Spiel gegen Israel als Notfallübung - Wettlauf mit der Zeit bis zum ersten Turnierspiel gegen Portugal.

Leipzig/Tourrettes - Die EM-Generalprobe wird plötzlich zu einer Notfallübung. Die Wadenverletzung von Bastian Schweinsteiger verhindert nicht nur den Einsatz des Mittelfeldchefs beim letzten Turnier-Testlauf der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an diesem Donnerstag (20.30 Uhr/ARD) in Leipzig gegen Israel. Die Blessur sei „ernst“, verriet Kapitän Philipp Lahm am Mittwoch vor der Abreise des DFB-Trosses aus dem Trainingslager in Südfrankreich, ein Wettlauf mit der Zeit bis zum ersten Turnierspiel gegen Portugal hat begonnen.

 

„Natürlich würde ein Ausfall von Bastian schmerzen“, sagte Lahm. Allerdings äußerte der Kapitän wie Teammanager Oliver Bierhoff die Hoffnung, dass Schweinsteiger bis zum Start der Titelmission „fit“ wird. „Der 9. Juni ist der Zeitpunkt, der für uns zählt“, erklärte Bierhoff. Er versuchte zu beruhigen: „Wir sind guter Dinge.“

Alle Akteure bis auf Schweinsteiger dabei

Bis auf Schweinsteiger waren bei der letzten Übungseinheit in Südfrankreich alle 22 Akteure dabei. Wenige Stunden vor der Abreise nach Leipzig ging es energisch zur Sache. Holger Badstuber reagierte unwirsch nach einer Grätsche seines Bayern-Kollegen Thomas Müller. „Dass es im Training mal zur Sache geht, ist ganz normal“, meinte Lahm. Löw forderte immer wieder lautstark „Tempo“ in den Aktionen.

Auch in der Leipziger Arena soll es zur Sache gehen. Nach dem 3:5-Unfall gegen die Schweiz muss gegen Sparringspartner Israel bei den Fans wieder EM-Vorfreude entfacht werden. „Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft vor eigenem Publikum nochmal einen starken Auftritt zeigt“, sagte Bierhoff. „Man darf von solchen Tests nicht zu viel erwarten, aber natürlich wollen wir gewinnen, ein gutes Spiel abliefern und uns Selbstvertrauen fürs Turnier holen“, ergänzte Lahm.

Zweifel an der mentalen Verfassung der acht Münchner Champions-League-Final-Verlierer versuchte der Kapitän zu zerstreuen: „Wir vom FC Bayern sind heiß darauf, hier erfolgreich Fußball zu spielen. Wir haben weiter hohe Ziele.“ Die Münchner werden mit Torwart Neuer, Boateng, Lahm, Kroos, Müller und Gomez vermutlich die halbe Startelf stellen. „Die Bayern sind gut drauf“, sagte Löw nach den letzten Trainingseindrücken. Vor allem Neuer hielt glänzend.

Alles ist auf Portugal ausgerichtet

Die Zielsetzung „Finale“ hat Löw eine gute Woche vor EM-Beginn öffentlich auf den Index gesetzt. Alles sei nur noch „ausgerichtet“ auf das erste Spiel und den ersten Gegner: Portugal. Lahm folgte der Vorgabe. „Dass wir eine Top-Mannschaft haben, die viel erreichen kann, ist klar. Aber wir sind immer gut damit gefahren, von Spiel zu Spiel zu denken. Wir können nicht ans Viertelfinale denken, nicht ans Halbfinale, nicht ans Finale“, sagte der Team-Anführer.

Auch Teammanager Bierhoff will den Spielern „einbläuen, dass man mit dem ersten Schritt anfangen muss“ und nicht „hochnäsig auftreten“ dürfe. Trotzdem wich der Manager kurz von Löws Doktrin ab, als er über die Güteklasse des Teams 2012 sprach: „Seit ich dabei bin, habe ich keine Mannschaft dieser Stärke gesehen. Wir sind weiter als 2010. Aber man muss die Fakten schaffen.“ Heißt übersetzt, nach 16 Jahren endlich wieder den EM-Pokal nach Deutschland zu holen!

Ein lockeres Warmschießen gegen den Weltranglisten-58. erwartet Löw nicht: „Israel ist ein hartnäckiger Gegner.“ Der Bundestrainer hofft, beim letzten Test einige Baustellen schließen zu können. So müssten etwa nach dem Schweiz-Spiel „einige Dinge in der Abwehr korrigiert werden“. Die Innenverteidiger Mertesacker und Hummels werden diesmal flankiert von Jérome Boateng (rechts) und Lahm (links). „Ich weiß, dass ich auf beiden Seiten absolutes Top-Niveau habe“, sagte Lahm angesprochen auf seine persönliche Seitenwahl.

Kroos an der Seite Khediras

Die Ungewissheit um Schweinsteiger, der auch am Mittwoch nur auf dem Fahrrad-Ergometer strampeln konnte, zwingt Löw zum Test mit Toni Kroos an der Seite des im defensiven Mittelfeld gesetzten Sami Khedira. Lahm verwies darauf, dass der Kader „auch in der Breite Qualität hat“, um Ausfälle kompensieren zu können. „Bastian erhält Sondertraining. Wichtig ist das erste EM-Spiel“, meinte Bierhoff. Wenn man bei Schweinsteiger Bedenken hätte, „dass es sich durch das Turnier ziehen könnte, hätten die Trainer anders nominiert“.

Auch wenn einige Schlüsselspieler extrem wichtig sind, soll der Teamgeist wieder ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Bierhoff verteilte Glücksbänder an die Spieler auf denen Trikotnummer, Initialen, das DFB-Logo und die drei Weltmeistersterne eingraviert sind. „Die Bänder sollen den Glauben wecken. Es geht nur gemeinsam“, bemerkte Lahm.

Der Kapitän wird neben den in Polen geborenen Nationalspielern Lukas Podolski und Miroslav Klose einer DFB-Delegation um den Verbandspräsidenten Wolfgang Niersbach, Bierhoff und Löw angehören, die am Freitag die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchen wird. „Wir wollen ein Symbol geben. Auch wenn wir nicht die Generation sind, die verantwortlich ist, wollen wir zeigen, dass wir unsere Geschichte kennen und dafür Verantwortung übernehmen“, sagte Lahm.