Cube Seecontainer bietet. Zu den Leistungen des Unternehmens zählen, neben dem klassischen Möbeltransport, Umzüge von Privatpersonen und Unternehmen im In- und Ausland inklusive Maschinentransporten und Aufbauarbeiten. Zudem übernimmt „Jüngling“ für Unternehmen die Akteneinlagerung. Als eines der ersten Unternehmen im ländlichen Raum habe man zudem mit den „Self Storage“-Lagern, also mit der Vermietung privater Lagerräume, begonnen, so Geschäftsführer Oliver Hauer. Diese seien seit Jahren gut ausgelastet, und es besteht Expansionspotenzial. Das größte Geschäftsfeld und ein wachsender Markt sei jedoch das Zwei-Mann-Handling für „Hermes“. Dabei werden große, sperrige Waren wie Möbel oder Haushaltsgeräte, beispielsweise von Versandhäusern wie „Otto“, von zwei Personen ausgeliefert. Etwa 25 solcher Touren macht „Jüngling“ täglich. 2022 wurden damit 130 000 Kunden bedient.