Eine Apothekerin begutachtet verschiedene Medikamente. Foto: Privat/Gentsch

Bürokratie scheint hier kein Helfer zu sein. Bernhard Lobmeier meint: Versorgungslage wird sich weiter zuspitzen.

St. Georgen - Dass Medikamente knapp sind, ist nicht neu. Der Apotheker Bernhard Lobmeier aus St. Georgen (Schwarzwald-Baar-Kreis) ist aber überzeugt, dass sich die Versorgungslage weiter zuspitzen wird.

Herr Lobmeier, bei wie vielen Medikamenten stellen Sie aktuell Lieferengpässe fest?

Das sind derzeit 225.

Hat sich die Lage zuletzt verschlechtert?

Ja, das ist leider eindeutig so. Die Lage spitzt sich weiter zu. Bei etwa jedem zweiten Kunden tritt ein Engpass auf.

Welche Arzneimittel sind davon häufig betroffen?

Da geht es um viele und ganz verschiedene Präparate. Es gab vergangenes Jahr eine Verunreinigung bei der Herstellung des Wirkstoffs Valsartan, der für Blutdruckmittel gebraucht wird. Viele Ärzte haben deshalb ihre Patienten auf einen Wirkstoff namens Candesartan umgestellt, was jetzt zu Engpässen bei den Mitteln mit dem Wirkstoff Candesartan führt. Die Hersteller kommen wohl nicht mehr hinterher mit der Produktion – und zwar offensichtlich bei beiden Wirkstoffen.

Was fehlt noch?

Ein Engpass zeigt sich auch bei einer bestimmten Antibabypille oder einem Antibiotikum, das bei chronischen Blasenentzündungen verordnet wird. Zwischenzeitlich fehlte auch Ibuprofen, was derzeit wieder leichter verfügbar ist. Den Impfstoff zur Tollwutimpfung bekomme ich gar nicht, was für Kunden, die ins Ausland reisen wollen, natürlich ärgerlich ist. Für viele Staaten gerade in Asien wird diese Impfung ja empfohlen.

Was tun Sie, um den Engpass zu umgehen?

Ich versuche, das Mittel, das fehlt, mit einem anderen zu ersetzen, das den gleichen Wirkstoff in gleicher Dosierung hat.

Und das gelingt?

Es gelingt oft, aber nicht immer. Vielen Kunden wäre es natürlich lieb, immer das gleiche Medikament zu bekommen. Das geht aber nicht immer, so dass ich dann versuche, zu erklären, dass das gewohnte Präparat nicht lieferbar ist und warum ich einen Ersatz abgeben muss.

Wie reagieren die Kunden auf Engpässe?

Die meisten reagieren zum Glück gelassen. Das Thema Lieferengpässe war zuletzt häufig in den Medien. Die Leute sind informiert und wissen, dass nicht die Apotheker schuld an der Lage sind. Wir sind vielmehr die, die jeden Tag mit einiger Mühe versuchen, im Interesse der Kunden eine Lösung zu finden.

Gibt es etwas, was die Kunden tun können?

Viele kommen nicht erst, wenn die Packung fast leer ist, sondern schon dann, wenn noch einige Pillen in der Packung sind. Das leuchtet mir ein, weil mir dann mehr Zeit bleibt, um das neue Rezept einlösen zu können, falls es einen Engpass gibt.

Was würden Sie sich wünschen, damit es weniger oder am besten gar keine Engpässe mehr gibt?

Seltsamerweise kann niemand genau sagen, woher die Engpässe im Einzelfall rühren – ob es also daran liegt, dass ein asiatischer Lieferant ausfällt oder ein Container im Hamburger Hafen nicht rasch gelöscht wird. Da sind viele Spekulationen im Raum, so dass ich gar nicht sagen kann, was sich im Prozess der Herstellung und Lieferung ändern müsste. Ich weiß nur, dass die Bürokratie alles schlimmer macht.

Wie genau sieht die Bürokratie aus?

Ich schildere Ihnen das an einem Beispiel: Seit Juli gilt für uns Apotheker die neue Fassung des sogenannten Rahmenvertrags. Gebe ich ein Präparat ab, das ein anderer Hersteller billiger anbietet, muss ich das begründen – auch wenn es nur um wenige Cent geht. Ich muss dafür mit dem Arzt Rücksprache halten. Sonst kürzt die Kasse mir die Vergütung. Ob das billigere Medikament überhaupt lieferbar ist, spielt dabei keine Rolle. Das Ganze ist mühsam und zeitraubend. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich das schnell ändert.