Thiemo Martin, Trainer des Bezirksligisten SV Villingendorf. Foto: Schleeh

Fußball: Trainer des SV Villingendorf sieht keine Alternative zum Lockdown. Mit Interview

Dass mit dem Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie regelrecht Stillstand im Amateursport herrscht, sorgt für Diskussionen Land auf, Land ab. Bei allem Verständnis dieser Maßnahme gibt es aber auch kritische Anmerkungen. Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten bezieht Thiemo Martin, Trainer des Bezirksligisten SV Villingendorf, Stellung.

Wie stehen Sie zu dem Lockdown, dass der Fußball ausgesetzt wurde?

Wenn man das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen beobachtet hat, war es die logische Konsequenz und nur eine Frage der Zeit. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass das Infektionsrisiko auf dem Platz äußerst gering ist. Das Problem liegt meiner Meinung nach nicht auf dem Platz, sondern an dem was neben dem Spielfeld passiert.

Hätte es aus Ihrer Sicht andere Möglichkeiten gegeben?

Für mich nein! weil Fußball ohne Zuschauer oder Fans total langweilig und öde ist. Ich würde es vermissen, einen Lokalkampf gegen Winzeln oder Rottweil ohne Zuschauer auszutragen. Dazu kommt der gesellige Aspekt im Sportheim mit Fans, Gegnern oder der eigenen Mannschaft. Für mich bedeutet Kameradschaft im Fußball alles und es gehört für mich nun mal auch dazu, diese zu pflegen. Wenn Zuschauer nicht kommen dürfen, das Sportheim leer bleiben muss, dann macht das für mich alles keinen Sinn! Mir tun nicht nur meine Spieler leid, sondern auch die vielen Wirtsleute, die sich mit ihren Hygienekonzepten echt sehr viel Mühe gegeben haben.

Was bedeutet die Saisonunterbrechung in der Konsequenz – lässt sich der Spielbetrieb im Dezember wieder aufnehmen, sollten die Infektionszahlen bis dahin zurückgehen?

Wir sollen jetzt vier Wochen Pause machen und dann von Null auf Hundert wieder hochfahren. Das macht allein aus der Trainingslehre keinen Sinn. Für mich sind da Verletzungen vorprogrammiert. Zumal wissen wir auch überhaupt nicht, wie die Wetterlage im Dezember sein wird - wenn es nicht schneit die Plätze aber gefroren sind, kann man nicht mal trainieren. Wie soll das alles funktionieren?

Ist es überhaupt möglich, ohne Training dann von Null auf 100 wieder bereit zu sein?

Konditionell sehe ich da vielleicht eher weniger das Problem, da meine Spieler sich fit halten werden. Aber die spezifischen Bewegungen und Abläufe, die uns der Fußball abverlangt, müssen eben trainiert werden. Wir sind im unteren Amateurbereich und ich halte es für zwingend notwendig, dass dies in allen Überlegungen für einen Neustart eine Rolle spielt! Einen Vorlauf für mindestens drei oder vier Einheiten wären wichtig.

Bleiben zwei Drittel der Spiele, die erst in 2021 absolviert werden könnten. Um in einem Zeitrahmen bleiben zu können, die Saison zu Ende zu spielen, würde das bedeuten, dass permanent pro Woche drei Spieltage anstehen. Kann man das Amateurfußballern überhaupt zumuten?

Na ja, den Spielern ab der Landesliga aufwärts hat man es auch zugemutet. Ich glaube nicht, dass wir dazu befragt werden, ob es uns passt oder nicht. Ich habe mich jahrelang gefragt, was die ganzen englischen Wochen in der Haupturlaubszeit nur sollen. Jetzt hat doch noch ein Umdenken stattgefunden. Man muss aufpassen, dass wir es im unteren Amateurbereich nicht übertreiben. Obwohl mir englische Wochen gefallen, ist es gefährlich, wenn du diese über einen längeren Zeitraum durchziehen musst. Du hast mehr Verletzte und die Regeneration kommt viel zu kurz. Oftmals kannst du dann nur einmal trainieren und da fehlen dann wieder angeschlagene Spieler - also hochwertig trainieren bleibt oft aus.

Wie könnte Ihrer Einschätzung nach eine vernünftige Lösung aussehen?

Ich fände es wichtig, dass mal jeder gegen jeden gespielt hat. Ob man dann die Runde wie ein Turnier um Abstieg und Aufstieg zu Ende spielt, wäre vielleicht eine Lösung. Ich fand den Modus in der Champions League zuletzt richtig interessant.

Etwas provokant gefragt: Macht in Zeiten von Corona die "schönste Nebensache der Welt" überhaupt noch Spaß oder Sinn, sich dafür aufzureiben, Zeit zu investieren, wenn innerhalb kurzer Zeit immer wieder alles über den Haufen geworfen wird?

Den Spaß und die Begeisterung am Fußball wird mir Corona sicher nicht nehmen. Wenn du aber total im "Flow" bist, die Mannschaft konzentriert arbeitet und gute Spiele abliefert, du damit deinem Ziel mit jedem Spieltag näher kommst, ist es umso schlimmer, wieder von dieser Pandemie ausgebremst zu werden. Wenn du dich als Trainer wirklich mit deiner Mannschaft beschäftigst und versuchst, die Jungs bestmöglichst einzustellen, dann ist man doch schon sehr enttäuscht. Dass man die ganzen Ideen und Vorstellungen nun nicht mehr umsetzen kann, ist für mich persönlich schon schade – aber die Gesundheit geht vor und ich hoffe, dass der zweite Lockdown die gewünschte Wirkung erzielt. Wobei ich auch hier sagen muss, dass einige Maßnahmen einfach übertrieben sind.