Zusammen mit ihren Oberkollbacher Teamkameradinnen Carmen Keppler (links) und Regina Vielmeier (rechts) belegte Nora Kusterer in diesem Jahr beim Halbmarathon in Karlsruhe im Mannschaftswettbewerb den vierten Platz. Foto: Nothacker Foto: Schwarzwälder Bote

Leichtathletik: Nora Kusterer hat in Thüringen studiert, lebt inzwischen in Südhessen und hält Kontakt zu ihrem ehemaligen Verein

Nora Kusterer vom SV Oberkollbach gehört seit Jahren zu den erfolgreichsten Leichtathletinnen des Kreises Calw.

Die aus Schömberg kommende Langstreckenspezialistin belegte im Oktober dieses Jahres Platz fünf beim Frankfurt Marathon. Im März hatte sie den Rennsteig-Marathon gewonnen.

Zu Fragen ihrer Laufsportkarriere, zu ihren weiteren sportlichen Zielen, zu ihrem privaten Umfeld und natürlich auch zum Sportverein Oberkollbach stellte sie sich einen Interview mit unserer Zeitung.

Frau Kusterer, wer hat Sie zum Laufsport gebracht?

Schon als Kind war ich sportlich aktiv und habe bei den Bundesjugendspielen das Werfen durch dem 800-Meter- Lauf ersetzt. Allerdings war ich nie im klassischen Leichtathletikverein, sondern habe viele verschiedene Sportarten betrieben zum Beispiel Schwimmen, Tennis, Biathlon und Reiten. Nach einer kurzen sportfreien Phase habe ich die Laufschuhe viele Jahre nur in unregelmäßigen Abständen geschnürt und mich 2011 zum ersten Mal gezielt mit Trainingsplan auf einen Wettkampf vorbereitet. Das Ergebnis: 3:03:39 beim Frankfurt Marathon. Das besondere war, dass ich die komplette Strecke mit meiner Vereinskameradin Regina Vielmeier gelaufen bin und wir die Ziellinie Hand in Hand überquert haben.

Wie sind Sie schon in jungen Jahren darauf gekommen, sich für die langen Strecken zu entscheiden? Ist das nicht ungewöhnlich?

Da ich eben nie im klassischen Leichtathletikverein war, habe ich auch nie für die Kurz- oder Mittelstrecken trainiert. Dadurch fehlt mir eine gewisse Grundschnelligkeit, die ich auf den langen Strecken im Vergleich zu 5000 oder 10000 Meter besser kompensieren kann. Den langen 35-Kilometer-Lauf mag ich auch deutlich lieber als beispielsweise die 400 Meter Intervalle.

Sie hatten sich vor ein paar Jahren entschieden, ihren Lebensmittelpunkt studienbedingt nach Thüringen zu verlegen. Was haben Sie dort studiert?

Mein Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen habe ich 2011 in Karlsruhe abgeschlossen. Für mich stand schon immer fest, dass ich direkt im Anschluss daran einen Master machen möchte. Für den Studienort Jena habe ich mich bewusst entschieden, da ich einen Teil von Deutschland kennenlernen wollte, in den es nur wenige aus dem Süden verschlägt. Dort habe ich dann BWL für Naturwissenschaftler und Ingenieure studiert.

Was gab den Ausschlag dafür, dass Sie dort sportlich gesehen so richtig eingestiegen sind?

Begonnen hat alles mit der Unisport-Laufgruppe um Hans-Georg Kremer, einem der Rennsteiglauf-Mitbegründer. In der Gruppe habe ich einen anderen Läufer kennengelernt, der heute zu meinem engsten Freundeskreis zählt. Der nächste Schlüsselmoment war 2012 der Marathon in Dresden bei dem ich erstmals unter 3 Stunden geblieben bin. Dort habe ich zwei Läufer aus Jena getroffen, die ich bis dahin nur flüchtig kannte. Gemeinsames Auslaufen war der Startschuss für weitere Verabredungen zu Training und Kochabenden. Einer der beiden ist seit fünf Jahren mein Partner. Nach und nach kamen weitere Läufer dazu, und mit der Zeit wurde aus der Laufgruppe unser enger Freundeskreis.

Welchen Trainingsaufwand haben Sie betrieben, um das zu erreichen, was Sie erreicht haben?

Es ist kaum möglich diese Frage pauschal zu beantworten. Der Trainingsaufwand hat sich über die Jahre verändert und hängt auch stark vom Zeitpunkt in der Saison ab. Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir den Großteil unserer Freizeit ins Lauftraining und die Wettkämpfe investieren, wobei ich im Vergleich zu andern Läufern bei der Frage "Wer hat die meisten Kilometer?" wohl eher einen der hinteren Plätze belege.

Mit dem Studium müssten Sie eigentlich inzwischen fertig sein? Sind Sie noch in Jena? Und was macht der Beruf?

