Olaf Oehmichen berichtet im Café Bohnenheld eindrücklich von den schrecklichen Einsätzen im Mittelmeer. Foto: Kommert Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Olaf Oehmichen berichtet über Flüchtlingshilfe auf See

St. Georgen (hjk). Was sich derzeit in der Mittelmeerregion abspielt, schilderte im Café Bohnenheld der ehrenamtlich Einsatzleiter der Organisation von "Sea-Eye" Olaf Oehmichen aus dem Kreis Ludwigsburg rund 20 interessierten Christen.

Oehmichen ist 52 Jahre alt, Architekt, verheiratet - und sei lange auf der Suche nach einer Aufgabe neben seinem Beruf gewesen. Nun arbeitet er ehrenamtlich als Einsatzleiter bei "Sea-Eye", die mit einem gleichnamigen einstigen DDR-Fischerboot und dem Schwesterschiff "Seefuchs" im Mittelmeer auf der Suche nach Flüchtlingen in Seenot aus Afrika ist. Diese Organisation ist eine von zehn Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) aus Deutschland und den Niederlanden, die sich um diese Flüchtlinge sorgt.

"Ein Einsatz auf den beiden Booten ist nicht nur ehrenamtlich, der kostet uns persönlich richtig Geld", zeigte der Retter auf. Oehmichen war zuletzt an Ostern im Einsatz.

Über 8400 Menschen seien in diesen Tagen auf dem Mittelmehr in schwimmenden Särgen unterwegs gewesen, etwa 1400 seien durch den Einsatz von "Sea-Eye" vor dem Ertrinken gerettet worden, betonte er. Die Flüchtlinge würden von den Schleusern für viel Geld, das sie sich in der Regel vorher in entsprechenden Einsätzen verdienen mussten, zumeist für dieselben Leute, auf billigste Schlauchboote gepackt und losgeschickt worden. Für 300 bis 500 Euro könne man diese Boote im Internet erwerben, sie seien ausgelegt für 50 Passagiere – besetzt würden sie mit bis zu 150 Menschen. "Ein seetüchtiges Schlauchboot, wie wir es benutzen und auf dem maximal neun Personen Platz haben, fängt bei 1000 Euro an", nannte er Vergleichszahlen. Wenn die Boote zwangsweise untergingen, seien sofort Boote da, die den Motor stehlen würden.

"Eigentlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit, mit diesen Booten überhaupt irgendwohin zu kommen, weil der Sprit, der an Bord ist, sowie nirgendwohin reicht", klärte Oehmichen auf. Vier Tage ohne Schlaf und mit zahlreichen Rettungseinsätzen habe der Ostereinsatz erbracht.

Zunächst wurden die Geretteten auf Lampedusa oder Sizilien in Sicherheit gebracht, dann schwenkten die italienischen Behörden um und wollten die Menschen wieder zurückbringen – entweder nach Libyen oder Tunesien. Das wollten die Retter nicht, daher wanderten sie auf dem Mittelmeer herum. "Es ist schon ein beschissenes Gefühl, allein mit vielen Flüchtlingen an Bord auf See zu sein und keiner hilft", sprach Oehmichen Klartext.

Dies liege daran, dass sich die Politik gegenüber den Wirtschaftsflüchtlingen aus den Sub-Sahara-Staaten grundlegend gewandelt habe, zeigte dann seine Frau Nora auf. Nachdem 2015 die Seenotrettung "Mare Nostrum" durch "Triton" ersetzt wurde (die von Frontex, also dem Europäischen Grenzschutz, gesteuert wurde) habe sich Grundlegendes geändert. Schon da, so vermute sie, habe es ein Abkommen mit Libyen gegeben. Danach sei die Eunavfor Med (European Union Naval Force – Mediterranean) mit der Operation SOPHIA gekommen, die vornehmlich der Bekämpfung von Schleusern gilt. Ausgerechnet die brutalsten Schleuser seien dabei Partner der EU. Nun gebe es mit Libyen selbst ein Abkommen, das dafür sorgt, dass die Flüchtlinge interniert würden – unter unmenschlichen Bedingungen, wie er wisse, so Oehmichen. Die selbst ernannte libysche Küstenwache habe im Zuge dessen unter Zustimmung der italienischen Regierung seine Überwachungszone in mehreren Schritten auf 90 Seemeilen ausgedehnt – "wer dahin eindringt, muss auch mit Beschuss rechnen", wusste Oehmichen. Dennoch wolle er in vier Wochen wieder starten zu einer neuen Mission. Er gehe davon aus, dass es Zeitpunkt von Januar bis Juli rund 27 000 Tote im Mittelmeer gegeben habe – trotz Einsatzes der Retter. "Und es müssen nicht noch mehr werden", endete er.