Droht der Friedrichstraße durch die Ansiedlung von Aldi und Rossmann das Aus? Einige Ladenbetreiber machen sich Sorgen und äußern ihre Bedenken. Foto: Klossek

Betreiber fühlen sich nicht verstanden und beziehen Position gegen Projekt. Mit Leitartikel

Königsfeld - Aldi und Rossmann schlagen erneut Wellen. Nun melden sich einige Händler aus der Friedrichstraße zu Wort und beziehen klar Position gegen das Projekt. Sie befürchten auf lange Sicht Schließungen.

Eigentlich ist es schon fünf Monate her, dass Klaus Vollprecht im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten die Aldi-Ansiedlung kommentierte. Das war vor dem Bürgerbegehren. Vor dem Beschluss, dass es einen Bürgerentscheid geben wird. Kalter Kaffee also? Mitnichten.

Betreiber fühlen sich nicht verstanden

Die Aussage, die Mehrheit des Gewerbevereins Königsfeld befürworte Aldi und Rossmann, stößt einigen Betreibern von Läden in der Friedrichstraße noch heute auf. Die Außenwirkung, dass sich der Handel über die Pläne freue, möchten Stephanie Richter, Karin Mack, Ursula Boos und Dieter Siebörger so nicht stehen lassen.

"Wir fühlen uns nicht verstanden", sagt Richter, der die Buchhandlung Hornscheidt gehört. Im Gewerbeverein sei sie kein Mitglied, darüber hinaus bestehe dieser zu großen Teilen aus Handwerkern. "Nach außen wurde eine falsche Meinung transportiert."

Konkurrenz belebe das Geschäft. "Aber in einem ganz kleinen Kaff wie wir es sind, kann es Strukturen zerstören", betont sie. Rossmann biete Schreibwaren an, hinzu kommen Schulstart-Angebote bei Aldi. "Da habe ich dann preislich keine Chance."

Sorge um Senioren

In die gleiche Kerbe schlägt Mack von der "Blumengalerie", die befürchtet, dass sie Kunden verliere, wenn sich Angebote überschneiden: "Es ist eben die Frage, inwieweit sich ein Geschäft trägt, wenn man nur noch das verkauft, was man über das Angebot anderer hinaus anbieten kann." Sie sei sich daher sicher, sie werde "da nicht unbeschadet rauskommen".

Siebörger vom "Eine Welt Laden Ujamaa" und Boos, der "Ulla’s Eck" gehört, sehen zwar keine direkte Konkurrenz zu ihren Läden, sprechen sich allerdings aus Loyalität und aufgrund des Nachhaltigkeits-Gedankens gegen die Ansiedlung aus.

"Das ist ein typisches Beispiel, dass man immer noch mehr haben muss", betont etwa Siebörger. Der Bürgermeister spreche von der Verpflichtung, die Einwohner zu versorgen. Doch diese arbeiteten mitunter in anderen Kommunen und könnten deshalb dort ihre Einkäufe erledigen. Auch das Argument, dass man mehr Laufkundschaft anziehe, weist er zurück. "Das stimmt nicht mit der Realität überein."

Richter sorgt sich auch um die Senioren. Seit der Treff in der Ortsmitte geschlossen sei, so ihre Erfahrung aus Kundengesprächen, kauften viele Senioren ihr Nötigstes teuer im Reformhaus ein.

Dass genau diese Menschen von günstigen Discounter-Produkten profitieren könnten, möchte sie nicht gelten lassen. Zum einen kaufe man im bestehenden Supermarkt genau so günstig ein, wenn man nur die richtigen Produkte aussuche, zum anderen sei bereits der Weg dorthin für viele Menschen anstrengend.

Luft- und Lärmbelästigung

Sie plädiert daher wie alle anderen Anwesenden für die Lösung, einen CAP-Markt im ehemaligen "Treff" unterzubringen. Das sei natürlich nur wirtschaftlich, wenn das Projekt am Ortseingang scheitert.

Boos beschäftigt zudem die Luft- und Lärmbelästigung. Königsfeld sei als ruhiger Ort mit guter Luftqualität bekannt. Beide Umstände würden durch die Ansiedlung verschlechtert. "Da brauche ich persönlich keine Zahlen – das sagt mir mein Verstand."

Mack schlug mitunter versöhnliche Töne an. Man könne es nicht allen recht machen, das sei ihr klar. Doch sie wünsche sich, dass man in Königsfeld einen anderen Weg gehe, als "auf billig, nur billig" zu setzen. "Da ist auch die Gemeinde in der Pflicht."

Letztere kritisiert Richter mit deutlichen Worten. Es scheine, so die Buchhändlerin, als wolle das Rathaus "alles mitnehmen": Auf der einen Seite verkaufe man sich als Kurort und verweise auf Albert Schweitzer, auf der anderen Seite wolle man einen Discounter bauen.

