Nils Schulz zeigt das Goldene Buch der einst selbstständigen Stadt Ebingen. Foto: Katja Weiger-Schick

Im Vorfeld der „Nacht der Bibliotheken“ hat Stadtarchivar Nils Schulz die Türen seines Hauses geöffnet und zu einer Zeitreise durch die Stadtgeschichte eingeladen.

Das ehrwürdige „Goldene Buch“ Ebingens hat einen schicken Einband. Aber der ist nicht etwa golden, wie man annehmen würde, sondern weiß.

 

Das ist nur eines der Geheimnisse, die Stadtarchivar Nils Schulz preisgibt, wenn er Besuchergruppen durch seine heiligen Hallen führt. Albstadt wird in diesem Jahr bekanntlich 50 Jahre alt; Schulz hat aus diesem besonderen Anlass eine stattliche Gästeschar auf eine Zeitreise mitgenommen – und zwar durch etwas mehr als 50 Jahre. Die Tour beginnt 1375 – aus diesem Jahr stammt die älteste Urkunde im Stadtarchiv.

Das Stadtarchiv hat seine Schatztruhe geöffnet. Foto: Weiger-Schick

Nils Schulz hat sich für diesen Abend passend eingekleidet; auf dem Rücken seines Stadtarchiv-Shirts steht „The Boss“. Er ist ein sehr nahbarer Boss, versichert: „Wir sind ansprechbar. Jederzeit.“ Wobei 30 Prozent aller Anfragen aus dem eigenen Haus, also aus der Stadtverwaltung kommen.

Geburtstagszeitungen sind heiß begehrt

In der „Nacht der Bibliotheken“ hält das Archiv einen besonderen Service bereit: die „Geburtstagszeitung“. Wer will, erhält ein Exemplar der Zeitung, die am Tag seiner Geburt erschien. Bei einem Herrn lag damals, Ende März und kurz vor Ostern, tiefer Schnee: „Meine Eltern kamen kaum bis zur Klinik, das haben sie mir oft erzählt.“ Eine andere Besucherin entnimmt ihrer Geburtstagszeitung, dass damals „Rock Your Baby“ von George McCrae an der Spitze der deutschen Singlecharts lag: „War später in der Tanzstunde bei Horst Walter in der Sonnenstraße ein echter Klassiker.“

Gespannt lauschten die Zuhörerinnen den Berichten der Team-Mitglieder im Stadtarchiv. Foto: Weiger-Schick

Mit behandschuhten Händen – Vorsicht muss sein! – präsentiert Schulz besondere Fundstücke – beispielsweise eine Broschüre, entstanden nach dem verheerenden Erdbeben im September 1978, historische Schul-Zeugnisse oder alte Ansichten der Stadtteile. Die Besucher schwelgen in Erinnerungen.

Als Schalke 04 gegen den FV 07 spielte

Dann kommt das „Goldene Buch“ zum Vorschein, das nicht golden ist, und die Erinnerung an ein geschichtsträchtiges Fußballspiel wird wach: Zur Einweihung des Albstadions im Juli 1965 waren die „Knappen“ in Ebingen zu Gast: Schalke 04 trat in der nagelneuen Arena gegen den heimischen FV 07 an – und hinterließ nicht nur auf dem rasen Spuren, sondern auch auf dem Papier. Gut lesbar ist auch die Unterschrift von Hans Hoss, offenbar Zaungast auf der Tribüne. Er spielt in den Jubiläumstagen eine besondere Rolle; schließlich waren er und Horst Kiesecker, der damalige Tailfinger Bürgermeister, die „Gründerväter“ Albstadts. Die Unterlagen sind jederzeit einsehbar.

Digitalisierung ist ein Riesen-Aufwand

Doch was darf, was muss, überhaupt ins Archiv? Selbst das längste Regal wird irgendwann zu kurz für die Fülle des Materials! Was also besitzt die Relevanz, was ist für spätere Generationen von Interesse? Nach welchen Kriterien wird entschieden, wenn etwa ein üppiger Nachlass oder ein voluminöses Aktenkonvolut angeboten wird? „Wir müssen gut vorplanen“, sagt Nils Schulz, „und heute schon überlegen, was in zehn, 20 oder 30 Jahren noch wichtig sein könnte.“ „Preservation planning“ heißt das im Fachjargon und fällt nicht immer leicht. Manchmal muss der Zufall entscheiden: „Aus einer riesigen und ziemlich homogenen Masse nehmen wir nur jedes fünfte oder zehnte Stück auf. Ganz einfach.“

Papier dominiert nach wie vor

Trotz aller Digitalisierung, lagert immer noch hauptsächlich Papier im Stadtarchiv, und das, berichtet Schulz, hat natürliche Feinde: Wasser, Insekten, Schimmel, UV-Licht und Feuer. Kaputte Seiten müssen restauriert werden, und das kostet Zeit und Geld. Allein deshalb, so Schulz, sei es notwendig, Daten und Archivalien zu digitalisieren, wobei man auch damit irgendwann an Kapazitätsgrenzen stößt.

Wichtig ist auch der Riecher für das bestgeeignete Dateiformat. Langlebig muss es sein: „Sonst geraten wir irgendwann einmal in die Verlegenheit, dass wir unser eigenes Material nicht mehr öffnen können.“