Julia Weisser (links) und Jacqueline Uhlstein von der Metzgerei im Edeka-Markt Haas hoffen, dass ihr Team bald komplett sein wird. Foto: Zelenjuk

Fachkräftemangel auch in St. Georgen spürbar. Zeiten des Bewerberansturms sind vorbei.

St. Georgen - Fachkräftemangel im Handwerk ist längst zum Dauerthema geworden. Ein Blick auf die St. Georgener Metzgereien zeigt: Auch in der Bergstadt wird um Nachwuchs gekämpft. Dabei schwärmen viele Inhaber von ihrer Arbeit.

Spät am Abend noch Wurst oder Hackfleisch holen? Die Metzgerei im Edeka-Markt Haas in der Schulstraße hat eigentlich bis 21 Uhr geöffnet. Seit Monaten ist aber bereits um 20 Uhr an der Theke Schluss, bei Krankheitsausfällen sogar früher. Der Grund: Es gibt kein Personal. "Die Situation ist katastrophal", sagt Inhaber Ulrich Haas. 14 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit kümmern sich derzeit um die Kunden. Bis zu drei weitere Stellen würde er gerne besetzen – doch Bewerber sind Mangelware.

"Speziell an der Theke fehlen Fachkräfte", schildert Haas. "Vor allem die langen Öffnungszeiten schrecken viele ab", weiß er. Denn: "Den meisten ist ihre Freizeit einfach wichtiger als die Arbeit. Besonders freitags und samstags ist es schwierig", stellt er fest. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation verschärft: "Früher hatten wir hier und da eine Bewerbung, auch für die Theke. Jetzt bekommen wir keine einzige mehr."

Bei den Auszubildenden halten sich die Probleme bei Haas dagegen in Grenzen. "Man bekommt auf jeden Fall nicht so viele Bewerbungen wie früher, aber wir haben aktuell drei Auszubildende und sind mit ihnen sehr zufrieden." Haas findet, das mangelnde Interesse liege am Imageproblem. "Dabei ist der Beruf so vielseitig. Man muss viel wissen, nicht nur über Fleisch, sondern auch über Kochen", hebt er hervor. Der Beruf sei täglich eine Herausforderung.

Hat Ulrich Haas eine Lösung für sein Personalproblem in der Metzgerei in Sicht? "Weitersuchen, Kollegen fragen – wobei es ihnen ja auch genau so geht. Wir alle haben das gleiche Problem", sagt er.

Das bestätigt auch Jürgen Hodler von der Metzgerei Hodler in der Weidenbächle-straße. "Zurzeit bin ich mit sieben Mitarbeitern zwar ziemlich gut versorgt, aber ein Teilzeitmetzger fehlt mir noch", sagt der Inhaber.

Lehrlinge habe Hodler in den vergangenen drei Jahren keine gehabt. "Früher habe ich im Betrieb ausgebildet. Ich würde das auch gerne weitermachen, denn ich übernehme immer Personal aus eigenen Reihen", erklärt er. Doch geeignete Bewerber, die Interesse an einer Fleischer-Ausbildung hätten, seien rar. "Ab und zu kommt ein Praktikant, mehr nicht. Seit zwei Jahren habe ich sogar keine einzige Nachfrage mehr bekommen", berichtet Hodler.

Warum die jungen Leute wenig Interesse am Metzgerhandwerk haben, kann er sich nicht erklären: "So schlecht ist der Beruf nun wirklich nicht." Hodler weiß aber auch, dass der schulische Teil der Ausbildung immer anspruchsvoller wird. "Das hat sich sehr geändert." Und: "Früher kamen die Auszubildenden aus den landwirtschaftlichen Betrieben. Jetzt haben sie dort selbst Probleme." Für den Metzgermeister ist klar: "Wenn kein Nachwuchs mehr kommt, dann ist es ein aussterbender Beruf."

Die Entwicklung, die die St. Georgener Metzger schildern, bestätigt auch die Statistik der Handwerkskammer Konstanz für den Schwarzwald-Baar-Kreis: So waren im Jahr 2010 noch 20 Lehrverhältnisse im Fleischer-Handwerk neu eingetragen, 2011 und 2012 waren es 18, und 2013 haben 16 Auszubildende den Beruf Metzger ergriffen. Lediglich sechs waren es dann ein Jahr darauf – und diese Tendenz hält bis heute an. Fünf Auszubildende haben sich 2015 für den Beruf entschieden, zwei im Jahr 2016 und sieben im Jahr 2017. Nur zwei Lehrlinge beginnen in diesem Jahr ihre Ausbildung zum Fleischer.

