Gut in Schuss: Die Familie Raible mit den Eltern Andrea und Patrick (hintere Reihe) sowie deren Kindern (vorne, von links) Sabrina, Marvin und Annika, hat sich ganz dem Hobby Sportschießen verschrieben. Foto: Raible

Sportschießen: Fünfköpfige Familie aus Eutingen hat sich voll und ganz dem Sportschießen verschrieben. 

Von wegen alt und verstaubt: Der Eutinger Schützenverein besticht durch eine erfolgreiche und stabile Jugendarbeit. Mittendrin sind die Raibles. Die fünfköpfige Familie aus Eutingen hat sich voll und ganz dem Sportschießen verschrieben – und trotzt nebenbei auch der Corona-Krise.

Wer Interesse an einem Jugendtraining hat (nach Corona), kann immer mittwochs von 18 bis 19.30 Uhr im Schützenhaus des SSV Eutingen im Schützenweg vorbeischauen. Das Erwachsenentraining schließt sich an und geht von 19.30 Uhr bis etwa 21 Uhr. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind herzlich willkommen. Kinder können sich dabei im Lichtgewehrschießen üben, Schüler, Jugendliche und Erwachsene im Luftgewehr- und Luftpistolenschießen. Ansprechpartner sind Jugendleiter Steven Wehrstein und Oberschützenmeister Eberhard Gesell.

Wer sich früher einmal umgesehen hat in einer Schießsporthalle, dürfte schnell gemerkt haben, dass es eigentlich nicht viel zu sehen gibt, selbst während eines Wettkampfs. So etwa beim SSV Eutingen, ein Schützenverein unter vielen im Kreis. Da stehen sie dann in schwerer Schießkleidung in einer Reihe, jeder oder jede ist mit seiner Zielscheibe allein. Ein neugieriger Blick in ihre Gesichter verbietet sich, man stünde in der Schusslinie. Auf Monitoren können sie die Ergebnisse verfolgen, dahinter stehen die Zuschauer, ab und zu gibt es ein kurzes Klatschen – wenn einer der ihren getroffen hat. Doch das war einmal. Seitdem die Wettkämpfe in einem neuen Ligamodus ausgetragen werden, haben sie viel an Attraktivität gewonnen.

"Geliebtes Hobby"

Auch dieses neue Wettkampfmodell ist zwar schon wieder in die Jahre gekommen, rund zehn dürften es derer sein, seitdem in diesem Modus schon geschossen wird, eine Frage aber bleibt: Was genau reizt die Schützen so am Schießen? Die Eutinger Familie Raible ist für diese Frage nachgerade prädestiniert. Sie hat sich diesem "geliebten Hobby", wie es Vater Patrick ausdrückt, verschrieben – einer Sportart, "die unseren Lebensablauf ziemlich stark beeinflusst. Alles dreht sich bei uns um den Schießsport".

Dazu muss man wissen, dass die Raibles eigentlich gar nicht aus einer sportschützenaffinen Familie stammen. Das Faible rührte beim heute 50-Jährigen schlicht daher, "dass ich früher mal mit Kumpels mit zum Schießen gegangen bin und dann Gefallen daran gefunden habe". Da war er 15 Jahre jung, seit 35 Jahren ist Raible nun Stammschütze, war unter anderem knapp 14 Jahre Jugendleiter, immer beim gleichen Verein, dem Schützenverein Eutingen. Sich um die Kinder, um das Jugendtraining kümmern, dem habe er sich mittlerweile in voller Gänze verschrieben und unterstützt den aktuellen Jugendleiter und -trainer Steven Wehrstein nach Kräften.

Früh übt sich

Und das färbt in erster Linie auf seine drei Kinder ab. Da ist etwa der Älteste des Trios, Marvin. Der heute 16-Jährige beginnt schon vergleichsweise früh, übt sich bereits mit acht Jahren in der Sportart, mit dem Lichtgewehr, der Vorstufe zum Luftgewehr, mit dem ab dem Alter von zwölf Jahren geschossen werden darf. In den Juniorenklassen eins und zwei stellt sich Marvin der Konkurrenz. Dann überwiegt das Interesse am Fußballspielen, was er von seiner Mutter abgekupfert haben dürfte, Andrea Raible spielte seinerzeit selber aktiv Fußball, unterstützt die Familie in Sachen Sportschießen aber nach allen Kräften.

