Irgendwann starrte er zu Hause nur noch die Wände an.... Was tun gegen Einsamkeit, die nicht nur ältere Menschen trifft, vor allem im Advent und an den Feiertagen? Einzelne Veranstaltungen am 24. Dezember sollen dabei helfen, dass Menschen in Kontakt kommen, nicht nur zur Weihnachtszeit.
Einsamkeit, Armut, Depression: Immer mehr Menschen auch in der Doppelstadt ist sicherlich nicht zum Feiern zumute, wenn sie an die bevorstehenden Festtage denken.
Einer, der diese Entwicklung schon länger beobachtet, ist Michael Stöffelmaier, Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbands Schwarzwald-Baar.
Schon seit vielen Jahren bietet der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche mit ehrenamtlichen Helfern an Heiligabend ein gemeinsames Essen an, mit Bescherung, in festlichem Ambiente. Denn diejenigen, die an diesem Abend abgeholt und wieder heimgebracht werden, sind entweder alleine, ohne Angehörige oder schlichtweg „zu arm, um ein Weihnachtsfest ausrichten zu können“, bemerkt Stöffelmaier im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.
Seit dem Ruhestand einsam
Die Nachfrage hat in den letzten Jahren zugenommen. Haben sich anfangs zwischen 30 und 40 Personen an die festlich gedeckten Tische gesetzt, „sind wir mittlerweile bei 75“, entnimmt Stöffelmaier der Liste.
Was auch Folgen für den Ort der Ausrichtung hatte: Von den Räumen der Caritas-Tagespflege geht es 2023 zum ersten Mal in das Fidelisheim. „Die Armut steigt, die Einsamkeit auch.“ Bewegt hat ihn das Schicksal einer ehemaligen Professorin. Über Jahrzehnte habe sie Menschen um sich herum gehabt. Seit ihrem Ruhestand sei sie jedoch immer einsamer geworden. Eine berührende Geschichte von vielen. Noch sind ein paar Anmeldungen für die Feier möglich, unter 07721/9 21 83 11.
Zu wenig Personal
Wie sieht es mit einem entsprechenden Angebot in Schwenningen aus? Wie Michael Stöffelmaier sieht auch Pfarrer Klaus Gölz von der evangelischen Kirchengemeinde Schwenningen eine Zunahme an bedürftigen und auch vereinsamten Menschen.
Ein Angebot für die Feiertage gebe es jedoch nicht, vor allem, weil „wir unterbesetzt sind, denn der Personalmangel trifft auch uns“. Wenn die Kapazitäten wieder ausreichen würden, könnte sich Gölz durchaus vorstellen, in den kommenden Jahren etwas Ähnliches wie die Caritas zu organisieren.
Kein Problem der Älteren
Daniel Hügel hat seine ganz eigenen Erfahrungen gesammelt, wenn es darum geht, was Einsamkeit aus Menschen machen kann. In seinem privaten Umfeld. Bei einem Bekannten, in seinem Alter, beruflich eingespannt. Dem Mittdreißiger habe das lleinsein schwer zu schaffen gemacht, Depressionen waren die Folge: „Er hatte viele Kontakte, aber keine Freunde“, zeichnet Hügel ein klares Bild: „Zum Schluss hat er nur noch die Wand angestarrt und geweint“, berichtet er. „Die Einsamkeit ist ein gesellschaftliches Problem, das auch junge Menschen trifft, das ist vielen gar nicht so bewusst.“
Seit Jahren engagiert er sich in einer Freikirche in Schwenningen. Zum ersten Mal soll es an Heiligabend ein Festessen geben, mit Gottesdienst, Programm und dem Ziel, „dass einsame Menschen zusammenkommen und Kontakte aufbauen“. Hügel bekräftigt, dass jeder am 24. Dezember in das „Chrystal Forum“ kommen könne. Auch Menschen, die nicht unbedingt etwas mit Religion oder einer evangelischen Freikirche am Hut haben?
„Willkommen ist bei uns jeder.“ Anmeldung über daniel.huegel@crystalforum.de.
Selbst Busticket oft zu teuer
Egal, wo der Schwarzwälder Bote in der beginnenden Adventszeit anruft, die Reaktionen ähneln sich. Was unlängst das Bundesfamilienministerium in eine Stellungnahme gepackt hat, das können Wohlfahrtsverbände wie das Diakonische Werk Schwarzwald Baar, der Caritas-Kreisverband wie auch die Kirchen unterschreiben.
Die Einsamkeit habe zugenommen und zwar in allen Altersgruppen. Einsamkeit ist vor dem Fest zu einer großen Belastung für viele Menschen geworden. Eine Entwicklung, die nach den Corona-Beschränkungen noch deutlich an Dynamik zugelegt habe. Über die Feiertage hat die Diakonie zwar nichts vorgesehen, dafür gebe es das ganze Jahr über regelmäßige Angebote.
Elke Armbruster, Geschäftsführerin der Diakonie im Schwarzwald-Baar-Kreis, weiß, dass der Bedarf an Angeboten wie der „Mahlzeit“ oder anderen Begegnungsmöglichkeiten für Leute mit geringem Einkommen oder Alleinstehende deutlich zugenommen hat. Bedürftigkeit und damit einhergehend Vereinsamung seien schon lange kein Problem größerer Städte mehr, sondern treffe auch im Kreis immer mehr Menschen, aufgrund der gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel. Nicht wenige, erzählt Armbruster von ihren Erfahrungen, können sich kaum noch einen Café-Besuch leisten „und manchmal nicht einmal mehr eine Busfahrkarte in den Goldenbühl“, wo die monatliche „Mahlzeit“ angeboten wird. „Selbst das ist zum Luxus geworden.“
Ohne Spenden, meist von Privatleuten, könnte das Hilfsangebot kaum noch aufrechterhalten werden. Infos zu den Angeboten unter www.diakonie-sbk.de
Einfach nur telefonieren
Ulrike Traub kennt das belastende Gefühl des Alleinseins. „Viele gehen schon gar nicht mehr weg, weil sie es nicht verkraften, dann doch wieder in ein leeres Haus oder eine leere Wohnung zu kommen“, berichtet die Sozialpädagogin und Supervisorin, die in Singen einen (und den von VS aus nächsten) telefonischen Besuchsdienst unter dem Dach des Dekanats Hegau führt, unterstützt von einigen Ehrenamtlichen.
An Weihnachten werde das Gefühl des Verlorenseins um so erdrückender. Wer die Singener Telefonnummer 07731/5 13 95 wählt, (nach Anmeldung und ein paar Tagen Vorlauf) will einfach nur „mit jemandem reden“. Meistens reiche es dann den Betroffenen, „die restliche Woche zu schaffen“.