Gefragter Mann: Robert Marijanovic (rechts) am Sport1-Mikro zusammen mit Sascha Bandermann Foto: PDC-Europe/Stefan Strassenburg Foto: Schwarzwälder Bote

Darts: Freudenstadts WM-Teilnehmer Robert Marijanovic ist jetzt auch TV-Experte bei Sport1

Er ist eines der Gesichter des deutschen Darts: Robert Marijanovic. Vor zwei Monaten nahm der 38-jährige Freudenstädter zum dritten Mal nach 2013 und 2015 an der Weltmeisterschaft im berühmten Londoner Ally Pally teil. Inzwischen ist "Robstar" allerdings nicht nur vor dem Board, sondern auch auf dem Bildschirm zu sehen: Seit einem Jahr veröffentlicht Marijanovic auf seinem Youtube-Kanal "RobStar180" Videos mit Tipps für andere Spieler, zudem gab es vergangene Woche seine Premiere als TV-Experte bei Sport1.

Herr Marijanovic, Sie haben nach Ihrem Erstrunden-Aus bei der Darts-WM gesagt, dass Ihnen noch die Worte fehlen. Wie sieht es zwei Monate später aus?

Ich habe es ehrlich gesagt noch nicht ganz verdaut, weil ich in Führung lag und das eigentlich über die Runden hätte bringen müssen. Aber das ist eben Darts. Da gewinnt nicht der, der führt, sondern der, der als Letzter ausmacht.

Sie hatten bei der WM einen Blickwinkel, den nicht viele haben – den von der Bühne aus. Wie würden Sie die Faszination Ally Pally beschreiben?

Es ist jedes Mal überwältigend, eine ganz, ganz spezielle Stimmung. Ich habe schon bei verschiedenen Turnieren mitgespielt, auf Bühnen vor tausenden Zuschauern, aber im Ally Pally – das ist auf jeden Fall etwas ganz Besonderes für jeden Dartsspieler. Man ist so hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Mega-Nervosität.

Was überwiegt bei Ihnen?

Die Begeisterung.

Welche Ihrer drei WM-Teilnahmen war die schönste?

Ich glaube, die erste war die schönste, weil es einfach das erste Mal war. Die Teilnahme war für mich damals vollkommen überraschend. Damit ging ein Jugendtraum in Erfüllung. Vom Gefühl her war das für mich die spannendste und aufregendste WM. Die beste WM war natürlich die zweite, weil ich da ein Vorrundenspiel gewonnen habe. Als Sieger von der Bühne herunterzugehen, ist unbezahlbar.

Sie sind jetzt bei Ihrer dritten WM-Teilnahme zum ersten Mal unter deutscher Flagge angetreten und nicht mehr unter kroatischer. Warum?

Dass ich in den ersten Jahren bei der PDC für Kroatien gespielt habe, ist mehr oder weniger durch Zufall entstanden. Ich habe ja die doppelte Staatsbürgerschaft. Weil ich für den deutschen Qualifier damals keine Zeit hatte, habe ich mich über den kroatischen qualifiziert. Das ist ein paar Jahre so geblieben, weil ich danach auch gleich zum World Cup of Darts eingeladen wurde, bei dem immer die zwei Besten jeder Nation im Doppel spielen. Jetzt für Deutschland starten, war eine ganz bewusste Entscheidung. Ich bin in Deutschland geboren, in Freudenstadt, bin hier aufgewachsen. Das ist mein Zuhause. Ich fühle mich deutsch. Das war auch schon immer so. Ich habe mich sehr wohl dabei gefühlt, für Deutschland bei der WM anzutreten. Es war die richtige Entscheidung. Ich muss aber sagen: Darts ist ja nicht so nationen-bezogen. Wenn wir in Deutschland große Turniere haben wie zum Beispiel in Sindelfingen, dann feiern die deutschen Zuschauer Holländer und Engländer genau wie deutsche Spieler an. Der Mensch zählt mehr als die Nation.

Gut zu Ihrem Nationen-Wechsel passt in jedem Fall Ihr aktuelles Einlauflied "Looking for Freedom" von David Hasselhoff. Der ist der Überzeugung, dass dieser Song geholfen hat, die Berliner Mauer zum Einsturz zu bringen. Warum haben Sie sich dieses Lied ausgesucht?

