Die Europäische Zentralbank (EZB) plant umfangreiche Staatsanleihenkäufe: Segen oder Fluch? Foto: dpa

Im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche will die Europäische Zentralbank (EZB) nun Staatsanleihen in großem Stil kaufen. Wir listen auf, was gegen und was für den Plan spricht.

Frankfurt/Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen historischen Schritt beschlossen: Seit Monaten bereiten die Währungshüter ein milliardenschweres Programm zum Kauf von Staatsanleihen vor. Nun hat der EZB-Rat die sogenannte quantitative Lockerung („QE“) am Donnerstag beschlossen. Was spricht für, was gegen Anleihenkäufe?

Pro: Der schwache Preisauftrieb:

Seit Monaten ist die Inflation im Euroraum sehr niedrig. Im Dezember sanken die Verbraucherpreise auf Jahressicht sogar erstmals seit 2009, vor allem weil die Ölpreise abgestürzt sind. Nach Einschätzung von Unicredit-Volkswirt Marco Valli wird die Inflationsrate im laufenden Jahr im Schnitt bei minus 0,5 Prozent liegen. Folglich muss die EZB gegensteuern, denn sie sieht sich einem Inflationsziel von knapp unter 2,0 Prozent verpflichtet.

Pro: Konjunkturschwäche

Die Wirtschaft im Euroraum kommt nicht in Schwung. Der IWF traut dem Währungsraum 2015 nur 1,2 Prozent Wachstum zu. Ein Grund ist die schwache Kreditvergabe: Kauft die EZB den Banken nun mit frischem Zentralbankgeld Schuldscheine ab, haben die Institute neuen Spielraum, die Mittel in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterzugeben. Das könnte die Konjunktur anschieben.

Pro: Eurokurs

Das milliardenschwere Programm dürfte den Euro schwächen. „Denn ein QE-Beschluss der EZB würde noch einmal unterstreichen, dass die Geldpolitik in den USA und im Euroraum für geraume Zeit auseinanderlaufen dürfte“, erklärt Commerzbank-Ökonom Michael Schubert: Während die EZB noch mehr Geld in den Markt pumpt, will die US-Fed die Zügel bald anziehen. Ein schwacher Euro hilft europäischen Exporteuren, weil ihre Autos oder Maschinen auf den Weltmärkten günstiger werden. Gleichzeitig werden Importe teurer, was den Preisauftrieb stärkt. Unicredit-Ökonom Valli unterstreicht: „Ein schwacher Euro würde jetzt und in der Zukunft die Konjunktur stützen und einen Anstieg der Preise für Importgüter bewirken.“

Pro: Die EZB hat keine Alternativen mehr

Die EZB hat ihr Pulver weitgehend verschossen: Sie hat den Leitzins auf 0,05 Prozent gesenkt, verlangt Strafzinsen von Banken, die Geld bei ihr parken und flutet Banken langfristig mit billigem Geld.

Kontra: Ist QE überhaupt nötig?

Das bleibt umstritten. Denn der jüngste Preisrutsch ist vor allem eine Folge deutlich billigeren Öls. „Die Kerninflation ist seit einem Jahr ungewöhnlich stabil und wir erkennen auch keine übertriebene Abwärtstendenz“, schreibt Unicredit-Volkswirt Valli. Ohnehin überwiege der Nutzen günstigen Öls für die Konjunktur bei weitem das Risiko einer niedrigen Inflation: „Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass die Konjunktur vom gesunkenen Ölpreis und dem schwächeren Euro profitiert, und dieser positive Effekt dürfte sich noch verstärken.“

Kontra: Wirkung von Anleihenkäufen ist umstritten

Die Deutsche Kreditwirtschaft glaubt nicht, dass QE die Investitionen der Wirtschaft anschieben kann: „Das Zinsniveau im Euroraum befindet sich bereits auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau. Die Impulse eines weiteren Zinsrückganges auf die Investitionen werden daher gering ausfallen.“

Chefvolkswirte der Landesbanken und des Sparkassenverbandes (DSGV) sind zwar der Meinung, dass die Abwertung des Euro kurzfristig zur Belebung von Inflation und Nachfrage beitragen kann. Doch: „Die fundamentalen Probleme des Euroraums werden damit aber nicht gelöst.“ Experten der Bank NIBC fürchten, die EZB werde mit der Milliardenschwemme nicht die Kreditvergabe erhöhen, sondern neue Blasen etwa an den Aktien- oder Immobilienmärkten verursachen: Das viele Geld - nach dem Beschluss des EZB-Rates vom Donnerstag ist mit gut 1,1 Milliarden Euro bis September 2016 zu rechnen - muss schließlich irgendwo investiert werden.

Kontra: QE könnte Reformeifer bremsen

Gerade in Deutschland ist QE umstritten. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fürchtet, dass die Notenbank mit Anleihenkäufen die Reformmüdigkeit in Krisenländern verstärken könnte: Wenn Staaten darauf bauten, dass die EZB die Zinsen durch den Erwerb von Staatsanleihen deckelt, könnten Regierungen zum Schuldenmachen verleitet werden. Auch EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger sieht die Gefahr, dass die Notenbank Anreize für Regierungen schaffen könnte, „wieder mehr Schulden zu machen, statt auf eine nachhaltige Haushalts- und Wirtschaftspolitik zu setzen“. Kanzlerin Angela Merkel warnte: „Der Druck auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa muss erhalten bleiben, sonst wird gar nichts, aber auch gar nichts uns helfen.“