Saskia Esken gerät in ihrem eigenen Wahlkreis zunehmend unter Druck. (Archivbild) Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Revolte gegen SPD-Parteichefin Saskia Esken in ihrem eigenen Wahlkreis ist noch nicht vorbei. Denn neben Kreisrat Gerhard Gaiser fordern nun weitere sozialdemokratische Lokalpolitiker den Rücktritt Eskens. Und selbst beim Kreisvorsitzenden Marius Thoy hält sich die Begeisterung für Esken offenbar in Grenzen.

Wie viel Unterstützung hat SPD-Parteichefin Saskia Esken noch unter den Genossen in ihrem eigenen Wahlkreis? Diese Frage stellt sich, nachdem in der vergangenen Woche die beiden SPD-Urgesteine Manfred Stehle und Gerhard Gaiser den sofortigen Rücktritt Eskens gefordert hatten.

 

Und offenbar stehen beide mit ihrer Forderung nicht alleine da. Denn wie Kurt Kirschenmann, Ortsvereinsvorsitzender in Pfalzgrafenweiler, auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt, fordert auch er den Rücktritt Eskens.

Von der Idee, erstmal die Koalitionsverhandlungen abzuwarten, hält er nichts: „Ich finde, auch die Koalitionsverhandlungen sollten von frischem Personal mit neuen Ideen durchgeführt werden.“

Pleite mit Olaf Scholz

Ähnlich wie Gaiser findet Kirschenmann, dass es ein Fehler war, dass die SPD nicht mit Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf gezogen ist. „Ich habe zu Saskia Esken vor der Kandidatenauswahl gesagt, dass wir mit Olaf Scholz eine Pleite bekommen.“

Allerdings richtet sich Kirschenmanns Kritik offenbar nur gegen Esken, nicht aber gegen den Co-Parteichef Lars Klingbeil. „Ich könnte mir vorstellen, dass Herr Klingbeil weitermacht, weil er doch einer ist, der die nächst jüngere Generation vertritt.“

Ganz ähnlich sieht es Günter Braun, ehemaliger SPD-Stadtrat in Freudenstadt. „Ich habe Gerhard Gaiser meine volle Unterstützung zugesagt. Wir ziehen an einem Strang.“ Auch er bestätigt, dass er Esken zum Rücktritt auffordert, nimmt aber ebenfalls explizit Klingbeil von dieser Forderung aus.

Allerdings bekam Esken jüngst auch Unterstützung aus dem Wahlkreis. In einer Pressemitteilung schrieb die lokale SPD am Montag: „Die Kreisvorsitzenden Marius Thoy und Melanie Nagel für Freudenstadt und Daniela Steinrode und David Mogler für Calw bekräftigen ihre Unterstützung der Parteivorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Saskia Esken.“

„In der jetzigen Situation“

Weiter heißt es in der Mitteilung: Beide Kreisverbände weisen die Forderungen nach einer sofortigen personellen Veränderung der Parteispitze zurück. In der jetzigen Situation benötigt die SPD ein erfahrenes und gut eingespieltes Führungsteam, um die jetzt anstehenden Gespräche mit der Union zu führen.“

Dabei fällt schnell auf, was in der Mitteilung nicht steht: Nämlich ob die Kreisvorsitzenden auch nach den Koalitionsverhandlungen hinter Esken stehen. Und tatsächlich: Auf Nachfrage unserer Redaktion ist dem Kreisvorsitzenden Marius Thoy kein felsenfestes Bekenntnis zu Esken über die Koalitionsverhandlungen hinaus zu entlocken.

Kreisvorsitzender Marius Thoy spricht sich ebenfalls für eine Erneuerung der SPD aus. (Archivbild) Foto: Beyer

Ganz im Gegenteil: „Wir sind natürlich für die Erneuerung der SPD“, meint Thoy. Jetzt, in den Koalitionsverhandlungen komme aber erstmal das Land vor der Partei. „Wenn das erledigt ist, kann man erstmal ergebnisoffen diskutieren, wie sich die Partei erneuern soll.“

Eine Gelegenheit dazu dürfte es geben. Denn bereits am Montag hatte der Tagesspiegel berichtet, dass der nächste Bundesparteitag und damit auch die Wahl der Parteichefs auf Juni vorgezogen wird.

„Ich denke die Idee mit dem Parteitag im Juni ist, wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, dass man dann in eine Debatte und Diskussion einsteigt, wie man sich neu aufstellt.“ Diese Entwicklung würde er auch begrüßen, bestätigt Thoy.

Gaiser will nicht warten

Gerhard Gaiser indes findet nicht, dass die SPD bis zum Parteitag warten sollte. „Ich erwarte, dass Saskia Esken nicht erst auf einem Parteitag im Juni zurücktritt, sondern bereits im Vorfeld ihren Rücktritt erklärt“, meint Gaiser. Und er ist sich sicher: „Diese Auffassung wird von einem Großteil der SPD-Mitglieder als auch von der Bevölkerung so geteilt.“

Gaiser berichtet, dass sich nach seiner öffentlichen Rücktrittsforderung rund 80 Leute bei ihm gemeldet hätten – rund zwei Drittel davon SPD-Mitglieder. „Bis auf eine Rückmeldung waren wirklich alle positiv“, berichtet Gaiser. Namen will er keine nennen. Es seien aber SPD-Abgeordnete, Kulturschaffende und mittelständische Unternehmer aus ganz Baden-Württemberg unter den Anrufern gewesen.