Von klein auf ins Schützenhaus mitgenommen und so mit dem Sport früh in Berührung gekommen, finden auch die Töchter schnell Gefallen an dieser Sportart. Vor allem die 14-jährige Sabrina profitiert von der "seit Jahren erfolgreichen, stabilen Jugendarbei im Verein, in der man auf Eigengewächse setzt", wie es ihr Vater formuliert. "Wir sind niemand, der abwerben will, da schießen wir dann eher tieferklassig", so Raible.

Die Resultate der vergangenen Saison können sich sehen lassen: Drei Aktive Mannschaften gingen an den Start, während die "Erste" Mannschaft in der Bezirksoberliga mitmischt, wurde die "Dritte" Meister in der Kreisklasse. Die "Zweite" machte das Rennen in der Kreisoberliga und hätte die Möglichkeit, durch die Relegation in die Bezirksliga B aufzusteigen. Corona verdammt die Mannschaft aber einstweilen zum Warten.

Schwester gibt Tipps

Mit Anteil an diesem großartigen Erfolg – ungeschlagen wurde man Meister, alle sieben Wettkämpfe wurden gewonnen, dabei gab man zu Saisonbeginn noch den Klassenerhalt als das eigentliche Ziel aus – hatten dabei die drei Raible-Zöglinge. Selbst die gerade mal elfjährige Annika durfte erste Wettkampfluft schnuppern und hielt von den Ergebnissen her gut mit. Dabei ist die jüngere Schwester weit entfernt von jedwedem Konkurrenzdenken in Bezug zu ihrer Schwester Sabrina, im Gegenteil: "Annika orientiert sich stark an Sabrina. Und auch wenn sie manchmal feststellt, dass die ältere Schwester besser als sie sei, merkt Sabrina an, dass Annika im Vergleich zu ihr ein Jahr früher dran sei. Sie rät ihr, geduldig zu bleiben und zeigt ihr das ein oder andere", sagt Patrick Raible.

Trainieren trotz Corona

Zugute kommt den Töchtern bei ihrem Hobby, dass sie momentan trotz des Lockdowns aufgrund der Corona-Krise weiter trainieren können. Zum einen, weil der Schießsport ein Einzeltraining mit sich bringt und zum anderen, weil im Hause der Raibles das dafür nötige Equipment bereitgestellt ist, genauer eine sogenannte Scatt-Anlage, ein Zielweg-Analyse-System für Sportschützen. Es macht die Bewegung der Waffe auf der Zielscheibe, vor und nach dem Schuss, mit moderner Computertechnik sichtbar. "Geschossen wird dabei aber nicht mit einem Projektil, sondern mit einem Infrarotlichtstrahl wie er auch in fast jeder Fernbedienung für Fernseher und ähnlichen Geräten zum Einsatz kommt. Der so nachempfundene Schuss wird von einem entsprechenden Sensor auf der anvisierten Zielscheibe erfasst. Mittels einer Software lassen sich auf einem Bildschirm hinterher Zielverlauf und Schießergebnis verfolgen und auswerten", erklärt Raible.

Aufgaben vom Landeskader

Das bedeutet Hausaufgaben für seine Kinder, und die kommen nicht wie man erwarten würde vom Vater selbst, sondern vielmehr werden die Aufgaben vom Landeskader aus Ruit gestellt, dem die Raible-Töchter angehören. Wöchentlich wird ihnen ein Plan zugestellt, dann mindestens zweimal die Woche trainiert, Trockenanschläge in voller Montur gilt es abzugeben. Spätestens bis Sonntag ist eine Leistungskontrolle zu absolvieren, sie wird eingeschickt und ausgewertet.

Für ein bestmögliches Ergebnis heißt es dann Konzentration, Konzentration, Konzentration. Es geht um die Disziplin, die immer gleichen Abläufe auszuführen. Die Synthese aus einmaliger Technik, Körperbeherrschung, Koordination, Konzentration und Willensstärke ist es, was das Sportschießen so einzigartig macht. "Physisches und mentales Training sind für die Ausübung unabdingbar", sagt Patrick Raible.