Das war auch eher ein Zufall. Ich wollte ein neues Lied haben und saß vor einem Turnier mit einem Kollegen zusammen. Die Veranstalter haben mich gefragt: Einlauflied wie immer? Mein Kollege meinte dann: Nimm doch mal "Looking for Freedom". Das ist gut, das macht Stimmung, das hat keiner. In dem Moment hielt ich das für eine gute Idee und finde es immer noch super. Und natürlich: David Hasselhoff hat mit diesem Lied seinen Beitrag zum Mauerfall geleistet. Das ist ja unbestritten (lacht). Ich glaube aber, dass tatsächlich viele Menschen dieses Lied mit dem Mauerfall verbinden. Und gerade der Mauerfall ist eines der eindrucksvollsten Dinge in der Geschichte, für mich zumindest als Kind der 80er-Jahre. Von daher passt es auch, dass ich jetzt für Deutschland spiele.

Als die Mauer fiel, waren sie neun Jahre alt. Haben Sie da schon Darts gespielt?

Nein, noch nicht.

Wann haben Sie denn angefangen?

1992. Meine Eltern hatten früher in Freudenstadt eine Gaststätte mit einem Darts-Automaten. Als Kind ist man ja neugierig und wirft ein paar Pfeile drauf. Da hatte sich gleich herauskristallisiert, dass ich gutes Talent und eine gute Hand-Augen-Koordination habe.

2007 haben Sie Ihr erstes PDC-Turnier gespielt. Fünf Jahre später dann die erste WM-Teilnahme. Was ist in der Zeit dazwischen passiert?

Ich hatte immer Darts gespielt, aber hauptsächlich die elektronische Variante. Ich war viel unterwegs, wurde unter anderem deutscher Meister im E-Darts und habe Turniere rund um den Globus gespielt. Die Leidenschaft für das Steel Darts war eigentlich immer da, aber erst 2012 habe ich meine Idee umgesetzt, einmal eine Qualifikation für die WM zu spielen. Die gab es damals für Deutschland und für Osteuropa. Terminlich hat das für Deutschland nicht geklappt. Dann hat jemand zu mir gesagt: Du hast doch auch einen kroatischen Ausweis, warum spielst Du nicht die osteuropäische Qualifikation? Seitdem spiele ich regelmäßig bei der PDC.

Wie schwierig ist es, Darts-Profi zu werden, wenn man aus einer Kleinstadt im Schwarzwald kommt?

Das spielt keine Rolle. Das ist ja das Schöne am Darts: Es ist egal, wo man herkommt, wie man aussieht, welchen Körperumfang man hat, aus welchem Land man kommt, welche Religion man hat, was man gelernt hat – am Schluss zählt nur die Leistung am Board. Und das kann jeder schaffen, der Talent hat. Das ist das Faszinierende am Darts. Ich denke, darum ist dieser Sport auch so populär. Jeder, der uns zuschaut, denkt vielleicht: Das könnte auch ich sein.

Vergangene Woche ging die Premier League wieder los. Den Saisonstart haben Sie als TV-Experte bei Sport1 begleitet. Wie kam es dazu?

Schon vor der WM war ich bei einer Studiosendung von Sport1 zur Auslosung eingeladen. Dann habe ich bei der WM nach meinem Ausscheiden für einen Streaming-Anbieter kommentiert. Darts ist eine kleine Szene, man kennt sich untereinander. Sport1 wollte verschiedene Experten für die Premier League einsetzen und anscheinend habe ich ihnen ganz gut gefallen. Es geht ja auch darum, Insider-Informationen über die Spieler zu haben. Also keine schmutzige Wäsche waschen, die es im Darts sowieso nicht gibt, sondern zum Beispiel zu vermitteln, was der Spieler denkt, wenn er daneben wirft. Das kann ich als aktiver Spieler ganz gut erklären.

Sie gelten als ruhiger Typ. Ist das eine ideale Eigenschaft für einen Co-Kommentator?

Weiß ich nicht. Ich bin halt ein ruhiger Typ und das kann ich nicht ändern. Ich versuche alles sehr ruhig und gut zu erklären. Viele wissen ja, dass ich sehr methodisch an Darts herangehe. Ich verlasse mich nicht auf Talent und Training, sondern versuche immer herauszufinden: Was ist schief gelaufen, wenn ich verloren habe? Ich setze mich mit vielen Dingen drumherum auseinander, auch mit dem Material. Ich analysiere jedes verlorene Spiel und versuche, es zu verstehen.

