Merle, Lani, Angelina und Luise (von links) auf den Brettern, die die Welt bedeuten beim großen Familienfest in der Katharinenhöhe. Foto: Privat

Fünf Mädels entdecken ihre Liebe zur Musik und wagen den Sprung ins Rampenlicht.

Schönwald - Es ist der letzte Abend auf der Katharinenhöhe. Morgen heißt es Abschied nehmen. Tränen werden fließen, eine letzte Umarmung, ein Winken und dann geht es nach Hause. Fünf Mädchen sind besonders traurig. Sie heißen Merle, Angelina, Lani, Lana und Luise.

Die Jüngste ist 13 und die Älteste 17 Jahre alt. Sie kommen aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Sie haben Wochen und Monate, manchmal sogar Jahre, hinter sich, die an ihren Kräften gezehrt haben und sie hätten sich wohl nie kennengelernt, wenn ihr Leben anders verlaufen wäre. Wenn das Schicksal ihnen erspart hätte, was sie durchstehen mussten.

Zwei Mädchen haben Krebs, drei von ihnen haben Geschwister, die an Krebs erkrankt sind. Vier Wochen Reha auf der familienorientierten Krebsnachsorgeklinik Katharinenhöhe sind vorbei. Gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern haben sie neue Kräfte gesammelt, konnten loslassen, was sie bedrückt, sind physisch und psychisch stärker geworden. Und was diese fünf Mädchen nie für möglich gehalten hätten, ist einfach passiert. Sie haben eine ganz besondere Erfahrung gemacht, ein Erlebnis der besonderen Art, das sie nie vergessen werden.

Merle, Angelina, Lani, Lana und Luise werden vom ersten Tag an im "Club" der Katharinenhöhe betreut. Er ist der Treffpunkt für alle älteren Schüler und wird pädagogisch betreut.

Doch das Programm wird jeweils von der Gruppe mitbestimmt. Eigene Interessen und Erfahrungen einzubringen, wird stark gefördert. Gleich am Kennenlerntag sitzen sie beieinander, doch die Begeisterung füreinander hält sich in Grenzen.

Das sollte sich schnell ändern. Denn abends im "Club-Extra", ein nicht betreuter Raum für Club-Teilnehmer, der im Anschluss an die eigentlichen Öffnungszeiten zur Verfügung steht, läuft immer Musik. Irgendwann singen alle leise mit und das Erstauen ist groß. Sie können singen – alle fünf. Das gibt’s doch gar nicht! Angelina holt ihre Gitarre und spielt dazu. Bald sind diese fünf Mädels unzertrennlich. Sie singen, sie spielen, sie feiern den Geburtstag von Luise, sie werden ein Herz und eine Seele. Aileen, ihre Betreuerin, ist begeistert und spornt sie an. Schon nach sechs Tagen geben sie für die Eltern ein kleines Konzert.

Jetzt könnte die Story eigentlich zu Ende sein, wenn es nicht das große Familienfest gegeben hätte. "Ihr müsst dort auftreten", sagt ihre Betreuerin, "so viel Talent kann man nicht einfach so gehen lassen".

Fünf Mädchen überlegen nicht lange. "Das machen wir", sagen sie und üben noch einmal richtig. Das ist gar nicht so leicht, denn auch in der Katharinenhöhe beginnt die Schule, dann gibt es Therapien und Aktivitäten. "Wir hatten nicht viel Zeit, trotzdem haben wir jeden Tag mehrere Stunden geübt."

Arne Busch, Jugend- und Heimerzieher in der Katharinenhöhe, ist sehr musikalisch. Er nimmt die fünf Mädels beiseite und coacht sie. "Das war cool! Wir haben das richtige Atmen gelernt und ganz, ganz viele gute Tipps bekommen."

Und dann kommt der große Tag: Familienfest auf der Katharinenhöhe mit mehr als 5 000 Besuchern. Eine richtige Bühne. Es ist soweit. Sie werden angekündigt. Sie gehen hinauf, sie sind ganz aufgeregt. Sie nehmen ihre Mikrofone – zum ersten Mal in ihrem Leben. Angelina beginnt zu spielen und dann singen sie. Sie schauen sich an und die Angst ist weg. Sie sind nicht allein, sie geben sich gegenseitig Halt, Kraft und Sicherheit. Sie singen Songs von Elvis Presley, von "BAP", von den "Toten Hosen". "Zugabe, Zugabe", rufen die Gäste und fünf Mädels geben sie gerne. Eine halbe Stunde im Rampenlicht, auf den Brettern, die die Welt bedeuten. "Das war so schön, unsere Eltern waren so stolz. Wir werden das nie vergessen."

"Wir schaffen das"

Die Reha ist fast vorbei. Sie genießen die letzten Stunden des Zusammenseins und sie sind traurig. So gerne würden sie noch bleiben. Sie planen ein Wiedersehen. Spätestens in der Katharinenhöhe in zwei Jahren. Doch sie sind so stark geworden, selbstbewusst, zuversichtlich und fröhlich. Probleme in der Schule sehen sie alle, sie haben einfach viel versäumt. Ihr Motto nach vier Wochen Reha: "Wir schaffen das."

Egal, wieviel Hürden sie noch überwinden müssen, die Erinnerung an diese besondere Reha, diese besonderen Bilder, die vor ihrem inneren Auge immer abrufbereit sind, dieser Höhepunkt kann ihnen keiner nehmen, sie werden für immer bleiben.