Der FDP-Landeschef und Spitzenkandidat Rülke nutzt die Sommerpause, um Unterschriften für einen kleineren Landtag zu sammeln – und sich für den Wahlkampf warmzulaufen.
Wie treten die Spitzenkandidaten im Sommer vor der nächsten Landtagswahl auf? Das beleuchtet unsere diesjährige Sommerserie. Diesmal im Fokus: Hans-Ulrich Rülke von der FDP.
Der Erfolg stellt sich schon ein, bevor Hans-Ulrich Rülke überhaupt richtig da ist. Kaum steht der Tisch für die Unterschriftenaktion vor dem Supermarkt im Pforzheimer Stadtteil Huchenfeld, sind die ersten drei Formulare ausgefüllt. Doch der FDP-Landeschef lässt sich nicht lumpen. Er passt Menschen mit Einkaufswagen ab und überredet sie, noch mit dem Pizzakarton in der Hand, für das Volksbegehren der Liberalen zu unterschreiben, das einen kleineren Landtag zum Ziel hat.
Rülke als Menschenfänger? Ein Bild, mit dem mancher im Landtag wohl wenig anfangen kann. Rülke gilt als eloquenter Redner, vor dessen Schärfe sich mancher fürchtet. Doch an diesem Samstag wird deutlich: Der FDP-Spitzenkandidat kann auch anders. Dabei ist dieser Samstagvormittag ganz offensichtlich ein Heimspiel. Viele sind gar nicht zum Einkaufen auf den Parkplatz des Supermarkts gekommen. Sie sind der Anzeige gefolgt, die die FDP für die Unterschriftenaktion geschaltet hat und einige – auch das wird schnell klar – weil Rülke als Pforzheimer Stadtrat bekannt ist.
Bekannte vom Hundesportverein und vom Tennisclub schauen vorbei. Der sonst so scharfzüngige FDP-Landeschef erkundigt sich nach kaputten Gefriertruhen und alten Verletzungen, und macht – für seine Verhältnisse eher flache – Scherze darüber, wie viele Waschmaschinen nach der geleisteten Unterschrift geliefert werden.
FDP dank Volksbegehren im Vorwahlkampf auf der Straße
Die FDP ist zumindest an dieser Stelle im Vorwahlkampf in einer komfortablen Lage: das Volksbegehren für eine Verkleinerung des Landtags ist ein guter Anlass, um jetzt schon überall im Land Stände aufzubauen. Knapp sieben Monate vor der Landtagswahl am 8. März 2026 ist es noch viel zu früh, um ernsthaft Wahlkampf zu betreiben. Mit Hilfe des Volksbegehrens ist die FDP schon auf der Straße sichtbar.
Und Rülke (63) will sich glaubwürdiger machen, weil er selbst um seinen eigenen Wahlkreis fürchten müsste: Der Wahlkreis Pforzheim und der Enzkreis, in dem sein zehn Jahre jüngerer Parteikollege Erik Schweickert (53) residiert, so seine Rechnung, würden wohl zusammengelegt. Die beiden gehen auffällig gelassen damit um.
