Christoph Kessler. Foto: Sven Hopppe

Leichtathletik: Donaueschinger will sich nach frühem Aus bei Heim-EM in Berlin für Weltmeisterschaft qualifizieren. 

Die enttäuschende Heim-EM in Berlin ist abgehakt, der Blick von Christoph Kessler geht gen Katar. Im dortigen Doha findet im kommenden Jahr die Leichtathletik-WM statt. Doch zuvor wird es für das 800-Meter-Ass kompliziert. Sehr sogar.

Der 23-Jährige geht in Leipzig ans Telefon. "Alle Mittelstreckler des Bundeskaders haben dort gerade die Leistungstests", wird auch Christoph Kessler in der größten Stadt Sachsens in Sachen Gesundheit, Kraftwerte oder Ausdauer auf "Herz und Nieren" geprüft. Die ersten Ergebnisse stimmen den Verfahrenstechnik-Studenten zuversichtlich. "Ich hatte im Vergleich zu den Vorjahren noch nie so gute Werte."

Eine gute Grundlage also, um nach einem Trainingslager im November in Portugal die großen Ziele für 2019 anzugehen. "Zunächst möchte ich mich für die Hallen-EM qualifizieren", geht es für den Athleten der LG Region Karlsruhe darum, das Ticket für die Titelkämpfe im schottischen Glasgow (1. bis 3. März 2019) zu lösen.

Allerdings nicht über die gewohnten 800 Meter, sondern über die 1500 Meter. "Das haben meine Trainer und ich so ausgetüftelt", ist Kessler gespannt, ob er die Norm – zuletzt war eine Zeit von 3:42,00 Minuten nötig – für die kontinentalen Meisterschaften unter dem Hallendach unterbietet. "Ich bin aber zu Beginn des Jahres die 1500 Meter schon in 3:41,70 Minuten gelaufen", erwartet der Donaueschinger, dass er in Glasgow die deutschen Farben vertreten wird.

Klar, die Hallen-EM in Schottland ist wichtig, doch von noch größerer Bedeutung ist die Weltmeisterschaft in Doha (28. September bis 6. Oktober 2019). Dann möchte Kessler über die beiden Stadionrunden zeigen, dass er aus seinem frühen EM-Aus in Berlin seine Lehren gezogen hat. "Wir haben den Vorrundenlauf genau analysiert. Ich habe mich damals von der unglaublichen Atmosphäre beeinflussen lassen, bin viel zu schnell angegangen. Aber dieses Thema ist abgehakt", blickt der 23-Jährige nach vorne.

Also eben auch in Richtung Doha. Doch um in der Hauptstadt von Katar das DLV-Trikot überzuziehen, muss Kessler nicht nur auf deutscher Ebene für Furore sorgen. Nicht mehr die nationalen Verbände, sondern der Weltverband IAAF entscheidet dann, wer bei einer WM – später auch bei den Olympischen Spielen in Tokio (2020) – starten darf.

"Das ist höchst kompliziert. Es gibt dann Weltranglisten. Im meinem Fall muss ich zu einem bestimmten Zeitpunkt vermutlich unter den 50 besten 800-Meter-Läufern der Welt sein, um das Ticket zu lösen", haben die Trainer und Funktionäre in den vergangenen Wochen und Monaten die Athleten intensiv über die neue Ausgangslage informiert.

Umso hochkarätiger der Wettkampf, umso mehr Punkte können die Sportler über die Platzierungen und Zeiten holen. "Bei uns 800-Meter-Läufern kommen wohl fünf Rennen in die Wertung. Dabei sind die nationalen Meisterschaften von großer Bedeutung, aber natürlich gibt es bei den internationalen Top-Veranstaltungen die meisten Zähler", freut sich Christoph Kessler auch deshalb, dass sein "Heim-Meeting" in Karlsruhe (2. Februar 2019) zur hochklassigen IAAF World Indoor Tour zählt. Klar, dass der Donaueschinger dann in "seinem Wohnzimmer" gegen die internationale Konkurrenz möglichst viele Punkte einfahren möchte. "Und am Ende wird die WM-Qualifikation eben ein großes Rechenspiel. Es ist schon kompliziert", sagt Christoph Kessler und lacht.

Doch für einen Studenten der Verfahrenstechnik am KIT (Karlsruher Institut für Technologie) sollte dies kein großes Problem sein.

Info Weltrangliste

Neu: Weltrangliste entscheidet über WM-Qualifikation

Der Leichtathletik-Weltverband IAAF setzt für die Spiele 2020 in Tokio erstmals bei einer Olympia-Qualifikation hauptsächlich auf seine im kommenden Jahr geplante neue Weltrangliste. Demnach entscheidet über die Olympia-Teilnahme zunächst der Weltranglistenplatz des jeweiligen Sportlers in seiner Disziplin. Lediglich bei "außergewöhnlichen Leistungen" könnten Athleten, die sich nicht über die Weltrangliste qualifizieren, auf eine Olympia-Teilnahme über eine Norm hoffen.

Im vergangenen November hatte die IAAF die Einführung der Weltrangliste angekündigt. Ähnlich wie beim Tennis sollen Sportler Punkte für ihre Leistungen bei Meetings erhalten, abhängig von der Wichtigkeit der Veranstaltungen.

Bisher werden die Athleten von den nationalen Verbänden – wie dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) – auf Grundlage von zuvor bestimmten Nominierungsrichtlinien für ein Großereignis zugelassen. Ausschlaggebend war dabei oft die beste Saisonleistung. Besonders für Länder wie die USA oder Jamaika, die bisher auf ein "Trial-System" setzen, könnte die neue Weltrangliste eine kleine Revolution bedeuten. Dort war es bisher so, dass sich die ersten Drei der nationalen Meisterschaften für eine WM qualifizierten, vorausgesetzt, sie erfüllten die internationale Norm. Leistungen und Ergebnisse vor den Trials spielten dabei keine Rolle.

Bei der WM in Doha (28. September bis 6. Oktober 2019) sollen die WM-Tickets erstmals über dieses neue System vergeben werden.