Stacheln sich gegenseitig zu Bestzeiten an: Adrian Engstler (links) und Tim Assmann. Fotos: Sigwart (2), Eibner, Kessler Foto: Schwarzwälder Bote

LeichtathletikMit Christoph Kessler, Adrian Engstler und Tim Assmann mischen gleich drei 800-Meter-Läufer aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis in Deutschland ganz vorne mit

Sonntag, 9. August, 17.50 Uhr, Braunschweiger Eintracht-Stadion: Mit Adrian Engstler, Tim Assmann (beide TV Villingen) und dem Donaueschinger Christoph Kessler stehen gleich drei Athleten aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis im DM-Endlauf über 800 Meter. Utopie? Nein. Während Kessler schon seit einigen Jahren zu den besten deutschen Läufern über die beiden Stadionrunden gehört, haben sich die beiden jungen Villinger Mitte Juli mit persönlichen Bestzeiten zwischenzeitlich auf die Plätze eins und zwei der nationalen Bestenliste der Männer gesetzt. Dennoch wird es in Braunschweig dazu nicht kommen.

"Ein gutes Team"

Orangene Spikeschuhe, schwarze Radlerhosen und die blauen Shirts des TV Villingen: Adrian Engstler und Tim Assmann haben sich für einen Partnerlook entschieden. Das gefällt natürlich Gert Heinrich. "Sie bilden ein sehr gutes Team, trainieren gerne zusammen und pushen sich gegenseitig", sieht der 59-jährige Coach des TV Villingen perfekte Voraussetzungen, dass sich seine beiden Schützlinge in den kommenden Monaten und Jahren noch weiter verbessern. "Sie haben nicht nur das notwendige Talent, sondern sind eben auch sehr ehrgeizig."

Der Paukenschlag

Rückblick: Winnenden, 18. Juli: Tim Assmann legt in einem der ersten "normalen" 800-Meter-Rennen ein enormes Tempo vor. Davon profitiert Teamkollege Adrian Engstler. Der 17-jährige Schüler überspurtet noch den zwei Jahre älteren Assmann, staunt danach nicht nur über seinen Sieg. 1:48,95 Minuten leuchten auf der Anzeigetafel auf. "Damit habe ich meine bisherige Bestzeit um gut sechs Sekunden pulverisiert", sagt Engstler mit einem Lächeln im Gesicht. Auch Assmann strahlt, immerhin bedeutet die Zeit von 1:49,58 Minuten ebenfalls einen persönlichen Rekord. "Das nächste Mal mache ich dann die Pace", sagt Engstler. "Und dann drücke ich deine Zeit", verspricht Assmann.

Hartes Programm

Klar, dass auch der 19-Jährige im Training richtig Gas gibt. Schon am Vormittag hat der Villinger ein hartes Programm abgespult. Intervallläufe waren auf der 300 Meterbahn im Hubenloch angesagt. Mehrfach – nur durch sehr kurze Pausen unterbrochen – im Höchsttempo die 300 Meter, mal zahlreiche 600-Meter-Läufe. "Sie ziehen meine Trainingspläne mit großem Willen durch", lobt Heinrich. "Natürlich joggen wir auch gemeinsam viel. Dann aber lieber auf Wald- und Feldwegen. Das ist besser für die Gelenke." Coach Heinrich muss die beiden jungen Villinger schon einmal etwas bremsen. "Das ist wichtig. Es ist aber ein Privileg, zwei solche Ausnahmetalente zu trainieren", kann sich der erfahrene A-Lizenz-Inhaber nicht erinnern, dass er einmal zwei so starke Sportler unter seinen Fittichen hatte. "Es waren immer wieder tolle Athleten mit großem Potenzial dabei. Doch diese beiden Läufer sind etwas Besonderes", schwärmt der 59-Jährige besonders von der Trainingshärte der beiden Youngster. "60 bis 70 Joggingkilometer kommen schon regelmäßig in der Woche zusammen", so Engstler, der im kommenden Jahr sein Abitur bauen möchte.

