Der deutsche Bundespräsident Steinmeier und sein israelischer Amtskollege Rivlin verstehen sich. Foto: dpa

Es ist eine schwierige Mission für den Bundespräsidenten. Wegen des Eklats um die vergangene Visite von Außenminister Gabriel muss Steinmeier eine Gratwanderung hinlegen. Das gelingt wohl.

Jerusalem - Ungewohnt entspannt hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen viertägigen Besuch in Israel gestartet. Am Samstagabend hatte er sich gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender und seiner Delegation mit dem israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin getroffen – in einer Szenebar auf dem traditionellen Yehuda-Markt in Jerusalems Altstadt. So unverkrampft ging es bei den offiziellen Gesprächen am Sonntag jedoch nicht mehr weiter.

Steinmeiers erste außereuropäische Reise ist überschattet von Spannungen. Sie gipfelten vor zwei Wochen in einem Eklat – Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ sein Treffen mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) provokativ platzen. Dem Premier passten Gabriels zuvor angekündigte Gespräche mit regierungskritischen zivilgesellschaftlichen Organisationen über die Lage in den von Israel besetzten Palästinensergebieten nicht.

Steinmeier will sich von Gabriel nicht distanzieren

Seitdem galt Steinmeiers Reise als Gratwanderung. Schließlich will er die Gräben in den bilateralen Beziehungen nicht vertiefen. Zugleich will er sich aber auch nicht von Gabriel und der Bundesregierung distanzieren und die deutsche Kritik an der Siedlungspolitik der israelischen Regierung gleichwohl deutlich machen.

Beim offiziellen Besuch im Präsidentenpalast redete Steinmeier nicht um den heißen Brei herum. Die deutsch-israelischen Beziehungen, die aus dem Wunder der Aussöhnung zwischen den beiden Völkern entstanden seien, würden immer besondere bleiben und stünden auf einem breiten Fundament. „Ich glaube, es ist so stark, dass es einigen Turbulenzen standhält“, auch solchen wie in den letzten 14 Tagen.

Auch Israels Staatspräsident Rivlin bezog sich bei der Begrüßung auf Gabriels Besuch und würdigte die besonderen, auf Hochachtung fußenden Beziehungen beider Länder. Rivlin nannte die Demokratie eine Grundvoraussetzung für Freiheit und betonte, dass manche kritische Stimmen im Streit der Meinungen mitunter schwer verdaulich und empörend seien. Dabei bezog sich der Präsident allerdings nicht auf Gabriel, sondern auf den Unesco-Beschluss, der Israel als Besatzungsmacht in Jerusalem bezeichnete. Er lobte, dass Deutschland „gegen den tendenziösen und verzerrten Wortlaut“ Einspruch erhoben habe.

Der Bundespräsident lehnt Sprechverbote ab

Am Nachmittag traf Steinmeier sich mit Netanjahu – der schwierigste Teil seines Besuchs. Zuerst hatte es geheißen, das Gespräch werde vertraulich sein, ein Pressestatement sei nicht geplant. Doch dann traten Netanjahu und sein Gast aus Deutschland doch vor die Kameras und schlugen versöhnliche Töne an. Gemeinsam würdigten sie die Stabilität der Beziehungen zwischen den Ländern. „Wir können und sollten einigen Stürmen, wie wir sie in den letzten zwei Wochen erlebt haben, standhalten“, sagte Steinmeier. Netanjahu betonte, er sehe sein Land in einer „einzigartigen Partnerschaft und Allianz“ mit Deutschland.

Am Abend hielt der Bundespräsident seine zentrale Rede vor der hebräischen Universität. Darin würdigte er den verstorbenen Friedensnobelpreisträger Schimon Peres als „realistischen Visionär“, der die Demokratie als Harmonie der gegensätzlichen Grundrechte auf Freiheit und auf Verschiedenheit eingeordnet habe. Deutlich sprach Steinmeier sich gegen Sprechverbote und für eine Zweistaatenlösung aus. „Weil wir Deutsche die Vielfalt der Demokratie in Israel kennen und bewundern, wollen wir auch weiter unsere schwierigen Fragen mit möglichst vielen unterschiedlichen Gruppen in Ihrem Land besprechen“, so Steinmeier. „Lasst uns über die Anfechtungen von Demokratie ehrlich und ohne Sprechverbote miteinander reden.“

Steinmeier ging auch darauf ein, dass es zuletzt Differenzen gab, welche Gesprächspartner legitim seien. Manche hätte ihm nahegelegt, die Reise zu verschieben. „Ich habe mich anders entschieden, nicht weil ich die Ausladung des deutschen Außenministers durch Ihren Ministerpräsidenten richtig finde“, betonte er. „Es entspräche aber nicht meiner Verantwortung, die Beziehungen unserer beiden Staaten tiefer in eine Sackgasse geraten zu lassen, an deren Ende dann doch alle Seiten viel verloren hätten.“