Madita Kopp zeigt eine besondere Erinnerung: das gemeinsame Foto mit Luca Thimm und der Goldmedaille. Foto: Pieth

Gewichtheben: Madita Kopp schenkt Athleten mit Down-Syndrom ihre Goldmedaille und erhält dafür einen Preis.

Madita Kopp vom VfL Nagold wurde von der Deutschen Olympische Gesellschaft mit dem Preis "Jung, sportlich, fair" ausgezeichnet. Die 17-Jährige Gewichtheberin schenkte ihre Goldmedaille bei den Landesmeisterschaften 2017 einem Teilnehmer mit Down-Syndrom.

Wer an einen Gewichtheber denkt, stellt sich einen großen Mann, ein echtes Schwergewicht von 120 Kilogramm vor, von oben bis unten mit Muskeln bepackt, wie man sie bei den Olympischen Spielen im Fernsehen sieht. Wie er in sich geht, die Hände mit dem weißen Pulver einreibt, mit einem finsteren Blick zur Stange greift, das Gesicht verzieht, schreit. Auch einem äußerlich so harten Kerl wären bei diesem Anblick wohl die Tränen gekommen. Die inzwischen 17-jährige Madita Kopp, Gewichtheberin des VfL Nagold, schenkte bei den Landesmeisterschaften im vergangenen Jahr die Goldmedaille, die sie soeben gewonnen hatte, einem anderen Teilnehmer: Luca Thimm.

Eine besondere und lange Freundschaft verbindet Madita Kopp und Luca Thimm

Der 22-Jährige wurde mit dem Down-Syndrom geboren und ist ebenfalls passionierter Gewichtheber. Doch anders, als bei den meisten Wettbewerben üblich, konnte er wegen des Satzungsrechtes bei der Landesmeisterschaft nicht in einer eigenen Special-Olympics-Kategorie teilnehmen, sondern startete in der regulären Starterklasse. Eine Medaille zu holen, wurde für ihn unmöglich. Abgeschlagen wurde er Neunter, letzter Platz. Daraufhin war Luca Thimm dermaßen enttäuscht. Er hatte sich fest vorgenommen, eine Medaille zu gewinnen. Als Madita Kopp ihn so sah, schenkte sie ihm einfach ihre. "Eine Geschichte, so richtig wie aus dem Märchen", fand nicht nur Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, in der Familie Kopp lebt. Für diese Aktion wurde Madita Kopp mit dem Preis "Jung, sportlich, fair" von der Deutschen olympischen Gesellschaft (DOG) ausgezeichnet. Zur Belohnung gab es 500 Euro und eine Urkunde.

Madita Kopp freut sich "natürlich riesig" über den Preis. "Damit hätte ich niemals gerechnet." Doch, um einmal einen Preis dafür zu bekommen, dafür hatte sie ihre Medaille nicht übergeben, nicht einmal im entferntesten daran gedacht. Doch es war einfach eine ganze andere Geste, als die eines Fußballspielers, der zugibt, dass er vielleicht doch nicht so schlimm gefoult worden war, wie es zunächst den Anschein hatte, oder er den Ball doch als letztes berührt hatte, und das andere Team den Einwurf bekommt. Das findet auf jeden Fall Vater Marc Kopp. "Klar, auch das ist aller Ehren wert", betont er. "Da entgegen der Gruppendynamik so etwas in einem Wettkampf zu sagen." Doch das, was seine Tochter getan hat, zeugte noch einmal von einer ganz anderen menschlichen Größe. "Der Madita war es im Nachhinein schon fast peinlich, dass darüber jetzt so viel Wind gemacht wird und vor allem, dass es so aussieht, als hätte sie es aus Mitleid getan." Doch das war nicht so: "Ich konnte nicht mit ansehen, dass er so traurig war und wollte ihm einfach eine Freude machen", erklärt sie.

Die Geschichte beginnt bereits einige Jahre zuvor, als Familie Kopp noch in Offenburg lebte. Da rief die Mutter von Luca Thimm bei Trainer Marc Kopp an und erzählte, dass ihr Sohn so gerne Gewichtheber sein möchte, ob das denn möglich wäre. Er willigte ein.

