Auch in Villingen finden regelmäßig Corona-Spaziergänge statt. Foto: Eich

Vielerorts versammeln sich Gegner der Corona-Maßnahmen unter anderem montagabends neuerdings zu spontanen "Spaziergängen" in kleineren wie größeren Städten. Nach einigen wird jetzt wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Aber was genau steckt dahinter?

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Oberndorf - Mehrere hundert Menschen sind auch an diesem Montagabend durch viele Städte und Gemeinden der Region gezogen, um gegen die Corona-Maßnahmen und die drohende Impfpflicht zu demonstrieren. Die Proteste blieben größtenteils friedlich. Auffallend ist, dass keiner davon vorab angemeldet war, sondern alle als "zufällige Spaziergänge" deklariert wurden.

Die Polizei ist da jedoch anderer Ansicht: Es handle sich keineswegs um ein zufälliges Aufeinandertreffen, sondern um richtige Versammlungen. Diese unterliegen dem Versammlungsgesetz. Was das genau bedeutet, erklären wir im Folgenden.

Was ist eine Versammlung?

Als Versammlung zählt laut dem Bundesverfassungsgericht eine "örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung". Mehrere Landesregierungen gehen davon aus, dass es "mindestens zwei Personen" bedarf, um von einer Versammlung sprechen zu können. Eine Versammlung kann eine Kundgebung oder eine Demonstration sein - aber auch ein Fastnachtsumzug.

Wofür steht das Versammlungsrecht?

"Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln", heißt es in Artikel 8 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG). Dieses Grundrecht ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern, sich aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen. Es gilt jedoch folgende Einschränkung: "Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden." Die maßgeblichen Regelungen hierzu finden sich im Versammlungsgesetz des Bundes (VersammlG), das auch für Baden-Württemberg gilt.

Muss eine Versammlung genehmigt werden?

Eine Versammlung unter freiem Himmel muss spätestens 48 Stunden vorher beim zuständigen Ordnungsamt angemeldet werden. Genannt werden sollten Art bzw. Grund der Versammlung, die voraussichtliche Teilnehmerzahl sowie eine Versammlungsleiterin oder ein -leiter, die/der während der Versammlung dabei ist. Eine Versammlung muss nicht genehmigt werden, kann aber bei berechtigter Begründung (beispielsweise Gefahr) verboten werden. Da die Versammlungsfreiheit jedoch ein hohes Gut ist, ist dies nur selten der Fall. Die Ordnungsbehörde kann aber Auflagen erheben, etwa eine Maskenpflicht für Teilnehmer, einen Mindestabstand oder den Einsatz von Sanitätern vorschreiben. Wenn zu befürchten ist, dass die Auflagen nicht eingehalten werden können, müssen sogenannte Ordner ernannt und namentlich der Behörde gemeldet werden.

Sind "zufällige Spaziergänge" Spontanversammlungen?

Die Organisatoren der zufälligen Spaziergänge versuchen, die Anmeldepflicht dadurch zu umgehen, indem sie ihre Veranstaltungen als "Spontanversammlungen" deklarieren. Bei diesen entfällt nämlich die Anmeldepflicht: Artikel 8 Abs. 1 GG schützt auch das Recht, sich spontan zu versammeln. Die Behörden sehen dies jedoch anders: "Auch wenn dabei der harmlose Begriff Spaziergang verwendet wird, handelt es sich rechtlich um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes", stellt das Polizeipräsidium Konstanz in einer Mitteilung klar und ergänzt: "Anderslautende Informationen sind nicht zutreffend."

Müssen nur Versammlungen im Freien angemeldet werden? 

Theoretisch ja, denn für Versammlungen in geschlossenen Räumen besteht laut Gesetz keine Anmeldepflicht. Begründet wird dies damit, dass im Freien eine höhere Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht als in geschlossenen Räumen, das liegt schon an der größeren Teilnehmerzahl. Wer nun jedoch plant, seine "Versammlung" einfach nach drinnen zu verlagern, dem sei gesagt: Aktuell gelten Kontaktbeschränkungen, an diese muss man sich auch bei Veranstaltungen halten.

Wann kann eine Versammlung verboten oder aufgelöst werden?

Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) antwortet darauf wie folgt: "Bei einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann nach § 15 VersammlG eine Versammlung vor ihrem Beginn verboten oder nach Veranstaltungsbeginn aufgelöst werden." Ein Verbot oder eine Auflösung seien allerdings "das letzte Mittel". "Sofern Beschränkungen zur Abwehr der Gefahr ausreichen, müssen diese vorrangig angeordnet werden." 

Wann schreitet die Polizei ein?

Die Polizei sei bei Versammlungen grundsätzlich vor Ort, erklärt Dieter Popp vom Polizeipräsidium Konstanz. Auch bei "zufälligen Spaziergängen". Die Versammlungs- und Vollzugsbehörden arbeiteten eng zusammen und seien über die Kanäle informiert, über die man sich zu den Spaziergängen verabrede. Einschreiten würde die Polizei jedoch nur, wenn der Ablauf gestört wird. "Das kann etwa bei Gegendemonstranten der Fall sein", erklärt Popp, "oder wenn aus der Versammlung heraus Störungen begangen oder die Auflagen nicht eingehalten werden."

Was passiert, wenn die Versammlung trotz Verbots oder ohne Anmeldung stattfindet?

Dann liegt ein sogenannter Verstoß gegen versammlungsrechtliche Verbote oder Pflichten vor. Diese können laut Bundesinnenministerium "als Straftat oder Ordnungswidrigkeit" geahndet werden. Dazu zählen auch die Montagsspaziergänge: "Die Rechtslage ist eindeutig", stellt Dieter Popp fest. "Mehrere Personen treffen sich zu einer Kundgebung, es handelt sich damit um eine Versammlung." An dieser Stelle beginnen die anfangs erwähnten Ermittlungen der Polizei. Bei Verstößen drohen "empfindliche Bußgelder", teilweise sogar Haftstrafen.