Wie kann der Kapitalismus in seiner heutigen Form überwunden werden? Ein Gegenentwurf zu einer Wirtschaftsform, deren wesentliches Ziel die Gewinnmaximierung ist, kann die Gemeinwohlökonomie sein.
Sulz - Damit setzen sich die Teilnehmer einer Tagung der SPD-Arbeitsgruppe "Regio³" am Samstag, 4. September, in der Neckarwerkstatt Sulz auseinander.
Die vor einigen Jahren von den SPD-Ortsvereinen im Bereich Schwarzwald-Baar-Heuberg gegründete Arbeitsgruppe "Regio³" hat sich zunächst besonders für die internationale Zusammenarbeit entlang der Donau eingesetzt. Seit einem Jahr ist sie am Thema "Gemeinwohlökonomie" dran.
Dies sei keine spezielle Idee der SPD, erklärt Klaus Schätzle. Er verweist auf das Buch von Christian Felber, der eine gesellschaftlich und ökologisch funktionierende Wirtschaft einfordere und alle Beteiligten aufrufe, das Gemeinwohl zu fördern. Das gelte nicht nur für Unternehmen, sondern auch für kommunale und staatliche Organisationen oder Stiftungen.
Akutes Problem, für sozial Schwache Wohnraum zu finden
Schätzle legt beim Pressegespräch eine Liste mit zahlreichen Kriterien vor, an der sich Gemeinwohlbilanz messen lässt. Ganz oben steht das "ethische Beschaffungswesen". Fair gehandelte Waren sind ein Stichwort. Es geht um Solidarität und Gerechtigkeit in der Zulieferkette und hierbei auch um die ökologischen Aspekte der Produktion. Ähnlich wie bei der CO²-Bepreisung könnten Kostennachteile durch die Politik ausgeglichen werden. Auf lokaler Ebene solle mit örtlichen Banken eine gemeinwohlorientierte Zusammenarbeit, etwa bei der Anlage von Geldern, angestrebt werden. Arbeitsqualität, die Bedürfnisse der Angestellten am Arbeitsplatz, das ökologische Verhalten der Beschäftigten, Fahrten zum Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln und nicht zuletzt die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Firmenstrategie und Markteinschätzung spielen eine Rolle. Schätzle weiß, dass einige Punkte heikel sein können. "Wir haben uns im Arbeitskreis durchaus kritisch mit Gemeinwohlökonomie auseinandergesetzt", erklärt er.
Als Schätzle bei Nadja Keucher wegen eines Tagungsorts anfragte, habe sie gleich zugesagt. Die Neckarwerkstatt, in der Menschen mit Handicaps beschäftigt werden, hat geeignete Räume. Keucher hatte kurz vor Schätzles Anfrage einen Vortrag des Buchautors Christian Felber zum Thema gehört. Anknüpfungspunkte für die Neckarwerkstatt sieht sie durchaus, etwa bei der Entlohnung, der Gestaltung der Arbeitsplätze und der sozialen Begleitung. Zudem sei es ein akutes Problem, für sozial Schwache Wohnraum zu finden.
"Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht"
Bei der Tagung am 4. September dürfte es auch zu Kontroversen kommen. Grundlage der Diskussion werden zwei Referate pro und contra sein. Josef Nikus, Mitbegründer der "Denkwende Konstanz", will aufzeigen, warum die Gesellschaft auf Gemeinwohlökonomie umsteigen muss und auf welchen Ebenen das möglich ist. Den Kontrapart übernimmt Marius Jäger, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Universität Freiburg. "Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht", lautet sein Vortrag.
Beginn in der Neckarwerkstatt ist um 10.30 Uhr. Herbert O. Zinell, früherer Oberbürgermeister von Schramberg und ehemaliger Ministerialdirektor im Stuttgarter Innenministerium, moderiert die Veranstaltung. Nach der Mittagspause werden Arbeitsgruppen gebildet. Ab 14 Uhr soll wieder diskutiert und anschließend die Gruppenarbeit fortgesetzt werden. Nach den Berichten aus den Gruppen fasst der Moderator gegen 16.30 Uhr die Ergebnisse zusammen.
Dann, so Schätzle, werde man sehen, ob sich die Teilnehmer auf eine Handlungsanleitung einigen und welche Botschaften sie mit nach Hause nehmen. Die Tagung ist offen für alle Interessierten. Anmeldung per E-Mail an klaus.schaetzle@t-online.de.