Auf dem eigenen Smartphone ist fast das gesamte Leben eines modernen Menschen einsehbar. Doch was, wenn diese Informationen vom Partner ausgenutzt werden? Und wie kann man sich dagegen schützen? Unsere Redaktion hat beim Frauenhaus Balingen und den Polizeipräsidien der Region nachgefragt.
Beworben als Mittel für Eltern, um die Mediennutzung ihrer Kinder zu kontrollieren, nutzen Menschen sogenannte Spionage-Apps immer häufiger aus, um ihren Partner auszuspähen. Das ist nicht nur ein massiver Vertrauensbruch in der Beziehung und ein massiver Eingriff in die Privatsphäre, sondern eine Straftat.
Unsere Redaktion hat bei der Polizei und dem Frauenhaus Balingen nachgefragt, wie man herausfindet, dass man überwacht wird und wie man sich schützen kann.
Wie verbreitet ist partnerschaftliche Überwachung per App in der Region?
Genaue Zahlen, wie oft Menschen ihre Partner ausspähen, gibt es nicht. Laut Nicole Minge, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz, werden Fälle von Partnerschaftsspionage per App nicht gesondert erfasst. Eine Konkretisierung sei auch nicht vorgesehen. Daher sei es zudem nicht möglich, Aussagen darüber zu treffen, ob eher Frauen oder Männer Opfer solcher Straftaten werden.
Gerhard Jaudas, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen, beziffert die Anzahl der Spionagefälle im eigenen Einsatzgebiet in der Partnerschaft auf „eine niedrige, einstellige Zahl“. Die Veränderungen zu vergangenen Jahren seien „nur marginal“.
Zu zwei spezifischen Spionage-App-Anbietern gefragt, antwortet der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Baden-Württemberg (LfDI) über seine Pressestelle: „Zu genannten Apps haben uns bisher keine Beschwerden erreicht. Die Gründe hierfür sind spekulativ, wir würden aber annehmen, dass es zum einen für eine Beschwerde oder Anzeige des Wissens um den entsprechenden Einsatz bedarf. Bei dem beschriebenen, missbräuchlichen Einsatz ist dies aber gerade nicht der Fall.“
Mia vom Frauenhaus Zollernalbkreis in Balingen (Name aus Schutzgründen anonymisiert, Anmerkung der Redaktion) berichtet von ihrer Erfahrung aus der Praxis: Es gebe einen Anstieg des Phänomens in den letzten Jahren, auch „weil technisch immer mehr möglich ist“.
Wie erkennt man Spionage-Apps?
Trotz dessen, dass es keine belastbaren Zahlen zum Thema gibt, beschäftigen sich die Frauenhäuser seit Jahren in der Praxis damit. Die Fälle zur digitalen Gewalt - nicht nur der Überwachung per App – treten so häufig auf und seien so technisch komplex, dass die zentrale Anlaufstelle „Digitale Gewalt im sozialen Nahraum“ Mitarbeitenden der Frauenhäuser technische Beratung zu spezifischen Fällen sowie Schulungen und Fortbildungen anbietet.
Doch um sich vom Frauenhaus vor Ort helfen zu lassen, muss man überhaupt erst bemerken, dass man überwacht wird: „Die Dunkelziffer dürfte in diesem Deliktsfeld hoch sein, da viele Geschädigte entsprechende Handlungen oder Vorgänge bezüglich dem Ausspionieren und der Installation von Apps oder Software auf ihrem Mobiltelefon nicht bemerken“, so Jaudas.
Dazu gilt es, aufmerksam auf das eigene Smartphone zu achten. Steigt beispielsweise der Verbrauch des mobilen Datenvolumens, ohne dass man selbst mehr im Internet unterwegs ist, könnte es sein, dass eine Spionage-App im Hintergrund unbemerkt Daten versendet. Ebenfalls könnte das Handy dadurch langsamer werden und der Akku nicht mehr so lange halten, wie gewohnt.
„Auch sollte man dann auf sein Umfeld achten, ob jemand plötzlich über Privatangelegenheiten Bescheid weiß. Man sollte sich spätestens dann seine App-Übersicht anschauen. Stellt man eine App fest, die man selbst nicht installiert hat, sollte man einen Screenshot davon machen und die App nicht löschen. Sie dient als Beweis. Zudem würde bei einer Löschung der Täter gewarnt werden. Bezüglich der Inhalte der App kann man über ein zweites Gerät recherchieren. Bestätigt sich der Verdacht, sollten Betroffene unverzüglich bei der Polizei eine Anzeige erstatten“, erklärt Minge.
Mit einer vom Sicherheitslabor von Amesty International entwickelten Software, genannt „Mobile Verification Kit“, können technisch versierte Nutzer ihr eigenes Smartphone auch auf Überwachungssoftware kontrollieren – sogar die Überreste von Staatstrojanern soll die Software erkennen können.
Wie kann man sich präventiv gegen Überwachung schützen?
Um sich selbst zu schützen, können laut Minge einige Vorkehrungen getroffen werden. Man sollte eine sichere PIN verwenden, diese mit niemandem teilen und regelmäßig wechseln. Das Handy mit Fingerabdruck oder mit dem Gesicht entsperren zu können ist zwar komfortabel, jedoch könnte das Handy im Schlaf entsperrt werden.
Und nicht nur die PIN sollte demnach ausgetauscht werden. Selbiges gelte für jegliche Passwörter von Online-Konten. Besonders das Bankkonto und Konten der Cloud-Anbieter sind hier wichtig, da über Finanztransaktionen und dem Zugriff auf das Cloud-Konto viele intime und private Informationen abgegriffen werden können.
Man sollte Zugriffsrechte von Apps im Blick behalten, „eine Taschenlampen-App benötigt keinen Zugriff auf die Kamera“, rät Minge. Außerdem müsse das Betriebssystem des Smartphones regelmäßig auf den neusten Stand gebracht werden, damit die neusten Sicherheitsupdates installiert sind. Auch sollten alle Apps regelmäßig geupdatet werden, wobei man im selben Zug überprüfen könne, ob unbekannte Apps installiert worden sind.
Was genau ist überhaupt strafbar?
Wer seine Partner unwissend ausspäht, begeht laut Minge eine Straftat, „Ausspähen/Abfangen von Daten“ gemäß Paragraph 202a und b des Strafgesetzbuches (StGB) lautet der Straftatbestand. Doch meist bleibe es nicht bei einem Bruch des Gesetzes: Beim heimlichen Installieren komme es schon zu einer Datenveränderung (Paragraph 303a StGB), weiter könne auch der Bestand der Nachstellung des sogenannten Stalkings (Paragraph 238 StGB) oder die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (Paragraph 201 StGB) erfüllt sein.
Machen sich die Anbieter von Überwachungs-Apps strafbar?
Potenziell. „Wer spezielle Apps, die für Cyber-Stalking geeignet sind, anbietet oder verkauft, könnte sich zumindest der Beihilfe für eine Straftat strafbar machen. Hierzu wäre die jeweilige Beihilfe-Handlung zu prüfen“, sagt Jaudas.
Hier gibt es Hilfe
Betroffene digitaler Gewalt
finden Hilfe unter der Notfallnummer 06221 831 282 der Koordinierungsstelle Digitale Gewalt im sozialen Nahraum in Heidelberg. Auch das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (116 016) ist kostenfrei und besonders bei benötigter Unterstützung in anderen Sprachen erreichbar.