Waren Sie nervös vor Ihrem ersten Auftritt als TV-Experte?

Ja klar. Darts hat inzwischen eine sehr hohe Einschaltquote bei Sport1 und die Premier League ist neben der WM das Flaggschiff. Ich weiß, dass da ein paar Hunderttausend Menschen zuschauen. Da möchte man nichts Falsches sagen. Hinzu kommt der Aspekt mit Social Media. Heutzutage lachen sich die Leute nicht mehr nur zu Hause über einen kaputt, sondern tragen das über das Internet innerhalb von Sekunden nach draußen. Und keiner liest natürlich gerne Kritik über sich. Davor hatte ich sehr viel Respekt – dass mich Leute im Internet zerfleischen.

Und wie waren die Reaktionen im Internet?

Weiß ich nicht. Ich habe mir das nicht angeguckt und ich werde es mir auch nicht angucken. Für mich war nur wichtig, dass die Kollegen von Sport1 mich gefragt haben, ob ich wieder kommen würde. Das suggeriert mir, dass alles in Ordnung war. Wenn die zufrieden sind, dann passt das. Aber ich lese mir das nicht durch, sonst macht man sich nur selbst verrückt.

Sie waren jetzt bei den ersten beiden Premier-League-Spieltagen als TV-Experte bei Sport1 im Einsatz. Wird es auch noch ein drittes Mal geben?

Die Anfrage ist da, aber ich werde jetzt erst mal ein bisschen Pause mit dem Kommentieren machen. Die PDC-Tour ist wieder losgegangen und ich muss mich wieder mehr aufs Spielen konzentrieren. Außerdem habe ich ein zeitaufwendiges Hobby. Weil ich ja immer viele Anfragen von Darts-Spielern bekomme, die Tipps haben wollen, habe ich vor einem Jahr angefangen, Videos auf Youtube zu veröffentlichen, mit denen ich den Leuten Darts erkläre. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, macht mir aber riesigen Spaß und hat für mich Vorrang vor dem Kommentieren.

Und dann haben Sie ja auch noch einen Job…

Ja, ich bin Vollzeitarbeiter. Ich arbeite 40 Stunden die Woche bei der Firma Schmid in Freudenstadt als Lagerleiter. Ich habe aber einen sehr toleranten Arbeitgeber, der mir sehr flexibel Urlaub für die Turniere gibt.

TV-Kommentator, Youtuber – am meisten Spaß wird Ihnen doch aber sicherlich das Darts spielen an sich machen, oder?

Ja klar. Jeder, der schon mal an einem Wettbewerb oder einer Liga teilgenommen hat, wird sagen: Egal, über welche Alltagsprobleme man sich Gedanken macht – vor dem Board ist man konzentriert und vergisst alles. Da ist man in einer Wohlfühl-Zone. Und in meinem Fall läuft alles immer relativ gut. Klar, ich bin kein Weltklasse-Spieler, aber ich bin zufrieden. Darts gibt mir ein gutes Gefühl.

Wann kann man Sie vor dem Board wieder in Aktion sehen?

In zwei Wochen starten die UK Open in England. Da bin ich qualifiziert. Dann kommt es darauf an, für wie viele Turniere ich mich qualifiziere.

Was ist das Ziel?

Am Ende des Jahres – nach der nächsten WM – mindestens 64. der Weltrangliste zu sein. Im Moment bin ich 70. Wenn ich Platz 64 halten kann oder besser bin, dann bin ich qualifiziert, die Profi-Tour in England zu spielen.

Sieht man Sie auch ab und zu noch in Freudenstadt spielen?

Ja, aber hauptsächlich E-Darts. Überall, wo ein E-Darts-Automat steht, könnte ich auftauchen.

Und darf man dann auch mal eine Runde mit Ihnen spielen?

Wer mich trifft und mich fragt, der darf auf jeden Fall mal eine Runde mit mir spielen. Wir haben ja auch eine eigene Darts-Liga in Freudenstadt, in der ich ab und zu mal aktiv bin. Für die Leute dort bin ich aber nicht der Profi-Darter, denn die kennen mich ja alle schon seit 20 Jahren. Für die bin ich einfach der Robbie.   Die Fragen stellte Tim Geideck.