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Hacini Souleyman Boumedyen arbeitet in der Bergstadt und ist der erste Algerier, der im Rahmen des Programms "Pro Recognition" nach Deutschland kam

Er ist der Erste von ihnen und – geht es nach dem Willen der EU – sicher nicht der Letzte: Hacini Souleyman Boumedyen kam mit einer Blauen Karte nach Deutschland. Seit mehreren Monaten verdient er seinen Lebensunterhalt bei Steidinger Apparatebau.

St. Georgen. Als Hacini Souleyman Boumedyen damit beginnen will, seine Geschichte zu erzählen, klingelt sein Handy. Sein Blick fällt auf das Display. "Sorry." Er zuckt kurz mit den Schultern. Da müsse er rangehen. Als er an den Tisch zurückkehrt, strahlt er. "Meine Frau", sagt er und zeigt auf sein Handy. Die beiden trennen Hunderte von Kilometer, sie lebt in der algerischen Stadt Tlemsen. Mit ihrem gemeinsamen Sohn blieb sie in ihrem Heimatland allein zurück – vorerst.

Boumedyen ist der erste Algerier, der im Rahmen des Projekts "Pro Recognition", die sogenannte Blaue Karte der EU erhalten hat. Das Projekt, das vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag initiiert wurde, besteht bereits seit Herbst 2015. Finanzielle Unterstützung erhalten die Verantwortlichen durch Fördermittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel von "Pro Recognition" ist es, die Anerkennungsberatung für im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse zu verbessern.

Ein "Solution Lab" bringt ihn in die Bergstadt

Boumedyen ist seit mehreren Monaten bei Steidinger Apparatebau angestellt. "Deutschland hat die Reputation eines Landes, in dem Perfektionsmus großgeschrieben wird. Und ich liebe Perfektionismus", sagt der Softwareingenieur. In die Bergstadt selbst kam er über ein sogenanntes "Solution Lab", frei übersetzt "ein Labor für Lösungen".

Hansjörg Weisser, einer der Gründer von Steidinger Apparatebau, erklärt, was genau dahinter steckt: "Am Anfang eines Solution Labs steht eine Problemstellung, die man lösen will." So trete beispielsweise ein Unternehmen mit einem Problem an Steidinger Apparatebau heran, die wiederum Fachkräfte oder Start-Ups mit ins Boot holen, damit man gemeinsam an dessen Lösung arbeiten könne. Dieses Format, in dem unterschiedlichste Fachdisziplinen an Problemstellungen arbeiten, wurde auch in Algerien umgesetzt.

"Ich wusste, dass ich das weitermachen will, was ich in Algerien angefangen habe", erinnert sich Boumedyen zurück. Nach dem Solution Lab kam man ins Gespräch, der studierte Softwareingenieur wandte sich dann an die Deutsch-Algerische Industrie- und Handelskammer (AHK).

Die Strukturiertheit gefällt ihm sehr

Laut Sofiane Ramdani, Projektmanager für Pro Recognition bei der AHK, beteiligen sich insgesamt acht Auslandshandelskammern und Delegationen der deutschen Wirtschaft an dem Projekt. Neben Algerien sind die beteiligten Länder Ägypten, China, Indien, Iran, Italien, Polen und Vietnam. "Seit Oktober 2018 wird diese Dienstleistung auch an der AHK Algerien angeboten", erklärt Ramdani.

Wenn Boumedyen über Deutschland spricht, gerät er ins Schwärmen. Es sei "faszinierend", wie sich dieses Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg "völlig zerstört war", heute präsentiere. "Die Art, wie hier alles organisiert ist, wie strukturiert es ist – das mag ich sehr."

Durch das Programm sei es für ihn einfach gewesen, nach St. Georgen zu kommen. Doch er betont, dass hierfür auch Voraussetzungen nötig sind, nicht jeder könne die Blaue Karte erhalten. So brauche man ein Äquivalent zu einer deutschen Ausbildung, in dem Beruf müsse ein Fachkräftemangel herrschen, und es müsse ein Vertrag vorliegen, der garantiert, dass die Person in diesem Bereich auf absehbare Zeit arbeitet. Auch das minimale Einkommen sei vorgegeben. "Mir geht es aber nicht so sehr um das Gehalt, es geht vielmehr auch um die Menschen hier bei Steidinger Apparatebau", sagt er.

Für Weisser ist die Blaue Karte ein zukunftsfähiges Modell. Er plant bereits weitere Solution Labs. Als nächste Ziele wolle man Marokko und Tunesien ins Auge fassen. Auch Iran, Nepal oder Indonesien seien Länder, in denen man das Konzept gut umsetzen könne.

Während Weisser bereits in Richtung der nächsten Länder blickt, zählt für Boumedyen erst einmal die Arbeit vor Ort. Tag für Tag tüftelt er an einer Software, die große Produktionsmaschinen flexibler werden lassen soll, um so die Produktivität zu steigern. Alle sechs Monate muss er nebenbei die Blaue Karte neu beantragen, damit er weiter in Deutschland bleiben kann.

Was er sich für die Zukunft wünscht? Kurz fällt sein Blick erneut auf das Handy, das still auf dem Tisch liegt. Schnell wird klar, was er am meisten vermisst. "Meine Frau ist Malerin", sagt er dann. "Die Ruhe hier würde ihr gefallen." Er arbeite bereits daran, seine Familie zu sich in den Schwarzwald zu holen. Doch das dauert. Bis dahin bleibt ihm nur das Telefon.