Mein Masterstudium habe ich 2013 erfolgreich abgeschlossen und zunächst in Jena gearbeitet. Meine berufliche Veränderung hat mich im Frühjahr 2016 in die Nähe von Darmstadt gebracht. Das war Freud und Leid zugleich: Freude über den neuen Job, bei dem ich bis heute jeden Morgen gerne aufstehe und Leid, weil ich einen großen Teil des Wochenendes auf der Autobahn zwischen Darmstadt und Jena verbracht habe – oftmals im Stau mit der entsprechenden Auswirkung aufs Gemüt. Das ist jetzt vorbei. Mein Freund arbeitet seit Mitte Oktober auch in der Region um Darmstadt, und wir sind Anfang November nach Griesheim gezogen.

Und wie können Sie jetzt in Darmstadt Beruf und Sport verbinden?

Nachdem die schon etwas stressige Wochenend-Pendelei endlich ein Ende hat, lassen sich Sport, Beruf und Privatleben für mich deutlich leichter verbinden. Durch flexible Arbeitszeiten kann ich im Sommer die frühen (und damit kühleren) Morgenstunden für das Training nutzen. Im Winter hat es den Vorteil, dass ich in der Mittagspause in die Laufschuhe schlüpfe und mit etwas Glück auch unter der Woche ein paar Sonnenstrahlen erhasche. Auch beim Arbeitsweg von 15 Kilometern kann ich das Rad gut gegen die Schuhe tauschen und den Heimweg mit Training verknüpfen.

Wer sind Ihre Trainingspartner?

In Jena habe ich hauptsächlich mit "meinen Jungs" trainiert. In der großen Gruppe gab es immer jemanden, der sich beim Tagesprogramm angeschlossen hat. Neben der Tatsache, dass der Partner unter der Woche nicht da ist, war das eine der kraftraubendsten Veränderungen, die der Jobwechsel mit sich gebracht hat. Umso schöner ist es, dass wir unsere Runden jetzt wieder gemeinsam drehen können. Zusätzlich haben wir uns dem TuS Griesheim angeschlossen, denn insbesondere beim Bahntraining ist die Gruppe eine riesige Unterstützung.

Schwarzwald, Thüringen, Hessen, das heißt, Sie haben jetzt drei Zuhause, dort wo Ihre Freunde sind? Oder sind Sie inzwischen schon eine "echte Hessin" geworden?

Für mich ist Heimat kein Ort, sondern ein Gefühl. Heimisch fühle ich mich bei meiner Familie im Schwarzwald beziehungsweise in Karlsruhe, bei den Freunden in Jena und natürlich in unseren eigenen gemütlichen vier Wänden.

Welche großen Veranstaltungen stehen 2018 in Ihrem Terminkalender?

Gesetzt ist auf jeden Fall der Berliner Halbmarathon Anfang April bei dem ich meine bisherige Bestzeit angreifen will. Ein Frühjahrsmarathon zum Beispiel auf dem Rennsteig ist im Hinterkopf aber noch nicht entschieden. Wenn das Training gut läuft und ich verletzungsfrei bleibe, sollen im Herbst die 2:40 Stunden fallen. Wo und wann ist aber noch offen. Ansonsten gibt es ein paar Traditionsläufe zum Beispiel der Halbmarathon in Leipzig oder die Rennsteig-Staffel, deren Termine bereits im Kalender eingetragen sind.

Tauchen Sie noch regelmäßig in Schömberg auf? Werden Sie auch in Ihrer alten Heimat im Schwarzwald bei der einen oder anderen Veranstaltung dabei sein – eventuell sogar in Oberkollbach?

Dadurch, dass meine Eltern beide in Schömberg wohnen, bin ich auch heute noch regelmäßig unregelmäßig dort. Das gleiche gilt für Veranstaltungen im Umkreis. Wenn möglich, komme ich auch immer zum Holger-Nothacker-Gedächtnislauf (Lauf des SV Oberkollbach) Ende Juli. Das Besondere hier ist, dass die Startgelder komplett an die Kinderklinik in Schömberg gespendet werden. Im Gegenzug bekommen die Läufer jedes Jahr einen kurzen Einblick, wofür die Gelder aus dem Vorjahr verwendet wurden. Außerdem ist die Kinderklinik mit zahlreichen Patienten und Betreuern vertreten, die die Läufer immer lautstark anfeuern.

Und eine letzte Frage: Was hat der SV Oberkollbach, was andere (auch große) Vereine nicht haben?

Bisher war ich in keinem großen Verein und kann daher nicht beurteilen, was diese im Vergleich (nicht) haben. Im SV Oberkollbach habe ich mich immer wohl gefühlt. Das Miteinander hat einen hohen Stellenwert, was sich in vielen gemeinsamen Veranstaltungen zeigt, die zum Großteil von Michael Nothacker initiiert und organisiert werden. So gibt es jedes Jahr einen Jahresauftakt (Lauf und anschließender Thermalbadbesuch), eine Maiwanderung, ein "Oktoberfest", Adventsläufe, die Weihnachtsfeier und sonstige Ausflüge, die meistens einen Lauf mit einem Städte-Kurztrip verknüpfen. Außerdem investieren Carmen und Stefan Keppler sehr viel Zeit in die Nachwuchsarbeit. Die steigenden Mitgliederzahlen der letzten Jahre zeigen, dass dieses Engagement gut angenommen wird.

Vielen Dank für das Interview und weiter viel Erfolg.

Die Fragen stellte Sportredakteur Michael Stark.