Politiker erheben schwere Vorwürfe gegen Jens Spahn. (Archivbild) Foto: AFP/TOBIAS SCHWARZ

Wollte Jens Spahn unbrauchbare Masken im Wert von einer Milliarde Euro erst an Behinderte und Obdachlose verteilen und später verschwinden lassen? Jetzt reagiert das Gesundheitsministerium entschieden auf einen belastenden „Spiegel“-Bericht.

Berlin - Nach einem „Spiegel“-Bericht über fragwürdige Vorgänge rund um die massenhafte Beschaffung von Corona-Schutzmasken im vergangenen Jahr sieht sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schweren Vorwürfen ausgesetzt. „Diese Vorgänge im Bundesgesundheitsministerium sind ungeheuerlich und menschenverachtend“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dem „Spiegel“ am Samstag. „Der Minister muss sich dazu schnellstmöglich erklären, er kann hier nicht mit dem Finger auf andere zeigen.“ Das Ministerium bemühte sich, die Vorwürfe zu zerstreuen.

Der „Spiegel“ hatte am Freitag berichtet, dass  das Bundesgesundheitsministerium im Frühjahr 2020 für schätzungsweise eine Milliarde Euro unbrauchbare Masken gekauft habe. Diese seien - auch nach den damals geltenden Sonderregeln der EU - nicht frei verkehrsfähig gewesen und hätten daher vor ihrem Einsatz im Labor überprüft werden müssen.

Das Gesundheitsministerium habe zwischenzeitlich vorgehabt, solche Masken an Obdachlose, Behinderte oder Hartz-IV-Empfänger zu verteilen, berichtete das Magazin weiter. Das für die Maskensicherheit zuständige Arbeitsministerium habe dem seine Zustimmung verweigert.

„An Zynismus nicht zu überbieten“

Nunmehr sollten die Masken in der Nationalen Reserve Gesundheitsschutz eingelagert und nur in einem Katastrophenfall ausgegeben werden. Mit Eintritt des Verfallsdatums sollten die Masken vernichtet werden.

„Nutzlose Masken loswerden wollen, indem man sie an hilfsbedürftige Gruppen in unserer Gesellschaft abzugeben versucht... das ist an Zynismus schlicht nicht mehr zu überbieten und absolut inakzeptabel“, schrieb SPD-Fraktionsvize Katja Mast am Samstag auf Twitter. 

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, erklärte, es scheine „keine Rolle mehr zu spielen, dass dem Gesundheitsminister einmal mehr die Gesundheit von behinderten und sozial benachteiligten Menschen egal zu sein scheint, wenn sein eigenes Versagen dadurch vertuscht wird. Und wieder einmal scheint es unbedeutend zu sein, dass eine Milliardensumme verbrannt wird.“ Wieder gebe es keinen Rücktritt „oder irgendwelche Konsequenzen“.

Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler nannte das Verhalten des Gesundheitsministeriums im „Spiegel“ „menschenverachtend und abgründig“. Ein Minister, der bereit sei, diese vulnerablen Gruppen bewusst zu gefährden, „ist nicht tragbar“.  

Gesundheitsministerium weist Vorwürfe entschieden zurück

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele sagte dem Magazin, der Vorgang zeuge „von einem inakzeptablen Menschenbild“. Dass die Masken in der nationalen Notreserve jetzt „auf das Überschreiten ihres Ablaufdatums warten sollen, um still und heimlich entsorgt zu werden, macht die Sache nicht besser“.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) teilte am Samstag mit, bei der Beschaffung von medizinischem Material „in der damaligen Notlage“ sei „strikt auf Qualität geachtet“ worden. Soweit bei Testverfahren die „Mangelhaftigkeit“ festgestellt worden sei, habe das Ministerium die Ware nicht abgenommen und nicht bezahlt.

„Bei der kostenlosen Verteilung bzw. Lieferung von Masken an Einrichtungen der Obdachlosen- und Eingliederungshilfe stand jederzeit der bestmögliche Schutz der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Vordergrund“, betonte das Ministerium außerdem. „Andere Erwägungen haben seitens des BMG keine Rolle gespielt.“

Für Hartz-IV-Bezieher seien Masken über die Apotheken verteilt worden. „Diese wurden von den Apotheken beschafft, Bestände des Bundes wurden hierzu nicht genutzt und dies war auch nicht geplant.“

Zur angeblich geplanten Vernichtung der Masken erklärte das Ressort, Entscheidungen über die Vernichtung von Warenbeständen habe die Bundesregierung nicht getroffen. „Insofern trifft die entsprechende Berichterstattung nicht zu, uns ist auch die Grundlage dieser Berichterstattung nicht bekannt.“