Bevor die beiden Akteure ins Detail gingen, beleuchtete Wolfgang Schergel die Bedeutung und Ursprünge der Märchen. Er sowie seine langjährige "Lesungsgefährtin" Viktoria Wehrle (VHS) beschritten dabei recht eigenwillige Wege. Davon ausgehend, dass die gängigen Märchen wie beispielsweise von den Gebrüdern Grimm oder Joachim Ringelnatz dem Publikum hinreichend bekannt sind, begab sich das eingespielte Duo mutig auf Neuland. Wolfgang Schergel, vor seiner Karriere als Bürgermeister lange Jahre unter anderem als Deutschlehrer tätig, übernahm mit seiner markant sonoren Stimme wie gewohnt den etwas ruhigeren Part als literarisch bestens vorbereiteter Erzähler.
Viktoria Wehrle glänzt als schauspielerisch begabte Akteurin
Viktoria Wehrle glänzte einmal mehr als schauspielerisch begabte Akteurin. Mit unnachahmlicher Mimik und Gestik präsentierte sie zu Beginn das orientalische Märchen von Hassan, dem Kameltreiber. Einen Einblick in ihre eigene Jugend gewährte die ausgebildete Märchenerzählerin mit einer märchenhaft abgewandelten Episode aus ihrer Kindheit. Gleichermaßen erheiternd als auch nachdenklich stimmend, erzählte sie von ihrem Bemühen, die Großeltern zu einem Besuch der katholischen Kirche zu bewegen. Für Erheiterung bei den Gästen sorgte das Geständnis, dass die propagierte "Nottaufe" von der Mutter am eigenen Waschbecken vorgenommen wurde.
Wie schon in der Vergangenheit, bezieht die Suppenlesung ihren Reiz aus dem Wechsel der Vortragenden sowie den einzelnen Menü-Gängen. Dabei überraschen sich die beiden Vortragenden nach eigener Aussage auch mal selbst. "Bis auf das Grundthema haben wir freie Hand", gaben sie preis. So präsentierte Wolfgang Schergel die von Joachim Ringelnatz gänzlich veränderte Version des Grimm-Märchens "Rotkäppchen" und überraschte die Zuhörer mit der tollen Geschichte über die Motivation des bösen Wolfes, sich an die sieben Geißchen zu machen. Nach dem Beitrag aus "Wer hat Dornröschen wach geküsst" des deutschen Politikwissenschaftlers Iring Fetscher bekam man fast schon Mitleid mit dem Wolf-Vater.
Den Schlusspunkt unter eine begeisternde Märchenstunde setzte Viktoria Wehrle als Agnes mit der gruseligen Schwarzwaldgeschichte, in der die verstorbene Bäuerin erst Ruhe gibt, nachdem ihr der Knecht ihre "Vergelt’s Gott" zurück gegeben hat. Alle drei Protagonisten bekamen am Schluss reichlich Lob von den Gästen. Wie beliebt die Suppenlesungen inzwischen sind, kann man daran ermessen, dass es nächste Woche einen weiteren Termin gibt. "Außerdem stehen noch 20 Personen auf einer Warteliste", ergänzt eine zufriedene Viktoria Wehrle.
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