Die Schüler arbeiten selbstständig oder im Team: Durch das flexible und offene Angebot haben sie die Möglichkeit, ihren Interessen nachzugehen und im eigenen Tempo zu lernen. Foto: Zelenjuk

Freie Schule Brigach setzt auf selbstbestimmtes Arbeiten. Konzept findet immer mehr Anhänger.

 
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St. Georgen-Brigach - Die Freie Schule Brigach plant große Umbaumaßnahmen. Das Gebäude im Ginsterweg soll saniert und barrierefrei gemacht werden. Doch erweitern will die Einrichtung mit 26 Schülern derzeit nicht: Der kleine, familiäre Rahmen gehört zum Konzept.

Das helle, bunte Lernzimmer wirkt nicht wie eine Schule, eher wie ein großer Kindergartenraum. In den Regalen stehen Gesellschaftsspiele und Bücher, Erst-, Fünft- und Achtklässler sitzen in kleinen Gruppen zusammen an den Tischen, manche arbeiten am PC, andere sind in ihre Lehrbücher und Aufgaben vertieft. Auch die Lernbegleiterin Beate Kordalewski sitzt mit an einem Tisch. Sie mischt sich nicht ein – aber ist immer bereit, Fragen zu beantworten, oder bei schweren Aufgaben zu helfen.

Jeder Schüler arbeitet individuell an seinen Zielen

In jeder Freien Schule steht das selbstbestimmte, eigenverantwortliche Lernen im Vordergrund. Das heißt: Ihre Lernziele setzen sich die Schüler selbst – und können so in ihrem eigenen Tempo arbeiten. Als Orientierung gilt dabei der Bildungsplan von Baden-Württemberg.

Die Freie Schule in Brigach gibt es seit 2006. Offiziell ist es eine alternative Privatschule, eine Grund- und Werkrealschule, deren Träger eine Elterninitiative mit Vereinsstruktur ist. "Ich finde, selbstbestimmtes Lernen ist einfach zeitgemäß. Gleichschrittig zu lernen – das funktioniert nicht", sagt Robert Springmann vom Vorstand der Elterninitiative. Er weiß, wovon er spricht. Sein Sohn habe erst in der vierten Klasse richtig Lesen und Schreiben gelernt. Weil er das genau zu diesem Zeitpunkt so interessant fand, habe er in einem halben Jahr alles aufgeholt und ein gutes Niveau erreicht. "Die Kinder lernen am besten, wenn sie in ihren Stärken gestärkt werden", hebt Springmann hervor.

Freiwillig lernen statt spielen? Vokabeln pauken, weil es Spaß macht? Funktioniert das wirklich, wenn nicht der strenge Lehrer vor der Klasse steht? Die Schüler nicken eifrig. Ja, das Lernen macht ihnen Spaß. Viele von ihnen wissen, dass es auch anders sein kann. Ungefähr die Hälfte war früher auf einer "normalen" Schule, nicht wenige haben Mobbing erlebt, fast alle unter dem Leistungsdruck gelitten. Nun gehen sie in eine Schule, in der es keine Noten gibt, keine Klassen und keine klassischen Unterrichtsstunden. Und statt Lehrer Lernbegleiter. Es klingt nach einem Modell, das Schüler glücklich machen kann.

Andreas Knecht, seit 2013 Lernbegleiter in Brigach, ist vom Konzept überzeugt. "Die Schüler können sich bei uns selbst aussuchen, wo und wie sie lernen möchten. Jeder arbeitet individuell an seinen Zielen und hat deshalb keinen Druck", erklärt er. "Je mehr wir den Kindern zutrauen, desto mehr wachsen sie." Das Lernen in altersgemischten Gruppen, von der ersten bis zur zehnten Klasse, verlaufe harmonisch: Schüler lernten mit- und voneinander.

Teilnahme an den Unterrichtsangeboten ist freiwillig

"An einer Regelschule ist das Klima unter den Kindern manchmal rau ", sagt Knecht. An der Freien Schule hätten sie durch die kleine, familiäre Gruppe einen anderen Umgang miteinander. "Auch, weil sie sich nicht gegen die anderen behaupten müssen", erklärt er. Als Lernbegleiter hilft Knecht den Schülern, ihre Stärken zu entdecken und Potenziale zu entfalten. Zwar gibt es regelmäßig Unterrichtsangebote – diese sind den klassischen Stunden ähnlich –, doch die Teilnahme ist auch hier freiwillig.

Hanna aus Villingen ist 13 Jahre alt und seit Februar an der Freien Schule in Brigach. "Ich wollte mehr selbst entscheiden, was und wie ich lerne", nennt sie den Grund für den Wechsel. "Am Anfang fand ich das hier sehr anders, aber ich habe mich relativ schnell eingelebt", erinnert sie sich. "In der Regelschule sind die Lehrer die Mächtigen. Hier sind wir mit den Lernbegleitern auf dem gleichen Niveau."

Da sie selbstständig lernt, hat sie inzwischen umso mehr Ansprüche an sich selbst entwickelt – und Erwartungen, dass es gut wird, sagt Hanna. "An der Freien Schule findet man sich selbst und entdeckt den Sinn des Lernens", ist sie überzeugt. Selbstverständlich müssten sich die Schüler anstrengen: In Englisch etwa müsse man seine Units und Vokabeln lernen und Aufgaben machen. "Die Schule macht mir jetzt auf jeden Fall mehr Spaß, weil ich mehr auf die Themen, die ich interessant finde, eingehen kann", so Hannas Fazit.

Aber geht das Lernen ganz ohne Plan? "Man kann sich einen machen, wenn man möchte. Aber man muss nicht", sagt sie. Für ihre Zukunft hat sie schon ziemlich genaue Vorstellungen: "Ich will auf jeden Fall mein Abitur machen und studieren." Zehn Klassen kann sie in Brigach absolvieren, dann muss sie auf ein Fachgymnasium wechseln. Hanna ist sicher, dass sie den erneuten Wechsel dann auch ohne Probleme schafft: "Ich komme gut damit klar, mich selbst zu organisieren und vorzubereiten."

Kapazitätsgrenze ist mit 26 Kindern und zwei Lernbegleitern erreicht

Das pädagogische Konzept der Freien Schule scheint auch bei den Eltern gut anzukommen: Die Nachfrage ist groß, bis 2024 sind die Plätze in Brigach bereits belegt. "Uns fällt es schwer, abzusagen, aber mit 26 Schülern und zwei Lernbegleitern ist die Kapazitätsgrenze erreicht", macht Knecht klar. Und fügt hinzu: "Wenn Wachstum, dann nur sehr langsam und sehr bedächtig."

Denn die familiäre Atmosphäre ist der Markenkern der Schule. Und daran soll auch der geplante Umbau des Gebäudes nichts ändern. Ein internes Treppenhaus soll die Schule in den kommenden Jahren bekommen, die sanitären Anlagen werden saniert, das Haus wird barrierefrei – eine große Maßnahme, die der kleine Verein sich vornimmt. "Wir sind zuversichtlich, dass wir für den Umbau viele Mitstreiter und Sponsoren finden", sagt Springmann.