Für die Ausbildung als Fachverkäufer in der Fleischerei liegen der Handwerkskammer Daten erst ab 2015 vor. So wurden 2015 und 2016 je zwei Lehrverträge eingetragen, 2017 waren es sieben. In diesem Jahr fangen zwei Auszubildende ihre Lehre in diesem Bereich an.

Eine ähnliche Entwicklung beobachtet Andre Müller von der Metzgerei Müller in Peterzell. "Es ist nicht ganz einfach, junge Leute für das Handwerk zu begeistern. Die meisten bevorzugen heute andere Berufe, sie möchten studieren oder im Büro arbeiten", weiß er.

Einerseits kann Müller nachvollziehen, dass nicht jeder um 6 Uhr morgens mit der Arbeit anfangen will. "Wir haben außerdem Hochbetrieb, wenn andere Urlaub machen – vor Weihnachten oder Ostern etwa", fügt er hinzu. Andererseits schwärmt er davon, wie erfüllend der Beruf für ihn ist. "Eigentlich ist es eher eine Berufung. Es ist was Kreatives, und man hat jeden Tag mit den Leuten zu tun", schildert er. Mit acht Mitarbeitern ist Müllers Metzgerei derzeit gut besetzt – trotzdem blickt er mit etwas Sorge in die Zukunft. "Den Wandel gibt es ja überall, mal sehen, was er uns bringt."

Wie schwierig es ist, gute Auszubildende zu bekommen, weiß auch Heike Rieckmann von der gleichnamigen Metzgerei in der Gerwigstraße. "Wir sind im Moment in der glücklichen Situation, dass wir zwei Lehrlinge haben. Aber es ist schon lange nicht mehr selbstverständlich", sagt sie.

Vor allem Metzgerei-Fachverkäufer seien Mangelware. "Ich glaube, es ist für viele einfach nicht mehr attraktiv, in der Dienstleistung zu arbeiten. Die Arbeitszeiten sind schwierig, und auch das Image leidet seit Jahren", meint Rieckmann. Sie selbst hat vor 25 Jahren als Quereinsteigerin das Handwerk für sich entdeckt – und steht als gelernte Werbetechnikerin hinter der Theke.

Ihre persönliche Erfahrung als Ausbilderin: Die Anforderungen seien zwar gestiegen, aber jemand, der sich für den Beruf interessiere, schaffe die Ausbildung ohne große Schwierigkeiten. "Es ist machbar, auch für lernschwache Schüler", betont Rieckmann.

"Klar, heute muss ein Fachverkäufer nicht nur über die Ware Bescheid wissen, sondern auch über die Zubereitung. Und da die Ernährung eine immer wichtigere Rolle spielt, muss man auch zu den Inhaltsstoffen beraten können", erklärt sie. Dazu kämen die Bereiche Catering und Party-Service. "Die Kunden möchten eine große Auswahl haben – aber auch, dass die Präsentation stimmt. Die Auszubildenden müssen immer den Überblick behalten und lernen, wie sie die richtige Menge berechnen, die Ware kreativ präsentieren und dabei in der Jahreszeit bleiben", schildert Rieckmann. Ein sicheres Auftreten gehöre dazu, auch Englischkenntnisse seien ab und an gefragt.

Rieckmann weiß: "Wenn man eine Ausbildung im Verkauf absolviert, ist man überall gern gesehen." Es gebe in dem Bereich auch gute Aufstiegschancen. "Man kann sich als Fleisch- oder Verkaufstechniker weiterbilden und bis zur Filialleitung aufsteigen", erklärt sie.

Rieckmann selbst macht einiges, um den Nachwuchs für das Handwerk zu gewinnen. Sie lädt etwa Grundschüler oder Kindergarten-Gruppen in die Metzgerei ein und zeigt ihnen den Betrieb. Ein schöner Nebeneffekt: Sie sehen, was in der Metzgerei alles gemacht wird, – und auch die Begeisterung, mit der man arbeitet. Das grundsätzliche Problem sei nach ihrer Einschätzung, dass das Handwerk keine Lobby habe. "Auch die Schulen kooperieren eher mit der Industrie", kritisiert sie. Handwerkliche Betriebe blieben da oft außen vor. "Dass ein Realschüler mal ein Praktikum in der Metzgerei macht, das gibt es leider nicht."

Info: Ausbildung

Die dreijährige Ausbildung zum Fleischer findet im Betrieb und in der Berufsschule statt. In der Gewerbeschule Schwenningen werden Metzger und Fachverkäufer für den Schwarzwald-Baar-Kreis ausgebildet. Die Schüler absolvieren dabei 124 Wochen Grundausbildung und 32 Wochen Ausbildung in zwei der sechs Wahlqualifikationen.