Der Chef mehrerer Firmen im Pflegebereich steht vor Gericht – und ist sich keiner Schuld bewusst Foto: dpa

Der Geschäftsführer mehrerer Unternehmen in der Pflegebranche steht seit Freitag unter anderem wegen der Unterschlagung von Sozialversicherungsbeiträgen vor dem Landgericht Stuttgart. Er beteuert seine Unschuld.

Stuttgart - Er sei sich keiner Schuld bewusst gewesen, beteuert der 47-jährige Angeklagte gebetsmühlenartig. Warum sich der Geschäftsführer mehrerer Unternehmen in der Pflegebranche seit Freitag der Unterschlagung von Sozialversicherungsbeiträgen, des unrechtmäßigen Lohnsplittings von Beschäftigten und der Insolvenzverschleppung verantworten muss, will der Geschäftsmann nicht so recht verstehen. Die 11. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart sieht die Sache dafür umso klarer.

 

„Also, wir haben etwa 100 Zeugen, die wir befragen könnten. Die Staatsanwaltschaft hat signalisiert, dass sie nach ihrem derzeitigen Erkenntnisstand nicht für eine Bewährungsstrafe plädieren wird, wenn Sie die Forderungen ihrer Gläubiger nicht anerkennen. Es liegt an Ihnen“, sagt Vorsitzender Richter Roderich Martis.

In 289 Fällen soll der Angeklagte von 2008 bis 2012 Sozialversicherungsbeträge unterschlagen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann aus Reutlingen vor, mindestens 20 seiner Mitarbeiter, die in der ambulanten Pflege tätig waren, in zwei unterschiedlichen Firmen angemeldet zu haben, um so Abgaben zu sparen.

Verhandlungspause: Der Verteidiger des Mannes auf der Anklagebank redet vor der Tür des Gerichtsgebäudes auf ihn ein. Wieder im Saal: Der Angeklagte widerspricht erneut den Tatvorwürfen, die angeblichen Verbindlichkeiten würden nur zum Teil zutreffen. Vor allem ärgert er sich, dass manche Krankenversicherungen signalisiert hätten, zunächst zu Gesprächen über Ratenzahlungen bereit zu sein – und sich dann den anderen angeschlossen hätten, den Rechtsweg zu beschreiten. „Man muss die eigene Freiheit nicht überbewerten“, kommentiert das Richter Martis und fügt um 10.30 Uhr hinzu: „Jetzt verdunkelt sich sogar die Sonne.“ Durch die Sonnenfinsternis wird es im Gerichtssaal etwas düster.

Ungeachtet dessen erzählt der mutmaßliche Täter, dass es in der Branche üblich sei, Freiberufler für die Auftragsspitzen zu beauftragen. Warum ein großer Teil der angeblichen Freiberufler dann aber nur von den Firmen des Angeklagten beauftragt gewesen sei, was den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit erfülle, fragt die Staatsanwaltschaft.

Mit solchen Dingen kenne sich der Angeklagte ohnehin nicht gut aus, erklärt der gelernte Krankenpfleger, Einblick in die Buchhaltung habe er kaum gehabt. Er hält ein Gerichtsurteil hoch: „Zwei meiner Mitarbeiter haben mich bestohlen, und ich habe Recht bekommen“, sagt er. Bleibt aus seiner Sicht nur zu hoffen, dass der Verdacht der Staatsanwaltschaft mit der Vernehmung der Zeugen nicht erhärtet wird. Die Verhandlung wird am 27. März fortgesetzt.