"Eine Ansage"

Dieses hat Tim Assmann schon in der Tasche. Ein Studium in Tübingen soll bald folgen. Zuvor will der U20-EM-Teilnehmer von 2019 aber noch seine Bestzeit drücken. "Wenn er einen schnellen Lauf erwischt, wird er dies schaffen", sieht Heinrich die 1:49,58 Minuten von Winnenden nur als einen Zwischenschritt an. Auch Adrian Engstler traut er noch mehr zu. "Aber seine Zeit war schon eine Ansage. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, dass er seine Bestzeit nicht gleich um sechs Sekunden verbessert hätte. Die Trainingszeiten haben jedoch schon darauf hingedeutet, dass beide unter 1:50 Minuten laufen können", blickt Coach Heinrich auf die vielen Trainingswochen, die beide Talente auch unter Corona-Bedingungen absolviert haben.

Schwer beeindruckt

Diese sind auch ein Grund, weshalb beide Villinger am Sonntag auf einen Start bei der Männer-DM verzichten. "Lange Zeit war es ja fraglich, ob die nationalen Titelkämpfe überhaupt stattfinden. Und dann sollten die 800 Meter nur in Bahnen gelaufen werden. Das hätte keinen Sinn gemacht", kann sich Heinrich auch nicht mit einem sportlichen Höhepunkt des Jahres anfreunden, bei dem die Teilnehmer – bis auf die eigentlichen Wettkämpfe – einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. "Und außerdem war ja zumindest bei Adrian nicht damit zu rechnen, dass er die DM-Norm für die Herren läuft", ist der erfahrene Trainer auch noch Wochen nach Winnenden schwer von der Zeit des 17-Jährigen beeindruckt.

U23-EM im Blick

"Adrian hat einen sehr langen Schritt. Das ist schon ein Vorteil", nennt Tim Assmann eine große Stärke seines Teamkollegen. "Dafür ist Tim ein echtes Kampfschwein", weiß der acht Zentimeter längere Engstler (1,82 m) aus Erfahrung, was Assmann nicht nur auf den letzten 100 Metern abspulen kann. Diesen Kampfgeist will Assmann in diesem Jahr noch bei einigen Rennen unter Beweis stellen. Vor allem aber hat der 19-Jährige im kommenden Jahr viel vor. "Eine Medaille bei der U23-DM und die Teilnahme an der U23-EM sind meine Ziele", hofft Assmann natürlich, dass dann nicht wieder die Corona-Pandemie den Athleten einen Strich durch die Rechnung macht.

Ziel lautet DM-Gold

In die nicht so ferne Zukunft blickt dagegen Adrian Engstler. Der Villinger wird sich in den kommenden Wochen intensiv auf die U20-DM vorbereiten, die Anfang September im Heilbronner Frankenstadion ausgetragen wird. "Mein Minimalziel ist eine Medaille, aber eigentlich geht es für mich um Gold", nimmt der 17-Jährige die Favoritenrolle an. Immerhin führt Engstler die deutsche Bestenliste dieser Altersklasse deutlich an. "Aber Meisterschaftsrennen sind anders", weiß der Villinger, dass diese oft von der Taktik geprägt sind.

Der starke Donaueschinger

Noch aber ist Christoph Kessler die Nummer 1 im Schwarzwald-Baar-Kreis. Der Donaueschinger, der für die LG Karlsruhe startet, hat eine Bestzeit von 1:46,11 Minuten stehen. "Doch davon bin ich derzeit noch ein bisschen entfernt. Für mich geht es in diesem Jahr darum, einfach noch ein paar gute Läufe zu absolvieren", hat der 25-Jährige nach einer Hüftoperation und einer Entzündung im Schienbeinmuskel nicht mehr die ganz großen Ziele für 2020. "Ich bin zwar wieder gesund, doch nach harten Einheiten brauche ich für die Regeneration etwas länger. Deshalb mache ich mir für die DM keinen Druck. Eine Zeit unter 1:50,00 Minuten peile ich aber schon an", hat der EM-Teilnehmer von 2018 vor allem das kommende Jahr im Blick. Dann sind die Olympischen Spiele von Tokio das großes Ziel des Donaueschingers, der derzeit auch mit seiner Masterarbeit am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beschäftigt ist. Mit einem Höhentrainingslager im kommenden Frühjahr soll dann die intensive Vorbereitung auf Tokio 2021 beginnen.