Rülke träumt vom Mitregieren
Denn der FDP-Spitzenkandidat hat längst einen Plan, wie eine Lösung aussehen könnte: „Wenn ich die FDP 2026 nicht in die Regierung führe, dann habe ich nicht vor, 2031 die Partei ein viertes Mal aus der Opposition heraus in einen Wahlkampf zu führen“, sagt er – und weist darauf hin, dass er im Jahr 2031 seinen 70. Geburtstag feiern wird. „Sollten wir aber mitregieren, so dürfte ein stellvertretender Ministerpräsident auch im Falle eines verkleinerten Landtages einen Wahlkreis finden.“ Mitregieren? Anfang Juli machte Rülke bei der Landesvertreterversammmlung seiner Partei sehr deutlich, dass das erste Ziel bei der Landtagswahl ein anderes sein würde. „Es geht um Sein oder Nicht-Sein für die FDP“, sagte er damals. In Umfragen kratzten die Liberalen zuletzt an der Fünf-Prozent-Marke. Doch der FDP-Landeschef, der schon vor Jahren demonstrativ in der Sommerpause mit Manuel Hagel wandern ging, macht keinen Hehl aus seinen Ambitionen, die er mit einem Zweitstimmenwahlkampf hat: „Uns wäre eine Koalition mit der CDU oder eine Deutschlandkoalition am liebsten“, sagte er unserer Zeitung. „Da werden wir die Leute nicht im Unklaren lassen.“
Social Media soll es richten
Zumindest einen Hoffnungsschimmer gibt es. In einer Umfrage der baden-württembergischen Tageszeitungen Ende Juli lag das Potenzial für die FDP weit über den fünf Prozent. Rülke schert sich zumindest vordergründig nicht darum: „Ich halte wenig von Umfragen“, sagt er. „Ich rede mit den Leuten, um zu hören, was sie bewegt.“ Außerdem setzt er auf Social Media. Zu den Bildern in Tennissocken nach der morgendlichen Joggingrunde kommen inzwischen Tiktok-Videos, für die der FDP-Chef den Social-Media-Berater von Christian Lindner eingestellt hat.
An diesem Samstag kommen zwar nicht alle wegen der FDP, manche aber wegen Hans-Ulrich Rülke. Ein ehemaliger Schüler des Pforzheimer Hilda-Gymnasiums, wo Rülke fast 20 Jahre Lehrer war, macht extra noch einmal kehrt und kommt über den Parkplatz zum Stand, um „Hallo“ zu sagen. Strukturiert sei Rülke als Lehrer gewesen, sagt Robin Hafner und er habe im Politik-Leistungskurs Respekt genossen. Man habe Regeln fürs Leben gelernt. Eine andere Frau erzählt, ihre Kinder seien mit Rülke als Schüler nicht glücklich gewesen. Ganz unumstritten, so wirkt es, war er als Lehrer nicht.
Es scheint, als gebe es immer diese beiden Pole: Die mit dem kompromisslosen Kurs des FDP-Chefs klarkommen, und die das nicht schaffen. Rülke polarisiert gern, manche werfen ihm Populismus vor. Und so überrascht es nicht, dass sich der FDP-Chef im Wahlkampf tatsächlich an ein Thema machen will, von dem andere nach der Debatte vor der Bundestagswahl lieber die Finger lassen. Beim Parteitag Anfang Juli verabschiedet die Südwest-FDP einen Leitantrag zur Migration: „Wir brauchen eine Position zu dem Thema zum Thema Migration, nämlich eine Willkommenskultur für die Fleißigen und Zurückweisung von Straftätern und Sozialschmarotzern“, sagt der FDP-Landeschef. „Vor der Bundestagswahl 2025 haben wir die nicht einheitlich vertreten. Im Landtagswahlkampf 2016 ist uns das hingegen gut gelungen.“ Ob er damit Erfolg haben wird, das muss sich erst noch zeigen.
Volksbegehren XXL-Landtag
Ziel
Die Liberalen fürchten durch das 2022 eingeführte Zwei-Stimmen-Wahlrecht eine Aufblähung des Landtags – mit den entsprechenden Kosten. Sie fordern daher schon lange eine Verringerung der Wahlkreise auf 38.
Weg
Mit einem eigenen Gesetzesvorhaben scheiterte die Fraktion, deshalb stieß die Partei das Volksbegehren an. Dessen Zulassung musste erst vor Gericht durchgefochten werden. Nun läuft die Unterschriftensammlung. Bis 4. November müssen die Liberalen 770000 Unterstützer gefunden haben. Dann muss sich der Landtag mit dem Gesetzentwurf befassen. Lehnt er ab, gibt es eine Volksabstimmung.