Winter-Idylle pur: In diesen Tagen ist der Brigacher Jäckleshof in eine weiße Schneepracht gehüllt. Fotos: Ginter Foto: Schwarzwälder Bote

Landwirtschaft: Brigacher tritt für offenen Dialog mit Verbrauchern ein / Höhere Erzeugerpreise nötig

Von Aileen Ginter

Es werden immer weniger, die weitermachen: Felix Wentz ist einer von ihnen und Landwirt mit Leib und Seele. Zusammen mit seinem Vater bewirtschaftet er den Brigacher Jäckleshof – und setzt daneben noch auf andere berufliche Standbeine.

St. Georgen-Brigach. Das Höfesterben nimmt kein Ende: Bis zum Jahr 2040 soll sich die Anzahl der – ohnehin schon stark dezimierten – Höfe in Deutschland noch einmal um die Hälfte reduzieren. Es sind vor allem die niedrigen Erzeugerpreise, die viele Landwirte schweren Herzens die Reißleine ziehen lassen.

Felix Wentz (25) aus Brigach ist einer, der weitermacht. Ein Besuch bei ihm auf dem Jäckleshof. Idyllisch liegt er, und an diesem Nachmittag, an dem der Schnee unentwegt vom Himmel fällt und alles unter einer dicken weißen Schicht begräbt, wirkt der Hof noch abgeschiedener. Die Kälbchen und die beiden Shetlandponys stehen in ihrem überdachten Gehege, ihnen scheint die Kälte nichts auszumachen. Hier ist Felix Wentz als jüngster von vier Brüdern aufgewachsen, zusammen mit seinem Vater Georg bewirtschaftet er den Hof.

Geplant war das aber anders: Eigentlich wollte sein Bruder Tobias den Betrieb übernehmen – als der kniff, kam der unschlüssige Felix ins Spiel. Nach dem Abitur dachte er zwar eher an ein duales Studium im kaufmännischen Bereich, war sich aber noch nicht ganz sicher.

Er entschied sich letztlich für den Hof und machte die Ausbildung zum Landwirt. Bis jetzt ist er mit seiner Wahl zufrieden. Manchmal, so Wentz, frage man sich zwar schon, ob man in einem anderen Bereich nicht besser dran wäre – etwa hinsichtlich des fehlenden Urlaubs. Aber: "Ich kann mir meine Zeit frei einteilen, kann den Hof auch weiterbringen und neue Ideen umsetzen." Im Sommer sei es zwar oft stressig, dafür gehe es im Winter ruhiger zu.

Nach drei Wintern Schulbankdrücken an der Fachschule für Landwirtschaft und Ausbildung in Donaueschingen hat er nun auch den Meistertitel in der Tasche. Am 11. November fand die Meisterbriefübergabe statt, bei der er mit 13 anderen Absolventen geehrt wurde. Zwar könne man mit diesem Titel auch in die freie Wirtschaft gehen – dennoch sei das Ziel dieses Abschlusses in der Regel schon, einen eigenen Betrieb zu führen. "Manche haben auch keinen eigenen und übernehmen dann den Hof von anderen Landwirten, die keinen Nachfolger haben", erklärt Wentz.

Mit 50 Milchkühen und 45 Hektar Wald hat der 25-Jährige reichlich Arbeit. Rund um den Jäckleshof gibt es außerdem vier Ferienwohnungen zum Anmieten. Zudem gehört der Familie seit 2018 das Gasthaus "D’Engel" – auch hier hilft Felix Wentz aus, kellnert oder steht in der Küche. Das ist kein Zufall: Aufgrund der niedrigen Erzeugerpreise, die viele Landwirte zum Aufgeben ihres Hofes zwingen, will Wentz noch auf weitere Standbeine setzen. Im Bio-Sektor – der Jäckleshof verfügt über ein Demeter-Siegel – seien die Erzeugerpreise zwar noch höher. "Aber wenn die 20 Jahre gleich bleiben, wird sich das bei uns ja auch noch ändern." Zudem hat Wentz die Idee, seine Milch auch separat zu vermarkten, um, wie er sagt, "die Wertschöpfung zu erhöhen". Das könnte er sich zum Beispiel im familieneigenen Gasthaus vorstellen.

Für die Landwirte, die jüngst vor den Toren des Discounters Lidl und nun vor den Aldi-Märkten protestierten, hat er vollstes Verständnis: "Sie setzen ein Zeichen, dass es so nicht weitergehen darf." Die Bauern bekämen immer höhere Standards gesetzt, was ja, so der 25-Jährige, in Ordnung sei, "aber das muss dann auch bezahlt werden". Denn: "Man kann keine Super-Produkte zu Dumpingpreisen bieten."

Als Landwirt werde er viel kritisiert, sagt er, ist aber überzeugt: "Man darf sich nicht verstecken." Wentz tritt daher für einen offenen Dialog zwischen Bauern und Verbrauchern ein – oft hat er solch einen mit den Feriengästen auf dem Hof. Diesen gibt er dann auch Einblick in seine Arbeit, erklärt ihnen die Abläufe, überzeugt mit Argumenten. Viele kämen dann "von ihren Bilderbuchvorstellungen weg", verstünden die Hintergründe, entwickelten Verständnis, sagt Wentz. Er ist sich sicher: "Man sollte mit Vorurteilen aufräumen und ein Ohr für die Leute haben, auch wenn es manchmal anstrengend sein kann."

Was sollte sich insgesamt verändern? Die Verkaufspreise im Lebensmittel-Einzelhandel müssten so angepasst werden, dass von der Wertschöpfung mehr an die Landwirtschaft geht, erklärt Wentz. Gut wäre es auch, wenn die Leute ihr Einkaufsverhalten überprüfen würden, findet der 25-Jährige: Während der Corona-Krise im Frühjahr hätten viele aus Angst vor Knappheit beim Direktvertrieb eingekauft, sagt er. "Da war der Markt gut. Da hat man sich einmal so richtig systemrelevant gefühlt." Doch das sei danach schnell wieder abgeflacht.

Ein anderer Punkt, der ihn beschäftigt: "Man fordert mehr Tierwohl und konsumiert dann die ausländische Ware, wo Tierwohl überhaupt gar keine Rolle spielt", sagt Wentz etwa in Hinblick auf argentinisches Rumpsteak. Das sei "paradox". Auch seien die Subventionen, die die Bauern erhielten, nötig, da die Inflationsrate schließlich auch stetig steige. "Die braucht man zum Ausgleich, sonst würde man ja nur noch Miese machen", erklärt der 25-Jährige.

Trotz alldem ist Wentz gerne Landwirt: "Ich bin frei als Betriebsleiter, bin an der frischen Luft und arbeite mit Tieren", zählt er die Vorzüge seines Berufs auf. Auch möchte er die Tradition – der Jäckleshof existiert bereits in der achten Generation – weiterführen.

Seinen Berufsgenossen gibt er folgenden Rat mit auf den Weg: "Nicht den Mut verlieren, auch wenn es manchmal erdrückend ist, wie man in den Medien dargestellt wird. Auf andere zugehen und ins Gespräch kommen" – dann sei das ein oder andere Lob oft auch nicht weit.