Paul Knöpfle muss keine große Kraft aufbringen, sondern lässt sich von der starken Fräse sogar ziehen, wenn sich diese durch die Schneemassen frisst. Foto: Vaas

Freiwilliger Räumdienst ermöglicht bessere Fahrt. Auf eigene Kosten mit privaten Fräsen.

St. Georgen - Selbst wenn die Bergstadt im Schnee versinkt und der Straßenverkehr fast zum Erlahmen kommt, gibt es am Winterberg immer eine wahre Oase. Die beiden Rentner Paul Knöpfle und Paul Weißer räumen großflächig frei.

Schon seit Mitte der 1950er-Jahre leben die beiden mit ihren Familien in ihren Eigenheimen am Winterberg. Dieser Nordhang gilt als besonders kalt. Die Sonne erreicht im Dezember und Januar weite Teile nicht mehr, sondern versteckt sich hinterm Röhlinwald. Im Schatten herrscht deshalb bei entsprechender Wetterlage Dauerfrost, selbst wenn das Thermometer über den Gefrierpunkt klettert.

Die beiden Pauls sind nicht nur seit über 50 Jahren Nachbarn, sie hatten früher auch den selben Brötchengeber. Beide arbeiteten beim Maschinenbauer Heinemann. Paul Weißer (87) war Monteur. Paul Knöpfle ging viele Jahre auf Montage. "Sagen Sie mir ein Land, in dem ich nicht war", zeigt er auf, dass er viel in der Welt herum gekommen ist. Gern war er unterwegs und hatte auch nie Probleme, "weil ich mein Handwerk verstand und die Kunden zufrieden waren".

Schnee kein Thema in Sowjetunion

Mehrere Jahre war er anschließend Betriebsleiter im Heinemann-Werk an der Industriestraße. Schließlich schickte ihn das Bergstadt-Unternehmen in die ehemalige Sowjetunion, wo es ein Joint Venture mit einer russischen Firma gab. Die Maschinen wurden in der Bergstadt gebaut und in Einzelteilen zerlegt in den Osten geliefert. Dort setzte sie Paul Knöpfle mit seinem acht- bis zehnköpfigen Heinemann-Team wieder zusammen und sorgte für die korrekte Übergabe.

Schnee war dabei kein Thema. Die ganze Mannschaft wohnte zwei Jahre lang regelmäßig gemeinsam in Hotels und musste sich weiter um nichts kümmern. Für die teilweise sehr weiten Fahrten stand ein neunsitziger Bus samt Fahrer zur Verfügung.

Paul Knöpfle blieb für weitere fünf Jahre als Servicemann und bezog eine Dienstwohnung des deutsch-russischen Gemeinschaftsunternehmens Homatec. Hier übernahm der Hausmeister die Schneeräumung. In Moskau fiel in der Regel weniger Schnee als in der Bergstadt. Aber es herrschte immer ein eisiger Wind, der für starke Verwehungen sorgte. So richtige Schneemassen erlebte der Schwarzwälder nur in Sibirien. Dort mussten immer gleich zwei, drei Schneeräumfahrzeuge hintereinander fahren, um die Straßen frei zu bekommen.

Die Nachbarn in Moskau kamen überwiegend aus dem diplomatischen Dienst. So hatte Knöpfle beste Beziehungen zur deutschen Botschaft, wo er sich auch regelmäßig mit Lebensmitteln eindeckte. Jedes viertel Jahr gab es einen Flug in die Heimat und damit auch Nachschub an Schwarzwälder Spezialitäten. Seine Wohnung wurde bald zum beliebten internationalen "Vespertreff".

Als er einmal mit seinem Dienstmercedes Bier besorgte, stoppte ihn wenig später eine siebenköpfige Motorrad-Staffel der russischen Polizei. Sein Scheinwerferlicht sei zu hoch eingestellt, lautete der Vorwurf.

"Brüderlich" teilen mit russischer Polizei

Knöpfle hatte ein gutes Gewissen und nichts getrunken. Das Fahrzeug wurde kontrolliert. Er musste den Kofferraum öffnen, in dem sich mehrere Kartons mit je 36 Bierbüchsen befanden. Er teilte "brüderlich" mit der Polizei, die ihn anschließend nach Hause eskortierte. "Die haben mich beim Einkaufen beobachtet und wussten auch, wo ich wohnte", blickt er heute eher amüsiert zurück.

Richtige Probleme mit den Russen gab es nie, versichert er. Während der Arbeit und auch in der Freizeit war er ständig mit Deutsch sprechenden Leuten zusammen. 1991 kehrte er nicht nur Russland, sondern auch Heinemann den Rücken und ging in den Ruhestand.

Dort wird es dem heute 81-Jährigen vor allem im Winter nicht langweilig. Sein Haus steht in etwa in der Mitte der Winterbergstraße, wo diese der Schwanenweg kreuzt. Bis zum Rosenweg oder der Adlerbergstraße gibt es fast keine Ausweichmöglichkeiten oder öffentliche Stellplätze. Eigentlich ist nur Einbahnverkehr möglich.

Hier werden die beiden betagten Rentner bei Schneefall sehr aktiv. Paul Knöpfle kaufte sich vor Jahren ein gebrauchte Schneefräse. Die Leistung reichte für seine Zwecke aber kaum aus. Deshalb legte er sich ein leistungsfähiges Gerät zu. Acht Pferdestärken fressen sich seither in den Schnee, treiben zudem zwei Räder an und ziehen ihn nach eigener Aussage sogar noch mit. Seine Fräse ist rund 80 Zentimeter breit. Nachbar Paul Weißer reichen 70 Zentimeter aus. Der 87-Jährige beschränkt sich bei seiner Räumung auf das Teilstück vor seinem Grundstück.

Ihr Einsatz beginnt, wenn der Schneepflug durchgefahren ist. Sie schaufeln ihre Hauszugänge frei und fräsen die Schneeberge entlang der Straße ab. Nur wenige Zentimeter bleiben bis zur Hecke auf geringer Höhe übrig. Der Rest landet in ihren Gärten. "Das schadet nicht. Ich habe genau so schöne Blumen wie alle Nachbarn," stellt er immer wieder fest.

Auf einer Länge von rund hundert Metern sorgen die Rentner für freie Fahrt und Parkfläche. Paul Knöpfle räumt auch auf der Gegenseite, macht zudem Einfahrten und vier Garagen frei. Zwei Stunden ist er planvoll im Einsatz und hat seine genau Strecke. Bis zu vier Liter Benzin verbraucht er dabei, je nachdem, wie nass die weiße Pracht ist. Wartung und Kundendienst der Fräse übernimmt er selbst. Der Schwiegersohn sowie dessen Nachbar dürfen sich diese ausleihen. Sie steht nach der Arbeit überdacht auf einem Holzboden zum Abtrocknen.

Schwiegersohn lädt zum Essen ein

Früher hat Paul Knöpfle auch schon den oberen Teil des Schwanenwegs bis zur Treppe geräumt. Der Dank der Nachbarn hält sich in Grenzen. Manchmal gibt es eine Flasche Wein. Der Schwiegersohn lädt gelegentlich zum Essen ins Gasthaus ein.

Viel wichtiger ist den Schneeräumern aber das gut nachbarschaftliche Verhältnis. "Das ist bestens", weiß es Paul Knöpfle zu schätzen.