"Wir leben doch alle vom jeweils anderen", sagt Mack und schlägt den Bogen wieder zurück zu den Händlern der Friedrichstraße. Manch einer traue sich nicht, öffentlich seine Meinung zum Projekt zu äußern. "Sonst würden hier mindestens doppelt so viele sitzen", betont Richter.

Nächste Runde am Dienstagabend

Ob also die Mehrheit gegen Aldi und Rossman sei? Ganz so weit wolle man nicht gehen, heißt es einhellig. Man wolle vielmehr mit dem Pressegespräch ein Statement setzen: Gegen das, was Vollprecht geäußert hat. Das Timing ist dabei nicht zufällig gewählt. Am heutigen Dienstag trifft sich der Verein zu seiner Hauptversammlung.

Vollprecht selbst äußert sich zu den Vorwürfen nur in aller Kürze. Das Thema stehe auf der Agenda der Sitzung.

Am Dienstagabend geht es also in die nächste Runde. Der kalte Kaffee – wenn er den je kalt war – wird nochmals aufgewärmt. Und das sicher nicht zum letzten Mal.

Leitartikel: Die Projektgegner dominieren das Bild

Die Ansiedlung von Aldi und Rossmann ist und bleibt das allbestimmende Thema in Königsfeld. Mit dem Statement einiger Friedrichstraßen-Händler wurde nun ein weiteres Diskussionsfeld angestoßen. Blicken wir also auf einige genannte Argumente.

Ganz klar ist: Die beiden Marktriesen sind im Hinblick auf Produktüberschneidungen eine Konkurrenz, die den sowieso schon durch das Online-Geschäft gebeutelten Läden das Leben zusätzlich schwer macht. Dass einige Einzelhändler das Projekt nicht befürworten, ist dennoch nur teilweise nachvollziehbar.

Denn deren Argumentation weist auch Lücken auf. Wer die Schnellhefter für den Schulanfang seiner Kinder so günstig wie möglich haben möchte und keinen Wert auf persönliche Beratung legt, ist heute in der Friedrichstraße falsch und er wird es auch morgen sein – falls Aldi und Rossmann sich in Königsfeld niederlassen. Das ist hart, aber die Wahrheit.

Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass ebendiese Sparfüchse für günstige Produkte mitunter weit fahren. Die Rechnung "dann kaufe ich eben doch das teure Produkt" geht nicht auf. Die Gemeinde sieht das Geld, das vor Ort ausgegeben worden wäre, niemals, und die Friedrichstraße geht in diesem Szenario auch leer aus. Ganz nebenbei verlieren nicht nur Kommune und Händler, sondern dank CO2-Ausstoßes auch die Umwelt.

Apropos langer Fahrtweg: Die Gegner betonen, dass es Menschen gibt, die bewusst Königsfeld für ihre Vielfalt im Handel ansteuern. Zu erwarten ist, dass diese auch weiterhin kommen werden – ungeachtet dessen, was am Ortseingang passiert. Warum? Weil sie eben genau diese Produkte und die damit einhergehende Einstellung wertschätzen. Die Friedrichstraße sollte also ihren Stärken vertrauen.

Schlussendlich stellt sich im Hinblick auf eine mögliche Verlagerung der Kaufkraft an den Ortseingang also eine ganz andere Frage: Will man etwas gegen den Billigkonsum tun – ja oder nein? Die Antwort muss jeder für sich selbst finden. Wir alle können die Augen nicht davor verschließen, dass günstige Discounter-Produkte teilweise teuer erkauft werden – auf Kosten der Umwelt, des Tierwohls oder kleinerer Betriebe.

Hier greift der zweite Argumentationsstrang der Gegner, die diesbezüglich in vielen Punkten Recht haben. Es ist ein gewisser Idealismus, der mitschwingt und zeigt: Wir wollen besser sein, als das, was im Rest der Welt passiert. Das ist erst einmal löblich.

Oft wird dabei die Parallele zu Albert Schweitzer gezogen. Der Tenor: Der Urwalddoktor hätte dieses Vorgehen nicht befürwortet. Doch bedeutet das im Umkehrschluss, dass man nur im Kurort wohnen sollte, wenn man sich mit diesen Idealen identifiziert?

Fragen wie diese kommen in der Debatte auf, die derzeit gar keine richtige Debatte zu sein scheint. Infoveranstaltungen fallen aufgrund von Corona flach. In Berichten dominieren die Gegner, die sich im Gemeinderat zu Wort melden oder Bürgerbegehren ins Leben rufen, das Bild. Warum? Weil sie sich aktiv damit beschäftigen, sich melden.

Ob man nun der Argumentation der Gegner folgt oder sie missbilligt: Die einseitige Beleuchtung des Projekts birgt eine ganz andere Gefahr. Wenn die Menschen des Themas überdrüssig werden, gefährdet das einen repräsentativen Bürgerentscheid.