Ein Türchen zur digitalisierten Welt: Museumsleiterin Gabriele Bohnert Foto: Kapitel-Stietzel

Fake News, Onlinedating und Hyperlinks – die sich immer weiter digitalisierende Welt ist kompliziert. Im Lahrer Stadtmuseum klärt nun die neue Sonderausstellung „Neuland – ich – wir & die Digitalisierung“ über die gesellschaftlichen Auswirkungen von Vernetzung, Sozialen Medien und Digitalem auf.

„Das Internet ist für uns alle Neuland“: Knapp zehn Jahre ist es her, dass die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen inzwischen weithin bekannten Satz bei einer Pressekonferenz mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama fallen ließ. Während es online Spott über die scheinbar aus der Zeit gefallene Aussage hagelte – das öffentlich zugängliche Internet gibt es schließlich bereits seit den frühen 1990er-Jahren – war diese auch mit einer Warnung der Kanzlerin verbunden: Das Internet ermögliche „auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen“.

Beispiele für persönliche Attacken im Internet

Passend dazu geht im Lahrer Stadtmuseum die neue Sonderausstellung „Neuland – ich – wir & die Digitalisierung“ nicht nur auf die generellen Auswirkungen des Internets und die immer weiter voranschreitende Digitalisierung unseres Lebens ein, sondern auch auf die Gefahren, die daraus entstehen: von Falschnachrichten, gefälschten Videos von Politikern, künstlichen Intelligenzen, die im Internet Stimmung machen, aggressiven persönlichen Attacken durch anonyme Internetnutzer bis hin zu Verschwörungstheorien. In der primär in Holz und Metall gehaltenen Ausstellung, die sich – gerade ob des Themas – mit erstaunlich wenigen digitalen Bildschirmen oder technischen Spielereien präsentiert, erfahren die Besucher nicht nur viele Hintergrundinformationen über solche Gefahren, sondern auch, wie man ihnen begegnen kann. Beispielsweise durch eine einem Lampenschirm ähnelnde Installation, auf deren Äußeren man anhand humoriger Darstellungen im Comic-Stil einige der unangenehmeren Zeitgenossen im Internet präsentiert bekommt. Begibt man sich in das Innere des Aufbaus, findet man auf großen Holztafeln dann diverse Beispiele für persönliche Attacken, denen man sich im Internet ausgesetzt sehen kann – samt passender verbaler Gegenargumente.

Doch die Sonderausstellung widmet sich auch allgemeineren Fragen zur Digitalisierung, etwa was Wissen in der digitalen Gesellschaft bedeutet. So stapeln sich auf zwei Regalen gewaltige Brockhaus-Bände – ein Sinnbild dafür, wie sich Wissen immer mehr ins Digitale verlagert. Denn die bekannte Enzyklopädie-Reihe mit ihren einst mehreren Tausend Seiten dicken Büchern wird bereits seit 2014 nicht mehr gedruckt: Heute bekommt man den aktuellen Brockhaus und sein „geprüftes Wissen“ nur noch kostenpflichtig im Internet. Laut der Ausstellung müsse man sich in der durch den digitalen Wandel geschaffenen Informationswelt ständig neu orientieren – gar nicht so einfach beim Informationsüberangebot durch Blogs, Podcasts und viele andere Quellen.

Die Digitalisierung wird man nicht mehr los

In Zeiten, in denen sogar Armbanduhren digitalisiert sind und über Internetzugang und einen eingebauten Terminkalender verfügen, scheint es generell kaum noch ein Entrinnen vor der Digitalisierung zu geben. „Sie ist da, man kann sie mögen oder nicht mögen, aber man wird sie nicht mehr los“, erklärt die Leiterin des Stadtmuseums, Gabriele Bohnert. Wie sich das im normalen Alltag auswirkt, ist ebenfalls Thema bei „#Neuland“: „Haben wir ein Recht auf das falsche Leben?“ fragt eine Ausstellungstafel schon fast provokant. Der Sinn dahinter erschließt sich schnell, wenn man die Infotafeln darunter liest: Denn heutzutage sammeln allerlei Algorithmen alle möglichen Daten über die Nutzer von Apps, Webseiten und Internet-Shops, um möglichst akkurate Profile über deren Vorlieben, Verhalten und Interessen zu erstellen. Damit können dann beispielsweise Firmen gezielt auf einen zugeschnittene Werbeangebote erstellen.

Doch die Datenströme, die man oft nichtsahnend hinterlässt, erlauben weit mehr, als nur maßgeschneiderte Werbeanzeigen im Internet. „Auch wenn sie scheinbar ruhen – eigentlich schlafen unsere Smartphones und Apps nie. Sie tauschen unermüdlich personenbezogene Daten aus“, heißt es im Ausstellungsbereich „Die Taten deiner Daten“. Dort wird mit vielen Illustrationen gezeigt, wie dank der Datenkrümel, die man im Alltag hinterlässt, sich der eigene Tagesablauf rekonstruieren lässt: was man in welchen Läden kauft, wohin man mit dem Auto fährt oder welche Filme man über Streamingdienste schaut. Selbst das Verwenden einer Payback-Karte gibt die eigene Kaufhistorie Preis.

Auch Besucher, die sich mit Digitalisierung und Internet nicht vertraut fühlen, werden im Stadtmuseum verständlich an das Thema herangeführt. Die Ausstellung sei eine für alle Altersgruppen, jung und alt, so Bohnert. Das merkt man auch an Bohnerts persönlicher Favoriten in der Schau, den „analogen Links“: durch drehbare Metallstäbe verbundene Infotafeln aus Holz, die über Terminologie und Konzepte in der digitalen Welt aufklären: Etwa was es mit „Links“ auf sich hat oder was denn eigentlich „Hashtags“ sind. So wird in der Ausstellung nicht nur über die Tücken der Digitalisierung aufgeklärt, sondern auch Laien ganz generelle Informationen über zum Thema auf verständliche Art zugänglich gemacht.

Informationen stilvoll auf Tellern serviert

Eine weitere Stärke der Ausstellung ist die kreative Präsentation: So wird das Thema Onlinedating als ein Art Info-Büfett serviert – mit echten Tellern, die mit themenrelevanten Infohäppchen gefüllt sind.

Wer sich in einer Ausstellung über die Digitalisierung allerdings Exponate wie alte Computer oder moderne Ausstellungstechnik wie Touch-Bildschirme erhofft, wird enttäuscht: Selbst einfache Bildschirme mit Infofilmchen gibt es nur wenige, vielmehr gibt es Informationen hauptsächlich analog – zum Beispiel als Infotext in hölzernen Schränken versteckt. „Es geht in der Ausstellung nicht um Technik, hier geht es wirklich ums Gesellschaftliche“, so Bohnert.

Das Begleitprogramm

Die Sonderausstellung „Neuland – Ich, wir & die Digitalisierung“ ist bis zum 10. September jeweils mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr im Stadtmuseum zu sehen. Der Eintritt für das Museum samt Sonderausstellung beträgt für Erwachsene drei Euro. Auch gibt es verschiedene Veranstaltungen als Begleitprogramm. Die nächsten Termine sind eine Gesprächsrunde über „Kommune digital“ am Dienstag, 28. März, ab 18 Uhr und eine Druckwerkstatt am Donnerstag, 13. April, ab 14 Uhr.