Tabuthema: Bestatter: "Man darf auch mal eine Träne vergießen" / 24 Stunden am Tag im Einsatz

Norbert Hirt hat vor rund 15 Jahren vom Schreiner zum Bestatter umgesattelt. Der Beruf erfüllt ihn, sagt er. Bereut habe er es nie, dass er sich fortan um Aufbahrungen statt Holzzuschnitte kümmert. Und das hat vor allem einen Grund.

St. Georgen. Norbert Hirt ist ein freundlicher Mann um die 50. Sein Gesicht ziert eine schwarze Hornbrille, er trägt einen dunklen Anzug, darunter Weste und Krawatte. Im ersten Moment wirkt er wie ein Banker, wenn er sich an dem großen, eckigen Holztisch niederlässt. Bereit, in diesem freundlich und hell gestalteten Raum mit einem Lächeln im Gesicht Finanztipps zu geben. Doch er verdient sein Geld nicht mit Aktien oder Fonds. Er ist Bestatter, sein Geschäft ist der Tod.

Vorstellungen sind mit Klischees behaftet

Dass man sich einen Bestatter anders vorstellt, dass der Beruf mit gewissen Klischees behaftet ist – für Hirt ist das nichts Neues. "Für viele ist es schwierig, mit diesem Berufsbild umzugehen", erzählt er. Noch immer sei der Tod in der heutigen Gesellschaft ein Tabuthema. Viele verdrängen den Gedanken, dass sie eines Tages sterben.

Entsprechend gruselig erscheint es, dass sich Bestatter tagtäglich mit ebendiesem Thema auseinandersetzen. Hirt hingegen fand den Beruf schon als Jugendlicher spannend. Schon damals kam er mit dem ersten Leichnam in Kontakt. "Der Vater eines Freundes war Bestatter", erzählt der 53-Jährige. Als er sein Interesse bekundet hatte, erhielt er eines Tages einen Anruf, ob er helfen könne, einen Verstorbenen abzuholen. Zu jener Zeit konnte man sich allerdings noch nicht als Bestatter ausbilden lassen, Hirt entschied sich daher für den Schreinerberuf. Als Meister führte er lange Jahre seinen eigenen Betrieb – bis seine heutige Kollegin ihn auf eine Stelle als Bestatter aufmerksam machte.

Hirt sattelte um, begann eine dreijährige Ausbildung. Die umfasst unter anderem den Umgang mit Verstorbenen, Trauerpsychologie und das korrekte Ausmessen und -graben der letzten Ruhestätte. Heute ist der 53-Jährige einer der Inhaber der "Preidel, Hirt & Butz Bestattungshaus am Friedhof GmbH", die in St. Georgen die Filiale Günther Bestattungen unterhält.

Für die Arbeit im Dienste der Toten und deren Hinterbliebenen gibt es laut Hirt im privaten Umfeld oft wenig Verständnis. Beispielsweise, wenn es um den Bereitschaftsdienst geht. Denn als Bestatter ist man 24 Stunden am Tag im Einsatz. "Wenn einer anruft und sagt, der Verstorbene muss da weg – dann muss man hinfahren", sagt er und zuckt kurz mit den Schultern.

Bei den Todesfällen sind auch immer Emotionen im Spiel. Trauer kann bei den Hinterbliebenen in Wut umschlagen. "Viele denken, man nimmt ihnen etwas weg", berichtet Hirt. Beispielsweise, wenn der Leichnam aus dem Haus gebracht wird. Da könne es auch schon einmal lauter werden. "Damit muss man klarkommen", sagt er. Die Mitarbeiter tauschen sich daher untereinander aus, um die auch für sie schwierigen Situationen zu verarbeiten.

Schicksalsschläge, die auch berühren

Der Tod ist ein trauriges Thema. Doch wenn Norbert Hirt von seinem Beruf spricht, strahlt er keinerlei Trauer aus. "Der Beruf gibt mir eine große Zufriedenheit", sagt er. Ob er die Entscheidung jemals bereut hat? Hirt schüttelt den Kopf. "Man sieht viel Negatives – einen Verlust, Schicksalsschläge, Kinder oder Babys, die früh aus dem Leben gerissen werden." Doch er könne den Hinterbliebenen helfen, diese Dinge zu verarbeiten, sie in ihrer Trauer begleiten. "Und das ist etwas Wichtiges. Dass man sie unterstützt", bilanziert er. "Und da darf man als Bestatter auch mal eine Träne vergießen."