Die Menschenkette harrt in dichtem Schneetreiben in der Oberen Hauptstraße aus Foto: Graner

In der Oberen Hauptstraße eine Menschenkette und der Friedensong "Imagine" von John Lennon, unten am Hauptstraßenkreuz Spaziergänger und Sprechgesänge: Zu einer direkten Konfrontation zwischen Corona-Protestlern und Gegenaktion kommt es am Montagabend in Rottweil nicht. Es sind weniger Teilnehmer als zuletzt.

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Rottweil - Bei dichtem Schneetreiben herrschte in der Innenstadt Rottweils am Montagabend wieder Ausnahmezustand – allerdings weitaus weniger aufgeheizt als zuletzt. Die Polizei, die mit großem Aufgebot vor Ort war, zählte rund 1100 Spaziergänger, 300 Teilnehmer bei der Menschenkette und zehn Klepfer, die sich lautstark mit der Menschenkette solidarisierten.

Die Devise: Nicht provozieren lassen

Ansonsten blieb es zunächst bei leisen Klängen. John Lennons "Imagine", eine Hymne der Friedensbewegung, stimmte die Teilnehmer der Menschenkette auf den Abend bei Kälte und Schnee ein. Mitorganisator Peter Bruker, der auch Oberbürgermeister Ralf Broß begrüßte, gab am Mikrofon die Losung aus: "Wir lassen uns nicht provozieren." Er bat darum, sich nicht wie vergangene Woche unten am Hauptstraßenkreuz zu sammeln, wo es dann womöglich zu Konfrontationen mit den Spaziergänger kommt. Und in der Tat blieben die Gruppen diesmal komplett getrennt.

Um 18 Uhr formierten sich die Spaziergänger zunächst am Friedrichsplatz und in der Hochbrücktorstraße, um dann den Weg um die abgesperrte Obere Hauptstraße herum für ihren Corona-Protestzug anzutreten – unter den Augen zahlreicher Polizisten, die schon ab dem Nachmittag mit mehreren Mannschaftstransportwagen in der Stadt präsent waren. Der Parkplatz am Nägelesgraben war gegen Spätnachmittag abgesperrt, um im Ernstfall Platz für Einsatzfahrzeuge zu haben. Ein Antikonfliktteam der Polizei war ebenfalls an der "Schnittstelle" am Hauptstraßenkreuz positioniert.

Gedenken an Coronatote

Man habe die Obere Hauptstraße zurückgewonnen, und wolle diese auch behalten, erklärte Peter Bruker, bevor die Menschenkette schweigend der 242 Coronatoten im Kreis Rottweil gedachte. Als kleines kulturelles Begleitprogramm erklang "Die Ode an die Freude" mit Patrick Mink am Cello, Anne Hecht trug Gedichte vor und mehrere Bürger wandten sich am Mikro an die Teilnehmer.

Die Corona-Gegner seien eben nicht "das Volk", wurde betont. Wer die Spaziergänge unterstütze, mache sich mit rechtem Gedankengut gemein. Es sei höchste Zeit, dass die demokratische Mitte sichtbar werde. Eine Bürgerin dankte ausdrücklich dem Pflegepersonal, das in der Corona-Pandemie Unglaubliches leiste. "Ich verneige mich vor diesen Menschen". Benjamin Albrecht vom Vorstand des Stadtjugendrings, der wie etliche andere Gruppierungen zur Teilnahme aufgerufen hatte, gab ebenfalls ein Statement ab.

Die Organisatoren der Menschenkette kamen außerdem einem Wunsch nach und riefen dazu auf, der beiden am Montag erschossenen Polizisten in Rheinland-Pfalz zu gedenken.

Polizei verstärkt Kräfte

Kurz vor 19 Uhr versammelten sich die Spaziergänger dann erneut am Hauptstraßenkreuz und es kam zu einem lauten Pfeif- und Klatschkonzert sowie zu Sprechgesängen. Die Polizei verstärkte die Kräfte an der Absperrung zur Oberen Hauptstraße hin. Der Verkehr stockte teilweise. Pfiffe der Spaziergänger von unten und Lieder aus der Oberen Hauptstraße wechselten sich ab.

Wirbel gab es um ein Transparent der Gegendemo. Die Polizei forderte von den jungen Leuten, das Plakat "Nazis raus - Maske rauf", das am unteren Ende der Menschenkette in RIchtung Spaziergänger gezeigt wurde, einzurollen. Mitorganisatorin Elke Reichenbach vermittelte nach einiger Diskussion.  Ihr Mitstreiter Peter Bruker zeigt auf Nachfrage unserer Redaktion kein Verständnis für die Forderung der Polizei. "Ich denke, dieses Plakat ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Nazis raus - das muss man sagen dürfen." Die jungen Leute hätten sich an  alle Vorschriften - inklusive Maskenpflicht - gehalten, im Gegensatz zu den Spaziergängern.

"Es gab keine besonderen Vorkommnisse", bilanzierte letztlich Polizeisprecher Uwe Vincon  gegen 19.30 Uhr. Von mehreren Personen seien die Personalien wegen des Verstoßes gegen die Maskenpflicht aufgenommen worden. Gegen 19.20 Uhr löste sich die beiden Versammlungen langsam auf – man ging auch da getrennte Wege.