"Für gewöhnlich macht Luca Kraftdreikampf", erzählt er. Eine Disziplin, die bei den Special-Olympics anerkannt ist, und dem Gewichtheben mit Stoßen und Reißen sehr nahe kommt. Sie besteht aus Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben. Doch gleichzeitig ist er derzeit wohl auch der einzig aktive Athlet Deutschlands, der mit Down-Syndrom an Gewichtheber-Wettkämpfen teilnimmt. "Er lebt das richtig. Es gibt im Internet Videos von ihm. Da sieht man, wie er seine gelungenen Versuche feiert", sagt Marc Kopp.

Und Luca Thimm war es gewohnt, zu gewinnen. Obwohl es offiziell keine Special-Olympics-Wertung im Gewichtheben gibt, wurde für gewöhnlich mit dem Veranstalter abgesprochen, dass er einfach ohne Konkurrenz antritt und dann mit einer Medaille belohnt wird. Dass dies bei den Landesmeisterschaften offenbar nicht möglich war, "ist total peinlich", findet Marc Kopp. "Da schreibt man sich Inklusion auf die Fahne, lebt diese aber nicht vor."

Trotzdem war Luca Thimm natürlich auch bei diesem Wettbewerb auf eine Medaille fixiert. "Die ist die Hauptsache für ihn", weiß Madita Kopp. "Er ist vom Verhalten auf dem Niveau eines Sechs- oder Siebenjährigen", erklärt sie. "Er freut sich am meisten, wenn er seine Medaille bekommt. Wie soll man ihm dann erklären, dass er dieses Mal keine bekommen hat. Da war er einfach so traurig." Sie hatte ihre Siegerehrung bereits kurz zuvor. Mit 55 Kilogramm im Reißen und 67 Kilogramm im Stoßen holte sie den Sieg in ihrer Starterklasse. "Für mich ist die Medaille jetzt nicht so von großer Bedeutung. Eher der Titel und die erbrachte Leistung. Dann bin ich zu ihm hin und habe gesagt, dass er meine haben kann."

Die Heber-Karriere hat einst mit Synchronschwimmen angefangen

Zum Gewichtheben ist Madita Kopp über ihre jüngere Schwester Dana gekommen. Zuvor hatte sie Synchronschwimmen gemacht. "Ich weiß, das ist natürlich was komplett anderes, Wasserballett", sagt sie. Doch dann musste sie mit einem Leistenbruch für einige Zeit aussetzen. "Dann konnte ich die ganze Saison auch bei den Wettkämpfen nicht mitmachen, weil ich die neue Kür nicht konnte." Und weil Dana ihr immer von der tollen Truppe beim VfL Nagold vorgeschwärmt hatte, hat sie ihre Schwester zum Training begleitet – und ist beim Gewichtheben geblieben. "Ich schwimme noch im Verein. Leichtathletik macht mir auch Spaß, das gehört zum Training beim Gewichtheben mit dazu. Joggen gehe ich auch", zählt sie auf. "Ich mache Sport einfach sehr gerne."

Doch Gewichtheben hat sie irgendwie auf Anhieb fasziniert. "Es gibt diesen einen Punkt, an dem man alles perfekt macht. Das schafft man so selten, dass man es immer wieder schaffen will", erklärt sie. "Also zumindest geht es mir so." Ihre Bestleistungen liegen inzwischen bei 65 Kilogramm im Reißen und 70 im Stoßen. Der Landesmeistertitel ist bei ihr zu Hause in bester Gesellschaft, zu der auch deutsche Meistertitel gehören.

Trainiert wird zweimal in der Woche im heimischen Keller. Dort hat Vater Marc, der früher selbst Kraftdreikampf und Gewichtheben gemacht hat, ein Sportstudio eingebaut. "Dreimal in der Woche zum Training nach Nagold fahren, geht für uns natürlich nicht." Den VfL zu verlassen, kommt dennoch nicht in Frage. Aus zwei Gründen. Erstens: "In der Tübinger Umgebung gibt es gar keinen Verein." Und Zweitens: "Wir fühlen uns in Nagold so wohl, dass es auch gar nicht in Frage kommen würde, wenn es eine Alternative gäbe."

Auch die Freundschaft zwischen den Familien Kopp und Thimm ist übrigens nach wie vor intakt. "Er hat uns schon in Tübingen besucht. Wir sind dann ins Stadion zum VfB-Spiel gegen RB Leipzig gegangen. Er ist großer Leipzig-Fan", sagt Marc Kopp.