Renate Bökenkamp (rechts) und Ute Scholz. Foto: Mittel­staedt Foto: Schwarzwälder-Bote

Renate Bökenkamp fasst einige "Erinnerungskrümel" zusammen

Von Harald Mittelstaedt

St. Georgen. Eines können die Initiatoren des Projekts "Bücher aus dem Feuer – Die Bergstadt erinnert" mit Sicherheit für sich verbuchen: Sie haben Anstöße gegeben und zum Nachdenken angeregt. Spürbar war das bereits nach den drei Vorstellungen des Stücks "Die Welle". Nach dem Vortrag von Renate Bökenkamp in Zusammenarbeit mit dem Verein für Heimatgeschichte wurde bei der regen Diskussion deutlich, dass bei vielen großer Bedarf am Füllen von Wissenslücken besteht.

Renate Bökenkamp verdeutlichte mit ihrem weitreichenden Vortrag, dass man das Thema Bücherverbrennung zwar als dunkles Kapitel der deutschen Geschichte ansehen kann, es aber nicht nur daran festmachen kann, dass am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz in Berlin, dem Königsplatz in München, dem Schlossplatz in Dresden sowie auf zahlreichen zentralen Plätzen in deutschen Universitätsstätten Scheiterhaufen errichtet wurden, in denen mit Begeisterung tonnenweise Bücher verbrannt wurden.

Ein Großteil der etwa 40 Besucher zeigte sich überrascht darüber, dass der Anstoß dazu laut Bökenkamp nicht direkt von den Nazis, sondern von der "Deutschen Studentenschaft" ausging. Mit Aufrufen zu Aktionen gegen den undeutschen Geist spielte die geistige Elite den neuen Machthabern in die Hände. Tendenzen zum Antisemitismus und zur Verherrlichung des Deutschen gab es laut Bökenkamp an den Universitäten allerdings schon seit 1928.

"Selbstverständlich" in der Hitlerjugend

Mit der Schilderung ihrer eigenen Familiengeschichte verdeutlichte Renate Bökenkamp die Schwierigkeit, sich unter den damaligen politischen Bedingungen richtig zu verhalten. Wie viele ihrer Zuhörer war sie sich nicht sicher, wie sie sich anstelle ihres Vaters verhalten hätte, der Mitglied der NSDAP war und dies auch nie leugnete. Aus den Reihen der Besucher war zudem zu hören, dass für Kinder und Jugendliche die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend als selbstverständlich galt.

Widerstände gegen das NS-Regime gab es durchaus. Zu den Kritikern zählten solche Schriftsteller wie Kurt Tuchuolsky, Berthold Brecht und Erich Kästner. Auf der sogenannten schwarzen Liste sind zudem eine Vielzahl von Schriftstellern und Künstlern vermerkt, die entweder emigrieren mussten oder aber verhaftet wurden. Dass vieles, was die Referentin ausführlich offenlegte, gerne "vergessen" wurde, macht es für diejenigen nicht leichter, die Licht in dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte bringen wollen. So musste auch Renate Bökenkamp laut eigener Aussage viel Mühe aufwenden, um aus eigenen "Erinnerungskrümeln" und solchen von auskunftswilligen Gesprächspartnern zur Erkenntnis zu kommen, dass auch in St. Georgen nicht die heile Welt herrschte, die man so einem beschaulichen Ort zubilligte. Die von der Referentin gesammelten Erinnerungen ergaben, dass auf dem Marktplatz in St. Georgen wohl auch Bücher verbrannt wurden. Allerdings am 17. Juni 1933 und mutmaßlich im Rahmen einer Sonnwendfeier. Ausgegangen sein soll die Verbrennung von Schülern.

Das von der "Deutschen Studentenschaft" propagierte Deutschtum findet sich beispielsweise auch auf einer gefundenen Urkunde der Schule wieder. Der aufgedruckte Text: "Deutscher Knabe, vergiss nicht, dass Du ein Deutscher bist" spricht für sich.

Die lebhafte Diskussion zeigte, dass die Ausführungen von Renate Bökenkamp sehr gut ankamen und viele Denkanstöße hervorriefen. So schlug Altstadtrat Gerhard Mengesdorf eine Gedenktafel für die elf St. Georgener Bürger vor, die in Konzentrationslagern starben. Aufgrund der Erfahrungen von Renate Bökenkamp beim Recherchieren für ihren Vortrag kam der Vorschlag, alles, was es an Informationen aus der dunklen Vergangenheit gibt, schriftlich festzuhalten und zu sammeln. Wer über solche Notizen verfügt, kann sie gerne direkt an Renate Bökenkamp, das Theater oder die Buchhandlung Haas weiter geben.