Fotografin Kathy Schorr (links) und Shanon Turner, Leiterin des Projekts "Inside America" am Deutsch-Amerikanischen Institut in Freiburg, sind von der Resonanz der TSG-Schüler auf das Expertengespräch überwältigt. Foto: Zelenjuk Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Fotografin Kathy Schorr stellt Schülern ihr Projekt vor

Regelmäßig finden am Thomas-Strittmatter-Gymnasium Expertengespräche statt. Diesmal war Kathy Schorr, Fotografin aus den USA, eingeladen. Sie stellte ihr Fotoprojekt vor – und es entwickelte sich eine spannende Diskussion zum Thema Waffenpolitik.

St. Georgen. Schrammen, Narben, entstellte Gesichter: Die Bilder, die US-Fotografin Kathy Schorr auf der großen Leinwand in der St. Georgener Stadthalle zeigt, sind aufwühlend. Die Geschichten, die sie über ihre Protagonisten – die Überlebenden von Waffengewalt in Amerika – erzählt, gehen unter die Haut. Rund Hundert Schüler des Thomas-Strittmatter-Gymnasiums (TSG) hören zu: Für sie ist das Expertengespräch mit der Fotografin nicht nur die Möglichkeit, ihr Englisch zu verbessern, sondern auch die Chance, die Hintergründe der Waffenpolitik und die aktuelle gesellschaftliche Situation in den USA zu verstehen.

101 Opfer der Waffengewalt hat Schorr in ihrem Projekt "Shot" porträtiert. "Ich wollte ihnen ein Gesicht und eine Stimme geben", erklärt sie. Von 2013 bis 2015 war die Fotografin in den USA unterwegs, um Überlebende nach Massakern oder häuslicher Gewalt zu fotografieren und ihre Schicksale zu erzählen. Das jüngste Opfer ist acht, das älteste 80.

Die meisten Bilder hat Schorr exakt an den Orten gemacht, an denen die Protagonisten ihre Schussverletzungen erlitten haben. "Schlechte Sachen passieren oft an ganz normalen Orten: in Kinos und Einkaufszentren, in Fitnessstudios und Kirchen. Viele wurden im eigenen Auto oder im eigenen Haus angeschossen", weiß sie. Schorr macht klar: "In den USA kann das jeden treffen." Auch sie selbst hat einen Übergriff persönlich erlebt. "Es ist ein schreckliches Gefühl, das würde ich niemandem wünschen."

Von der Gesellschaft werden die Überlebenden oft vergessen, hebt Schorr hervor. "Man hält sie für glücklich, weil sie es überstanden haben, und oft sieht man nicht, wie diese Menschen leiden, welches Trauma sie mit sich tragen", betont die Fotografin.

Bei der Fragerunde zeigen die TSG-Schüler, dass das Thema sie stark beschäftigt. Die meisten wollen von Schorr mehr zur aktuellen politischen Situation und Donald Trump wissen – und hören, warum die Waffenlobby in den USA so stark ist. Bei diesem Thema spiele man oft mit den Ängsten, erklärt Schorr. Und die National Rifle Association (NRA), zu Deutsch die Nationale Gewehr-Vereinigung, dominiere den Dialog. "Es ist einfach verrückt", meint Schorr.

"Was können wir hier in Deutschland dagegen tun?" Eine Frage, die die Amerikanerin positiv überrascht. "Wir sind eine Weltgemeinschaft. Ihr müsst als junge Menschen eure Stimme erheben und protestieren. Ich selbst war geschockt, als ich erfahren habe, wie viele Waffen aus Deutschland in die USA kommen. Ihr habt also auch hier viel zu tun", findet Schorr.

"Es ist selbstverständlich nicht einfach, weil in diesem Bereich Geld und Macht regieren. Der Prozess könnte Jahre, Generationen dauern. Ich will euch trotzdem ermutigen, aktiv und laut zu werden, um die Situation zu verändern", betont die Fotografin.

Die Arbeit am Projekt hat sie sehr geprägt, verrät sie den Schülern. "Ich habe gelernt, die anderen Perspektiven zu sehen, und meine Position irgendwo in der Mitte gefunden", erklärt Schorr. Sie ist nach wie vor überzeugt, dass Waffen in den USA ganz viel zerstören. Andererseits habe sie inzwischen mehr Verständnis dafür, dass jemand, der in einer abgelegenen Gegend wohnt, sich eine Waffe anschafft, um sich sicherer zu fühlen. Denn: Auch einem ihrer Protagonisten habe eine Waffe letztendlich sein Leben gerettet.

"Jede Geschichte ist einzigartig, jede Geschichte bleibt mir in Erinnerung", meint Schorr auf die Frage einer Schülerin, ob es ein ganz besonderes Schicksal gäbe. "Seit dem Projekt beschäftige ich mich aber intensiv mit dem Thema häusliche Gewalt. Wenn eine Person, der man vertraut und die man liebt, einen umzubringen versucht, verliert man auf einmal einen Freund, einen Partner. Wie kann man danach überhaupt noch jemandem vertrauen?"

Schorrs Projekt "Shot" wird aktuell im Deutsch-Amerikanischen Institut in Freiburg ausgestellt. Auch das Expertengespräch in St. Georgen wurde in Kooperation mit dem Institut organisiert und durchgeführt.