Foto: © Daniel Straubmann – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Wenn am 10. September im ganzen Bundesland die Warnsysteme getestet werden, heulen in St. Georgen keine Sirenen

Der bundesweite Warntag rückt Sirenen und andere Mittel, um die Bevölkerung im Ernstfall zu erreichen, in den Fokus. Erstere sind in St. Georgen seit Jahren stillgelegt. Die Feuerwehr bemängelte dies bereits im April 2018 gegenüber unserer Zeitung.

St. Georgen. Das Jahr 2020 ist geradezu ein Paradebeispiel für Situationen, auf die man schlichtweg nicht vorbereitet sein kann. Katastrophen und Bedrohungen kennen keine Gesetze – in vielen Fällen werden sie von der Natur in Form von Hochwassern, schweren Stürmen oder Waldbränden auferlegt, hinzu kommen menschengemachte Probleme wie Terroranschläge oder Cyberangriffe.

Digitale Alarmierung bedeutet das Aus

Um die Bevölkerung im Ernstfall so schnell wie möglich zu informieren, gibt es die verschiedensten Warnsysteme. Am bekanntesten sind wohl die heulenden Sirenen, bei deren Ertönen im Zweiten Weltkrieg die Menschen in Bunkern und Kellern Schutz suchten.

Letztere, das zeigte bereits eine Recherche des Schwarzwälder Boten im April 2018, sind in St. Georgen schon längst nicht mehr einsatzfähig. Denn nach Ende des Kalten Krieges entschied die Bundesregierung, das flächendeckende Sirenennetz aufzugeben. Die Gemeinden konnten die vorhandenen Geräte kostenlos übernehmen, mussten sich aber entsprechend darum kümmern. Etwa 40 000 der vorhandenen 80 000 Sirenen wurden damals bereits abgebaut.

St. Georgen behielt zwar seine Sirenen, im Rahmen der digitalen Alarmierung wurden sie allerdings um die Jahrtausendwende außer Betrieb genommen. Andernfalls hätten sie umgerüstet werden müssen.

Die Jahrzehnte zurückliegende Entscheidung erhält nun neue Brisanz. Denn aufgrund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz wird es künftig jährlich einen Warntag geben, um, so das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, "die Akzeptanz und das Wissen um die Warnung der Bevölkerung in Notlagen zu erhöhen und damit deren Selbstschutzfertigkeiten zu stärken".

Es ist eine Kehrtwende des Bundes, die sich nun in St. Georgen bemerkbar macht. Denn wenn am Donnerstag, 10. September, um Punkt 11 Uhr im Land alle Warnmittel ausgelöst werden, bleibt es in der Bergstadt still.

Spricht man mit Jens Baumann, Pressesprecher der St. Georgener Feuerwehr, über diesen Umstand, wiederholt er, was bereits Kommandant Christoph Kleiner vor knapp zweieinhalb Jahren bemängelte. "Im Grunde bewerten wir es heute immer noch so, dass es eigentlich ein Fehler war, diese Sirenen abzuschaffen", so Baumann. Es sei immerhin eine Möglichkeit, bei einem totalen Technikausfall die Bevölkerung zu warnen.

Lautsprecher wären eine Not-Lösung

"Alles, was wir jetzt haben, basiert darauf, dass Kommunikation und Internet noch funktionieren", sagt der Feuerwehrmann und verweist unter anderem auf die Warn-App Nina oder Übertragungen im Fernsehen und Radio. "Wenn das mal nicht der Fall ist, haben wir ein Problem, das wir nicht kompensieren können."

Allen voran bei Unwetterereignissen sieht Baumann einen großen Vorteil darin, schnell und effektiv die Bevölkerung zu warnen. Als absolute Not-Lösung habe man immerhin noch die Möglichkeit, auf nahende Katastrophen über Lautsprecheranlagen an den Feuerwehrfahrzeugen aufmerksam zu machen.

Doch damit die Warnung überhaupt verstanden wird, muss die Bevölkerung sensibilisiert werden. Immerhin greift hier der bundesweite Warntag in jenen Kommunen, die noch Sirenen haben. Er kann darüber hinaus auf die verschiedenen Warnmöglichkeiten hinweisen. In St. Georgen beispielsweise, so Baumann, wolle man am Warntag auch die Facebook-Seite der Feuerwehr oder die Crossiety-App nutzen.

Auf eine Anfrage unserer Zeitung, ob das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine Wiederbelebung des Sirenennetzes vorsieht, lag bis Redaktionsschluss keine Antwort vor.

Für Baumann ist derweil nachvollziehbar, dass das Rathaus in den 2000er-Jahren auf eine Instandhaltung der Sirenen verzichtete. "Man kann der Stadt keinen Vorwurf machen", betont der Sprecher. "Damals hatte man kein Bewusstsein dafür, dass man die Sirenen eines Tages wieder brauchen könnte." Erst der Terroranschlag am 11. September habe dem Katastrophenschutz wieder mehr Präsenz verliehen.