Klar, dass auch Kessler die Zeiten von Engstler und Tim Assmann mitbekommen hat. "Die beiden Jungs haben super vorgelegt. Das hat mich beeindruckt. Es wäre toll, wenn sie bei der DM gestartet wären. Ich lasse in Braunschweig einfach alles auf mich zukommen. Zuletzt waren aber die Werte bei einer Leistungsdiagnostik in Ordnung. Das stimmt mich optimistisch." Der Optimismus war begründet: Christoph Kessler zeigte am vergangenen Wochenende bei seiner DM-Generalprobe in Pfungstadt, dass mit ihm in Braunschweig zu rechnen ist. Sieg in 1:47,28 Minuten. Damit verdrängte der Donaueschinger die beiden Villinger in der deutschen Jahresbestenliste vom Platz an der Sonne.

Der junge Schwenninger

Drei Ränge dahinter war im vergangenen Jahr Philipp Kaltenmark zu finden. Allerdings als Vierter bei der U18. Der Schwenninger macht das schnelle 800-Meter-Quartett aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis komplett. In diesem Jahr wird der deutsche U18-Vizemeister von 2019 über die beiden Stadionrunden aber nicht mehr sein volles Leistungsvermögen abrufen. Kaltenmark hat sich in den vergangenen Monaten voll auf sein Abitur konzentriert. "Aufgrund der Pandemie war es ja lange Zeit auch fraglich, ob es überhaupt Wettkämpfe geben wird", freut sich der Athlet der TG Schwenningen, dass er nun das Reifezeugnis in den Händen hat. "Nun schaue ich einfach, ob ich in diesem Jahr noch Rennen bestreite. Wichtiger ist aber das Studium, das ich beginnen will", möchte sich der 18-Jährige bald vor allem dem Journalismus widmen. Und dies wohl in Stuttgart. "Da muss ich sehen, wie ich Studium und Sport unter einen Hut bekomme. Ich möchte aber schon weiter Leichtathletik betreiben", stellt Kaltenmark, der eine Bestzeit von genau 1:55 Minuten aufzuweisen hat, klar. Natürlich ist auch der Abiturient von den Zeiten der beiden Villinger schwer beeindruckt. "Das war schon krass. Damit hätte ich nicht gerechnet", freut sich der Schwenninger mit den beiden Villingern.

Keine Utopie

Diese haben mittlerweile ihre schweißtreibende Einheit im Hubenloch beendet. "Ich bin gespannt, wie Christoph nach dieser schweren Verletzung bei der DM abschneidet", wird Adrian Engstler die Rennen des Donaueschingers in Braunschweig genau verfolgen. "Und wer weiß, vielleicht werden im kommenden Jahr bei der deutschen Meisterschaft der Männer mehr 800-Meter-Läufer aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis dabei sein", sagt Tim Assmann mit einem Schmunzeln im Gesicht. Utopien sehen anders aus.

  800 Meter Männer 1. Christoph Kessler (Donaueschingen/LG Region Karlsruhe) 1:47,28 Minuten.

2. Dennis Biederbick (LG Eintracht Frankfurt) 1:47,32. 3. Lukas Abele (SSC Hanau-Rodenbach) 1:48,40. 4. Oskar Schwarzer (Groß-Gerau) 1:48,89

5. Adrian Engstler (TV Villingen) 1:48,95. ... 7. Tim Assmann (TV Villingen) 1:49,58.