Die wichtigsten Punkte sind ein guter Stand, bei dem die Position kaum verändert wird sowie eine optimale Atemtechnik. Es sei wichtig, seinen Puls herunterzufahren, um einen ruhigen Körper zu haben und beim Zielen mit der Waffe weniger hin und her zu wackeln. Beim Schießen sollte man versuchen, alles um sich herum auszublenden und gedanklich nicht abzuschweifen. Seinen Töchtern helfe dabei auch, dass sie einmal Ballett gemacht haben, "gut für das Gleichgewicht", weiß Raible, und ergänzt: "joggen, körperliches Workout, Konditions- und Muskeltraining, Fitness – unerlässlich."

Reiz des Abschaltens

Tochter Sabrina scheint all das verinnerlicht und den Reiz daran gefunden zu haben, nach einem stressigen Tag abschalten und dann das winzige Ziel, das Schwarze mit einem Durchmesser von ein paar Millimetern, ins Visier nehmen zu können. Die Resultate sprechen denn auch für sich, Erfolg reiht sich an Erfolg, da muss selbst Patrick Raible Luft holen.

2018 gewinnt Sabrina Raible die Landesmeisterschaft Schüler im Luftgewehr-Dreistellungskampf (kniend, liegend, stehend), einer Vorstufe zum Kleinkaliber und qualifiziert sich für die Deutsche Meisterschaft. 2019 gelingt ihr der Durchbruch, sie wird Landesmeisterin der Schülerklasse mit dem Luftgewehr stehend, im Mai nominiert man sie zum Shooting Star des Monats. Den "Shooty-Cup" der Bezirks- und Landesebene gewinnt sie zusammen mit einer zweiten Schützin, sie qualifizieren sich für den Endkampf in München und werden Sechste. Weiter siegt sie unter anderem beim WSV-Ranglistenschießen stehend und im Luftgewehr-Dreistellungskampf der Schüler, gewinnt im Luftgewehr 10 Meter-Mixed-Team, nimmt an den Deutschen Meisterschaften in München teil und wird 13. in der Dreistellung, 21. im Stehendschießen. "Sie hat noch einen weiten Weg vor sich", sagt Patrick Raible, die nächste Stufe, das nächste Ziel sei das Landesleistungszentrum Pforzheim, die Voraussetzungen sind gegeben, der Weg vorgezeichnet.

Sportgerät bleibt Waffe

Als Nicht-Schütze bekommt man von derlei Wettkämpfen, diesem Pensum an Aufwand, kaum etwas mit. Viele finden, dass überhaupt kein Zivilist etwas an der Waffe zu suchen hat, vor allem, wenn es wieder einen Amoklauf gab, vor dem jemand Zugang zu einer Sportwaffe fand. Wie damals in Erfurt oder Winnenden oder kürzlich in Hanau. Sportschützen müssen eine Haltung dazu finden, dass ihr Sportgerät immer eine Waffe bleibt. Patronen sind eben etwas anderes als Billardkugeln oder Dartpfeile.

Solche Fragen treiben auch Patrick Raible um und er möchte auch nichts beschönigen. Deswegen sei es auch so wichtig, dass die Sportschützen so früh wie möglich mit dem Umgang der Waffe vertraut gemacht werden, die Sicherheitsbestimmungen selbstredend eingehalten werden. Raible kommt dabei nochmal auf die Nachwuchsschützen zu sprechen. "Zu uns sind schon Kinder gekommen, hibbelige Schüler mit Aufmerksamkeitsdefizit, die ihr Lehrer mit einer Auflage geschickt hat. Sie sollten es mal mit einem Sport probieren, Schießen oder Schach. Die, die damit zu uns kamen, sind heute mit die ruhigsten."

Vor diesem Hintergrund dürfte für alle, die im Schießsport nichts anderes sehen als ein "Fingerkrummmachen", eine Stippvisite in einer Schießsporthalle einen anderen Einblick in die Welt der Schützen geben – auch wenn man es von außen nicht direkt sieht.